Bayrische Ausgelassenheit ist weltweit ebenso bekannt wie ihre Begeisterung für Bier in grossen Krügen. Wie spannend und nachhaltig einige der besten Gastronomen zwischen Bodensee und Franken arbeiten, spricht sich dagegen erst allmählich herum.
Man muss nicht das Oktoberfest besuchen, um in München auf angenehme Weise satt zu werden. Auch ein Abstecher auf den Viktualienmarkt, der schon einmal unglaublich voll werden kann, ist nicht zwingend notwendig, wenngleich dringend angeraten. Die Restaurants der bayrischen Hauptstadt haben sich in den letzten Jahren ein erhebliches Stück in Richtung Nachhaltigkeit entwickelt, und auf den bayrischen Dörfern ist die Gasthauskultur immer noch lebendig – allen wirtschaftlichen Problemen der Gastronomie zum Trotz.
Wie gut man im Bundesland Bayern auch ohne rote Michelin-Sterne essen kann, wird im Chiemgau ebenso deutlich wie im Umkreis von München oder in Franken. Selbstgeschossenes Wild, biologisch angebautes Gemüse, Bier kleiner Brauereien oder Weine aus der Umgebung von Würzburg: Der Trip lohnt sich – auch abseits der berühmten Münchner Gourmetrestaurants wie «Jan Hartwig» oder «Tantris».
«Gut Steinbach»: Heimatgefühle
Dem ambitionierten Hotel, Mitglied der Relais-&-Châteaux-Gruppe, sieht man nicht sofort an, wie nachhaltig die Küche arbeitet. Man muss schon selbst hinfahren in den Chiemgau, besser gesagt nach Reit im Winkl, und die hausgemachte Wildbratwurst essen, mit Blaukraut und Senf verfeinert. Ein exzellenter Einstieg in die Gastronomie des Hauses, die schon nur dem Namen des Restaurants nach («Heimat»!) auf Authentizität setzt.
Von Klassikern bis zu raffinierten Gerichten lässt die Speisekarte keine Wünsche offen.
PD
Idyllisch ist das «Gut Steinbach» direkt am See gelegen.
PD
Die Inhaber haben sich dagegen entschieden, höchste Gourmetweihen anzustreben, sie laden lieber ein paar Mal im Jahr Gastköche ein oder setzen auf Fleisch der eigenen Yak-Zucht. Den Kaiserschmarrn habe ich zwar verpasst, aber die als Zwischengang gereichte Kreation mit Tiroler Garnelen (statt solcher aus dem Meer) hat mir sehr gut gefallen, das mit Schokolade und Sauerrahm zubereitete Dessert fand ich wunderbar balanciert. Weil der Gutsbesitzer Graf von Moltke selbst auf die Jagd geht, herrscht kein Mangel an Nachschub von Reh oder Hirsch.
Neben dem Stammhaus und dem Steinbacher Hof kann auch in einem der Chalets übernachtet werden.
Tobias Hertle
«Gasthof Heinzinger»: Kleinknechts Dampfnudeln
Man muss sich einlassen auf diesen Gasthof, der inmitten der bayrischen Landschaft eine Nische gefunden hat. Maisach ist zwar nicht gerade das Zentrum der Welt, doch der Wirt Denis Michael Kleinknecht hat Gäste gewonnen, die extra aus Fürstenfeldbruck, aus München, sogar aus der Schweiz anreisen.
Das Wiener Schnitzel mit der hauseigenen Kartoffelsalat-Kreation.
Wolfgang Fassbender
Gäste reisen sogar aus der Schweiz an, um hier zu speisen.
Wolfgang Fassbender
Das Gourmetmenu oder die Steaks vom Greater Omaha American Heritage Angus wären bereits einen Besuch wert, doch die aufgepeppten Traditionsgerichte gefallen mir fast noch besser. Das Wiener Schnitzel, die Krautwickerl mit heimischem Reh, Steinpilzen aus den Wäldern, hausgemachten Gnocchi, die nur am Donnerstag servierten Dampfnudeln mit Mehl, Milch und Eiern von hier: Man weiss gar nicht genau, was man zuerst bestellen soll.
«Klinglwirt»: bayrisch und bio
Viele bayrische Gasthöfe verwenden biologisch angebaute Produkte, doch eine derartige Konsequenz ist selten. Der «Klinglwirt» in München-Haidhausen setzt zum Grossteil auf das, was auf besonders akribisch kontrollierte Weise in der hiesigen Landwirtschaft erzeugt wird.
Was bedeutet, dass es zum Bioschweinsbraten auch einen Biosemmelknödel gibt, dass auf dem Brotzeitbrettl Bioschinken und -käse liegen und auch der hausgemachte Apfelstrudel mit Vanillesauce nach streng kontrollierten Prinzipien gebacken wird. Wer neugierig geworden ist, fragt die Chefin Sonja Obermeier nach der langen, über viele Generationen zurückreichenden Geschichte des Hauses.
«Gasthof zum Vaas»: Wein und Nockerl
Die Busse nach Forstinning fahren bisweilen nur in erheblichen Abständen, was bedeutet, dass man sich frühzeitig Gedanken um die An- und Abreise machen sollte. Erst recht angesichts der Tatsache, dass der Gasthof eine der besten Weinkarten Bayerns aufweist. Nachhaltig ist hier vor allem die Auswahl, denn gelistet werden nur Weine herausragender, qualitätsbewusst arbeitender Erzeuger. Champagner oder Grand-Cru-Chardonnay aus der Bourgogne zu Forelle aus der Wagmühle und Kalbsrahmgulasch zu bestellen, wäre eine gute Idee.
Die Weinkarte ist der heimliche Star, doch auch das Essen steht ihr in nichts nach.
Wolfgang Fassbender
Typisch bayrisch: Der Biergarten.
Wolfgang Fassbender
Ich bin dann aber bei Riesling geblieben – ein 2016er Grosses Gewächs aus dem Pfälzer Weingut Christmann – und habe erstens das Spinatnockerl mit brauner Butter und zweitens den Tafelspitz verzehrt. Fazit: Die Geschwister Veronika und Johannes Bauer haben den Traditionsbetrieb mit einem modernen Konzept in die Zukunft geführt.
«Gasthof Blumenthal»: Familiensache
Sehr viel heimatverbundener kann man eigentlich nicht sein als in Spalt. Seit der Eröffnung des fränkischen Gasthauses im Jahre 1873 setzt man hier auf Produkte der Umgebung. Dass derlei Prinzipien über die Jahre hinweg beibehalten und sogar ausgebaut wurden, ist übrigens alles andere als selbstverständlich und hat auch mit dem Küchenchef Alexander Hausmann zu tun.
Der ist sich nicht zu schade, hausgemachten Kartoffelsalat zum Schnitzel zu reichen, dessen Fleisch natürlich bei heimischen Metzgereien eingekauft wird. Forellen aus der eigenen Zucht und Eis vom nahe gelegenen Bauernhof gehören sowieso zum Angebot. Undenkbar wäre der Gasthof zudem ohne das Bier aus Spalt, also Pils oder Zwickel aus der letzten kommunalen Brauerei Bayerns.
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