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Dresden – Was einst als mystisches Naturphänomen galt, rückt heute in den Fokus von Forschung und Industrie: Biolumineszenz – die Fähigkeit lebender Organismen, Licht zu erzeugen. Winzige Meeresalgen, Tiefseefische, Pilze und Glühwürmchen haben diese Fähigkeit über Jahrmillionen perfektioniert. Nun könnte sie zur Antwort auf zentrale Fragen nachhaltiger Technologie werden.

So funktioniert Biolumineszenz

Über 3500 bekannte Spezies erzeugen Licht durch eine chemische Reaktion im eigenen Körper. Dabei reagiert z. B. beim Glühwürmchen das Molekül Luciferin mit dem Enzym Luciferase unter Sauerstoffzufuhr und erzeugt sogenanntes „kaltes Licht“ mit einer Energieeffizienz von bis zu 98 Prozent. Konventionelle Lichtquellen wie Glühbirnen kommen kaum auf fünf Prozent.

Rosa schimmernde Leuchtquallen sind in der Tiefsee keine Seltenheit. Sie sind biolumineszent, erzeugen ihr eigenes Licht

Lila schimmernde Leuchtquallen sind in der Tiefsee keine Seltenheit. Sie sind biolumineszent, erzeugen ihr eigenes Licht

Foto: Getty Images

Das natürliche Leuchten fasziniert nicht nur Biologen, es beschäftigt auch Materialforscher und Chemieingenieure, die nach nachhaltigen Alternativen für heutige Technologien suchen. So wurden in der Gemeinde Rambouillet bei Paris 2019 erstmals „lebende Lampen“ getestet. Entwickelt wurden sie vom französischen Start-up Glowee. Leuchtende Bakterien in Wasserbehältern, die allein durch Nährstoffe, Wasser und Sauerstoff betrieben werden, erhellen die Straßen.

Die französische Gemeinde Rambouillet hat Straßenlaternen getestet, die durch Bakterien leuchten

Die französische Gemeinde Rambouillet hat Straßenlaternen getestet, die durch Bakterien leuchten

Foto: OT Rambouillet Territoires

Forscher wollen Giftstoffe aus OLEDs verbannen

An der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Dresden arbeitet Prof. Stefan Schramm (34) mit seinem Team an der Entwicklung sogenannter BiOLEMs (biologisch inspirierte, organische Leuchtmoleküle). Ihr Ziel: Leuchtstoffe für OLED-Displays, die ohne giftige Schwermetalle auskommen und biologisch abbaubar sind – also für besonders brillante und energiesparende Bildschirme in Smartphones, Fernsehern und Co.

„Als ich aus der Industrie zurück an die Hochschule kam, war mir klar: OLED-Technologie muss umweltverträglicher und nachhaltiger werden“, sagt Prof. Schramm zu BILD. „Studien zeigen, dass manche OLED-Materialien bereits in Fischen, Meeresorganismen und sogar Muttermilch nachweisbar sind.“

Im Hinterleib des Glühwürmchens reagieren die Stoffe Luciferin und Luciferase mit Sauerstoff, leuchten dadurch

Im Hinterleib des Glühwürmchens reagieren die Stoffe Luciferin und Luciferase mit Sauerstoff, leuchten dadurch

Foto: Phil Degginger/imageBROKER/picture alliance/dpa

Wie Laternen: Glühwürmchen in Gläsern

Der Antarktische Krill erzeugt selbst Licht – u. a. zur Partnersuche und Warnung vor Fressfeinden

Foto: Avalon/juniors@wildlife

Die Vision: Leuchtstoffe, die nicht nur effizient und farbstark, sondern auch kompostierbar sind – etwa bei der Entsorgung von Smartphones oder Fernsehern. Auch Anwendungen in der Bioelektronik seien denkbar, so Schramm. „Stellen Sie sich einen bioelektronischen Sensor vor, den man schlucken kann. Er misst im Körper relevante Werte, sendet die Information drahtlos und löst sich danach vollständig auf“, beschreibt er ein mögliches Zukunftsszenario.

