Nach dem Einsatz der Nationalgarde in Washington DC hat US-Präsident Donald Trump ankündigt, dass die Truppen auch noch in weitere Städte entsendet werden könnten. Als weitere mögliche Ziele wurden von Trump die Städte New York City, Chicago und Baltimore genannt.

Noch ist jedoch nicht klar, ob Trump sein Vorgehen in Washington auch in anderen Bundesstaaten wiederholen kann. Ein Gerichtsverfahren in Kalifornien, wohin er im Juni Nationalgardisten und Marinesoldaten entsandte, könnte seinen Handlungsspielraum einschränken.

Seine Entscheidung, die Nationalgarde in die Hauptstadt zu entsenden, diene der Verbrechensbekämpfung, sagte Trump. Er sprach von einem „Tag der Befreiung“; es gelte, die Stadt von „Verbrechen, Blutvergießen, Chaos und Elend“ zu bewahren.

Die Polizeikräfte der Stadt unterstehen nun der Aufsicht von Justizministerin Pam Bondi. Der Chef der US-Drogenbekämpfungsbehörde DEA, Terry Cole, wurde von ihr zum „Notfall-Polizeipräsidenten“ ernannt.

Offizielle Statistikenwiderlegen jedoch die Behauptung Trumps. Sie weisen stattdessen in den vergangenen zwei Jahren einen Rückgang der Gewaltverbrechen in der US-Hauptstadt nach. Kritiker weisen zudem darauf hin, dass es keinen Notstand gebe, der eine Präsenz des Militärs in der Hauptstadt erfordere.

Demonstrant einem Protestschild vor dem Weißen Haus„Hände weg von D.C.!“ – nach der Ankündigung Trumps, die Nationalgarde in der Hauptstadt einzusetzen, protestierten Bürger vor dem Weißen HausBild: Ken Cedeno/REUTERS

„Die Zahlen rechtfertigen eine solche Maßnahme einfach nicht“, sagt Muriel Browser, die Bürgermeisterin von Washington. Wenn die Kriminalitätsrate also sinkt, warum dann dieser Eingriff?

„Vertreter der Stadt haben keine Unterstützung [beim Präsidenten] angefordert, die Entscheidung erscheint also bestenfalls fragwürdig“, sagt Laura Dickinson, Professorin der Rechtswissenschaften an der George Washington University in der Hauptstadt. 

„Das ist ein echtes Problem und widerspricht unseren Traditionen in den Vereinigten Staaten, denn wir sind immer sehr zurückhaltend, wenn es darum geht, das Militär bei der Strafverfolgung einzusetzen“, fügt sie hinzu.

Intervention als politisches Ablenkungsmanöver?

Die Hauptstadt, die in den USA meist als „Washington, D.C.“ firmiert (das D.C. steht für District of Columbia), gehört keinem der Bundesstaaten an und untersteht weitgehend der Bundesregierung.

Der 1973 vom US-Kongress verabschiedete „Home Rule Act“ gibt dem Präsidenten die Möglichkeit, in Notfällen auch ohne Zustimmung des Kongresses für 30 Tage die Polizei der Hauptstadt seiner Aufsicht zu unterstellen. Da es sich um einen Bundesdistrikt handelt, hat der Präsident auch Befehlsgewalt über die Nationalgarde der Stadt.

Einige Beobachter in den USA sind der Meinung, dass es sich um einen Versuch handeln könnte, von der anhaltenden Kontroverse um die Epstein-Files abzulenken. Auch die Veröffentlichung ansteigender Arbeitslosenzahlen könnte ein Motiv sein. Die Zustimmungswerte für Trump sind in den vergangenen Monaten gesunken, auch bei für ihn zentralen Bereichen wie der Einwanderungspolitik.

Der „Congressional Black Caucus“, eine Vereinigung afroamerikanischer Mitglieder des Kongresses, dem gegenwärtig keine republikanischen Mitglieder angehören, weist darauf hin, dass die von Trump genannten Städte alle eines gemeinsam haben: einen schwarzen Bürgermeister oder eine schwarze Bürgermeisterin. Entsprechend bezeichnete die Vereinigung das Vorgehen als „offenkundig rassistische und verabscheuungswürdige Machtanmaßung“.

Können sich Bundesstaaten und Städte wehren?

