Das Besondere an diesem Ort ist jedoch, dass sich hier auch all jene wohl fühlen, die in Stuttgart vom Durchschnitt eher abweichen. Der größte See der Stadt bietet genug Raum für Nischenbildung und über die Jahre scheinen alle Gruppen ihren Platz gefunden zu haben.
Amerika in Stuttgart
„Wir kommen oft hierher, wegen der tollen Aussicht und dem leckeren Essen“, erklärt eine Gruppe junger Frauen, die mit ihren Kindern in einem der Biergärten am See sitzen. Sie sind Amerikanerinnen, ihre Kinder besuchen eine amerikanische Schule in Stuttgart. Wegen des unterschiedlichen Rhythmus gehen für sie gerade die Sommerferien zu Ende. Da heißt es noch ein letztes Mal raus, Sonne tanken und gemeinsam Zeit verbringen. Auf dem Tisch vor ihnen stehen Milkshakes und Pommes, die Stimmung ist hervorragend, gesprochen wird hauptsächlich Englisch. Wer hier vorbeikommt, könnte sich auch an einem See irgendwo in den USA wähnen.
Ein paar Hundert Meter weiter südlich ist die Welt schon wieder eine ganz andere. Am Grillplatz haben sich große Gruppen versammelt, die mit Decken und Campingstühlen ausgerüstet antreten, um ihren Sonntag auf den großzügigen Wiesen grillend am Rande des Sees zu verbringen. Was sie vereint: Sie alle haben genug Essen dabei, um damit mehrere Großfamilien wochenlang ernähren zu können.
Gottesdienst am See
Elisabeth und Milka gehören zu solch einer Gruppe. Die zwei jungen Frauen sind Mitglieder einer äthiopischen evangelischen Kirche, die hier sonntags ihren Gottesdienst abhält. Danach wird zusammen gegessen. Bunte Salate, Fladenbrot und gegrilltes Gemüse stapeln sich in Tupperboxen. „Wir grillen hier aber nicht mehr, wegen dem Rauch“, sagt Elisabeth und spricht damit einen der Konfliktpunkte des Max-Eyth-Sees an. Denn trotz inzwischen eingeführter Grillzone mit besonderen Zeiten weht ordentlich Rauch durch die Luft, selbst an einem weniger gut besuchten Tag.
Der Rauch und der Müll, den die Menschenmengen oft hinterlassen, sind aber nicht die einzigen Problempunkte des Sees. Denn auch wenn es die Wasseroberfläche momentan nicht vermuten ließe, bilden sich darunter schon wieder viele Wasserpflanzen, die Horst Bauer das Geschäft verhageln. Ihm gehört die Bootsvermietung am See, in direkter Nachbarschaft zum Natur- und Vogelschutzgebiet. Zeitweise musste er seinen Verleih komplett schließen, da das Wasser wegen der Pflanzen kaum befahrbar war. Nun hat er wieder geöffnet. Doch Elektroboote können momentan schon nicht mehr ausgeliehen werden. Dafür haben sich die Pflanzen zu sehr ausgebreitet. Wer bereit ist, Muskelkraft aufzuwenden, kann aber zumindest noch ein Tret- oder Ruderboot mieten.
Das altbekannte Algenproblem
Auf die Frage, welche wirtschaftlichen Auswirkungen die derzeitige Situation für ihn hat, antwortet er: „Die Stadt bekommt weniger Steuereinnahmen“, und lacht, ein wenig Verbitterung in der Stimme. „Ich mache das jetzt seit 26 Jahren“, sagt er und markiert mit Kreide an einer Tafel, welche Boote gerade vermietet sind. Schaut man in sein vom Wetter gegerbtes Gesicht, ist das leicht zu glauben.
Das Tiefbauamt, das für den See verantwortlich ist, hat für Ende August eine weitere Mahd angekündigt. Dort scheint man sowieso eine etwas andere Sicht auf das Thema zu haben, denn auf Anfrage unserer Zeitung heißt es: „Wir bewerten die Entwicklung der Wasserpflanzen grundsätzlich als positiv.“ Je mehr Wasserpflanzen es gebe, desto weniger Mikroalgen. Auch die Sauerstoffwerte des Sees würden so stabiler, was einem „Kippen“ des Sees vorbeuge.
Solange die Algen unter der Wasseroberfläche bleiben, bietet der in der Sonne schimmernde See einen tollen Anblick. Christine, 38, ist mit ihrem Partner auf einer Radtour unterwegs, als sie anhalten, um genau diesen Ausblick auf den See zu genießen. Sie selbst komme nur selten zum Max-Eyth-See, da man hier ja nicht baden dürfe, so die 38-Jährige. Sie fahre dafür meist eher in Richtung Karlsruhe. „Aber was ich hier total toll finde, ist die Multikulturalität“, betont sie und bringt damit auf den Punkt, was den Max-Eyth-See ausmacht: Es ist ein Ort für alle Stuttgarter, ob Durchschnitt oder nicht.