Leuchtende Etiketten als Werbefläche

Auch in der Verbraucherkommunikation sieht der Chemiker Potenzial: Einweg-Etiketten mit leuchtenden Bio-Displays, die wichtige Produktinformationen anzeigen oder sogar als Video abspielen – umweltfreundlich, billig herstellbar, vollständig biologisch abbaubar.

Noch steckt das Projekt in den Anfängen. Erste grün leuchtende BiOLEMs wurden bereits hergestellt und strahlen sehr effizient. Allerdings gibt es noch Herausforderungen, vor allem bei der Haltbarkeit der Stoffe und der Vielfalt an Farben. „Wir stellen gerade neue Moleküle her, die sich an Strukturen aus dem Glühwürmchen orientieren“, sagt Schramm. „Aber auch Quallen oder kleine Krebstiere sind spannend – etwa für tiefblaues Licht, das in aktuellen OLEDs noch ein großer technischer Schwachpunkt ist.“

Eine nachts leuchtende Pilzgruppe im Tangkoko-Naturschutzgebiet in Indonesien

Sieht mystisch aus: eine Gruppe des Javanischen Leucht-Helmlings in der Nacht. Das Leuchten zieht Insekten an, die den Pilzen helfen, die Sporen zu zerstreuen und sich auszubreiten

Foto: Minden Pictures/picture alliance/dpa

Die Turtle (auch American Turtle) war 1775 das erste Tauchboot der Welt. Ihre Instrumente trugen kleine Stücke „Leuchtpilz“ an den Zeigern, um Positionen im Dunkeln sichtbar zu machen

Die Turtle (auch American Turtle) war 1775 das erste Tauchboot der Welt. Ihre Instrumente trugen kleine Stücke „Leuchtpilz“ an den Zeigern, um Positionen im Dunkeln sichtbar zu machen

Foto: picture-alliance / Mary Evans Picture Library

Industriepartner schon mit an Bord

Für den nächsten Forschungsschritt hofft das Team auf öffentliche Fördermittel. Unterstützung gibt es bereits von OLED-Unternehmen wie BeeOLED und MimoType in Dresden. „Die Zusammenarbeit mit Firmen bringt uns viel. Nicht nur für die Forschung, sondern auch für die Ausbildung unserer Studierenden“, sagt Schramm. „In meinen Kursen lernen sie zum Beispiel, wie man das Leuchtmolekül der Glühwürmchen selbst herstellt.“

Das wirtschaftliche Potenzial sei enorm – auch wenn die Marktreife noch dauert, sagt Schramm. „Allein der OLED-Markt wird bis 2029 auf rund 100 Milliarden US-Dollar geschätzt. Selbst eine geringe Marktdurchdringung unserer Technologie wäre hochprofitabel.“

Doch der Forscher bleibt realistisch: „Aktuell geht es noch nicht um Produkte, sondern um Grundlagen. Wir wollen Materialien schaffen, die leuchten, stabil sind und gleichzeitig biologisch abbaubar: Das ist die echte Herausforderung.“

Teaser-Bild

Foto: Stefan Schramm

Dr. Stefan Schramm (34) ist Professor für Angewandte Organische Chemie an der HTW Dresden. Er gilt als ausgewiesener Experte für leuchtende organische Moleküle und hat sich international einen Namen in der Forschung zu Biolumineszenz und Chemilumineszenz gemacht. Er forschte u. a. in Abu Dhabi, Japan und den USA. Bevor er 2024 an die HTW Dresden berufen wurde, war er als Laborleiter bei der BASF und für Merck als Senior Research Expert in der OLED-Materialforschung tätig. Für seine wissenschaftlichen Arbeiten wurde er mehrfach ausgezeichnet – u. a. mit dem Marlene-DeLuca-Award und dem Alan-Roy-Katritzky-Preis.