Außerhalb der Hauptstadt hat der Präsident weniger Befugnisse. Innerhalb der Grenzen der 50 Bundesstaaten untersteht die Nationalgarde den jeweiligen Gouverneuren.

Dieser wichtige Unterschied würde es Trump schwer machen, seine Drohung umzusetzen und auch in anderen Städten einzugreifen, sagt William Banks, Professor für Rechtswissenschaften an der Syracuse University in Syracuse, New York.

„Ich halte es für unklug, zu verallgemeinern und dieses Beispiel auf andere Orte in den Vereinigten Staaten anzuwenden“, sagt er zur DW. „Er kann nicht nach Chicago, Philadelphia, New York City oder Los Angeles und dort dasselbe tun. Dafür hat er schlicht nicht die Befugnis.“

Was ist mit der Nationalgarde in Los Angeles?

Doch warum konnte Trump dann im Juni die Nationalgarde und Marinesoldaten nach Los Angeles entsenden? Banks erläutert, dass es Bestimmungen für begrenzte Maßnahmen zum Schutz von Bundesvermögen und -personal gäbe, Trump habe sich damals aber „auf sehr dünnem Eis“ bewegt.

„Nach seiner Argumentation war der Einsatz notwendig, um sicherzustellen, dass die Protestierenden kein staatliches Eigentum zerstören oder ICE-Mitarbeiter und andere Einwanderungsbeamte, die vor Ort ihre Arbeit verrichten, verletzen.

Angehörige des Militärs können zwar staatliches Eigentum schützen, aber nach dem „Posse Comitatus“-Gesetz von 1878 dürfen sie nicht für Polizeiaufgaben im Land eingesetzt werden.

In Kalifornien wurde kürzlich ein Gerichtsverfahren abgeschlossen, das feststellen sollte, ob der Einsatz der Nationalgarde gegen dieses Gesetz verstieß und möglicherweise verfassungswidrig war. Das Urteil steht noch aus.

Obwohl das Urteil nur für Kalifornien gälte, gäbe es einen Hinweis darauf, wie künftige Rechtsstreitigkeiten entschieden würden, sollte der Präsident in anderen Staaten ähnlich vorgehen. „Natürlich hat die Entscheidung des Gerichts große Relevanz“, sagt Dickinson zur DW.

Für die Streitkräfte der Vereinigten Staaten geht es jedoch um mehr, ist Dickinson überzeugt. Sollten sie eingesetzt werden, um durch US-amerikanische Städte zu patrouillieren, hätte dies Auswirkungen darauf, wie diese Institutionen in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden.

„Ihre Glaubwürdigkeit und der Respekt, den die Amerikaner für das Militär und die Nationalgarde fühlen, könnte Schaden nehmen“, meint Dickinson. „Es handelt sich um einige der wenigen Institutionen in den Vereinigten Staaten, die breite Unterstützung über die Parteigrenzen hinweg genießen.“

Wie geht es weiter?

Wenn der von den Republikanern dominierte Kongress keiner Verlängerung zustimmt, endet die Bundesaufsicht über die Polizeikräfte in der US-Hauptstadt in 30 Tagen. Die Nationalgarde kann jedoch unbefristet im Einsatz bleiben.

Trotz der Warnungen der Gegner Trumps, die sein Vorgehen als autoritäre Machtdemonstration bezeichnen, geht Banks von einer Rückkehr zum Status Quo aus, insbesondere in Bezug auf Trumps Drohungen gegenüber anderen Bundesstaaten.

Die Gründungsgeschichte der Vereinigten Staaten mit ihrer Vertreibung des britischen Militärs und die Rechtsnorm der Strafverfolgung durch zivile Polizeikräfte sind seiner Überzeugung nach entscheidend für das, was die Amerikaner und Amerikanerinnen bereit seien, in ihren Gemeinden zu akzeptieren.

„Unsere Situation ist insofern einigermaßen einmalig, weil wir in den USA nicht davon ausgehen, dass sich das Militär an der Durchsetzung von Gesetzen beteiligt“, sagt Banks.

„Wir wollen auf unseren Straßen keine militärischen Uniformen sehen. Wir wollen nicht, dass Männer und Frauen mit Waffen unsere Straßen patrouillieren, all das geht uns gegen den Strich.“

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.