Die neue Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche war zwar von 2015 bis 2019 Hauptgeschäftsführerin beim Verband kommunaler Unternehmen (VKU). Aber als Ministerin hat sie die Interessen der kommunalen Unternehmen ganz offensichtlich genauso wenig im Blick wie die der Unternehmen der Energiewende. Sie macht knallharte Politik für fossile Konzerne. Und spekuliert inzwischen auch über eine Abschaffung der EEG-Förderung für Photovoltaik-Anlagen auf dem Dach. Dafür bekommt sie jetzt auch einen Offenen Brief aus Leipzig.
Darin meldet sich mit Matthias Malok jemand zu Wort, der als anfragender Einwohner die Energiewende auch immer wieder im Stadtrat zum Thema macht, sich dabei durchaus emsige Kämpfe mit diversen Ämtern liefert. Denn auch in der Leipziger Kommunalpolitik kollidieren wichtige Zukunftsthemen, gerade wenn es um Klimaschutz, Energiewende, Artenschutz und Bürgerbeteiligung geht.
Oft sind es nun einmal die Kommunen, wo das ausgefochten wird, was die Bundespolitik versemmelt. Oder aus ganz bestimmten Lobbyinteressen heraus ausbremst und verhindert. Denn während Katherina Reiche gleich mal 40 neue Gaskraftwerke mit Bundesmilliarden fördern will, fehlt eine transparente Strategie zur Umsetzung der Energiewende. Das stellt jetzt auch die Planung für Agro-Photovoltatik-Anlagen infrage. Genau das thematisiert Malok in seinem Brief an die Bundeswirtschaftsministerin.
Offener Brief an Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche
Energiewende braucht Evolution, nicht Revolution – Erfahrungen aus der Praxis
Sehr geehrte Frau Bundesministerin Reiche,
als Projektentwickler und Landwirt (in Gründung) der gerade ein Agro-Photovoltaik-Projekt am Leipziger Lindenauer Hafen umsetzt, verfolge ich Ihre Vorschläge zur Abschaffung der EEG-Förderung für kleine PV-Dachanlagen mit großer Sorge. Nicht, weil ich Reformen scheue, sondern weil Ihre Pläne am falschen Ende ansetzen und die Realität vor Ort verkennen.
Die Diagnose ist richtig, die Therapie falsch
Sie haben recht: Unser Energiesystem braucht dringend eine Modernisierung. Negative Strompreise, Abregelungen und steigende Netzkosten sind real existierende Probleme. Doch die Ursache liegt nicht bei den PV-Anlagen, sondern bei der fehlenden Netzinfrastruktur. Wer Symptome bekämpft statt Ursachen, macht die Energiewende teurer, nicht billiger.
Mein Projekt zeigt das konkret: Auf einer bislang versiegelten Betonfläche entsteht ein vor Extremwetter geschützter „Lebensmittel-Wald-Leipzig-Grünau“ als produktive Agri-PV-Anlage, die Strom erzeugt, Biodiversität fördert und als Bildungs- und Begegnungsort dient. Ohne EEG-Förderung wäre diese Investition unmöglich gewesen – nicht weil das Projekt unwirtschaftlich ist, sondern weil die Planungssicherheit fehlt.
Was wir wirklich brauchen: Einen Stufenplan
Statt die bewährte Förderung abrupt zu beenden, brauchen wir eine koordinierte Reform in drei Phasen:
Phase 1: Infrastruktur schaffen – Flächendeckender Smart-Meter-Rollout, Netzmodernisierung und digitale Kommunikationsstandards. Erst wenn diese Grundlagen stehen, können kleine Anlagen sinnvoll am Markt teilnehmen.
Phase 2: Schrittweise Marktintegration – Pilotprogramme für Direktvermarktung kleiner Anlagen, vereinfachte Prozesse und faire Marktregeln. Parallel dazu müssen Speicher- und Flexibilitätsoptionen gefördert werden.
Phase 3: Vollständige Direktvermarktung – Wenn die Infrastruktur steht und die Prozesse funktionieren, kann die klassische Einspeisevergütung auslaufen.
Nicht nur Technik, sondern auch Gemeinschaft
Ihre Pläne übersehen eine zentrale Dimension: Private PV-Anlagen sind oft der niedrigschwellige Einstieg in die Energiewende. Sie motivieren Menschen, sich mit Elektromobilität und Wärmepumpen zu beschäftigen. Sie schaffen lokale Wertschöpfung und Bürgerbeteiligung. Ein abruptes Förder-Ende würde diese gesellschaftliche Dynamik abwürgen.
In Leipzig sehen wir das täglich: Projekte wie unseres verbinden Klimaschutz mit sozialen und ökologischen Zielen. Sie machen Energiewende erlebbar und schaffen Akzeptanz. Das ist unbezahlbar – und mit reinen Marktmechanismen nicht zu erreichen.
Mein Vorschlag: Reden wir miteinander
Frau Ministerin, lassen Sie uns nicht gegeneinander arbeiten, sondern miteinander. Die Branche ist gesprächsbereit und voller innovativer Ideen. Nutzen Sie diese Expertise, statt sie durch Unsicherheit zu lähmen.
Parallel entwickeln wir bereits alternative Ansätze: Eine länderübergreifende Arbeitsgruppe erarbeitet die Anerkennung ökologischer Agri-PV als Ausgleichsmaßnahme, und konkrete Pilotprojekte wie unser FLORALAT-System zeigen, wie Windschutz, Photovoltaik und intensive Bio-Landwirtschaft integriert werden können (…).
Gerne lade ich Sie ein, unser Agri-PV-Projekt zu besuchen. Dann können Sie sich selbst ein Bild davon machen, was Energiewende vor Ort bedeutet – und warum sie mehr braucht als nur Marktmechanismen.
Die Energiewende ist zu wichtig für ideologische Grabenkämpfe. Lassen Sie uns gemeinsam einen Weg finden, der Klimaschutz, Wirtschaftlichkeit und sozialen Zusammenhalt verbindet.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Malok
Projektentwickler Agri-PV Lindenauer Hafen, Leipzig