Ein Geruchsgemisch aus Parfüm und Gras weht durch die Menge. Einige tragen Leder, ein paar andere Ketten am Hals, die nicht durch filigrane Machart auffallen. Die meisten hier aber sind in unauffälligem Outfit gekommen. Kurz vor sieben sind genau 2278 Personen auf dem Feierareal, bei 2300 ist Schluss. Mehr dürfen nicht gleichzeitig auf dem Hans-Sachs-Straßenfest im Glockenbachviertel sein, aus Sicherheitsgründen. Das Schwule Kommunikations- und Kulturzentrum „Sub“ feiert Geburtstag, 39 Jahre alt ist es, und die queere Community freut’s. Eine Schnitzelsemmel gibt’s für achtfünfzig, eine Plastikkiste für Streusplit dient als Sitzgelegenheit.

Auf der kleinen Bühne wechseln sich Dragqueens ab, sie tanzen und singen oder tun zumindest so bei Musik vom Band. Die Maikönigin ist auch da, rotes Kleid, beige Seidenstrümpfe, Schärpe. Zwischen zwei Auftritten kommt „Susi Sendling“, 44, aus Sendling in einen Randbereich. Beim Tanz in den Mai wurde sie zur Königin gewählt, schon zum zweiten Mal, erzählt sie. Heuer seien es zehn Jahre, die sie als Dragqueen auftrete. In gewöhnlichen Klamotten abseits der queeren Bühnen ist die Königin Sachbearbeiter in einer Logistikfirma, jetzt aber ist sie in queerer Mission da. Sie sei dieses Jahr auf mehreren CSDs gewesen, Antwerpen, Innsbruck, Schongau, aber zu Hause fühle sie sich hier, in der Hans-Sachs-Straße: „Diese Bühne ist für mich Heimat.“

Auf der kleinen Bühne wechseln sich Dragqueens ab, sie tanzen und singen oder tun zumindest so bei Musik vom BandAuf der kleinen Bühne wechseln sich Dragqueens ab, sie tanzen und singen oder tun zumindest so bei Musik vom Band (Foto: Stephan Rumpf)

Auch sie spüre, dass sich das Klima verschlechtere, und das auch in München, das sich gerne für seine Toleranz feiert. Wenn sie nach einem Drag-Termin im Kostüm Bus oder Bahn fahre, erlebe sie bisweilen Ungutes. Einmal sei ihre Perücke runtergezogen worden, unfreundliche Sprüche höre sie immer wieder. Und einmal sei der Gang durch das Stachus-Untergeschoss zum „Spießrutenlaufen“ geworden. Einer habe seinen Finger so in den Mund geschoben, als wolle er sich erbrechen.

Kai Kundrath, Geschäftsführer des Sub, sagt, dass sich einige Menschen nun trauten, zu tun und zu sagen, was sie sich früher nicht getraut hätten. Und einen Wunsch an die Stadt habe er: Sie möge beim Sparen umsichtig vorgehen und die Unterstützung der queeren Community nicht über die Maßen reduzieren.

Schon bald ist die maximale Besucherzahl auf dem Gelände erreicht.Schon bald ist die maximale Besucherzahl auf dem Gelände erreicht. (Foto: Stephan Rumpf)

Zu Susi Sendling hat sich „Bavarian Mister Fetisch“ gestellt. Auch er trägt Schärpe, in der queeren Szene ist das so was wie ein temporärer Adelstitel. Andreas Meichelböck, 40, sagt, er erlebe Anfeindungen selten, weil er nicht so auffällig sei wie eine Dragqueen, und überhaupt, ein Lederoutfit signalisiere eher Stärke. Seine Aufgabe sehe er darin, Brücken zu bauen zwischen den unterschiedlichen Fetisch-Szenen. An seiner Schärpe kann er mit Klettverschluss verschiedene kleine Flaggen anbringen. Er zeigt, was er einstecken hat: Eine für die Rubber-Community, die Gummi- und Latexklamotten liebt; eine für passionierte Windelträger, die sich nach einem sorglosen Leben sehnen, wie als Baby; eine für die Doggys, die sich gerne als junge Hunde verkleiden; eine für die BDSM-Community, die sich an sexueller Dominanz und Unterwerfung erfreuen.

Die maximale Besucherzahl ist erreicht, als sich unzählige Handykameras nach oben richten. Aus den Lautsprechern ist Hildegard Knef zu hören, „Für mich soll’s rote Rosen regnen“. Auf einem Balkon im fünften Stock, der geschmückt ist mit Luftballons in Regenbogenfarben, stehen einige Leute, und immer, wenn Knef von Rosen singt, gilt das als Kommando: Rote Rosenblätter werden nach unten geworfen. Als der Knef-Hit zu Ende ist, leert einer eine große, blaue Plastiktüte aus. Auch das letzte Rosenblatt soll regnen dürfen.