Der Verein Kino Datsche feiert zehn Jahre Kinokabarett in Leipzig. Wie jedes Jahr entstehen im August an wenigen Tagen Kurzfilme im Kollektiv. Die Ergebnisse der ersten Runde gibt es am 23. August im HP7 mit Live-Vertonung. Die zweite Ladung Kurze kommt am 27. August im Luru-Open-Air zur Aufführung. Daneben soll natürlich auch gefeiert werden, trotz klammer Kassen – mehr im Interview im August-kreuzer.
»10 Jahre Kino Datsche«: 23.8., 19 Uhr (Einlass), 20:30 Uhr (Filmstart), HP7 Innenhof (Hans-Poeche Straße 7), 27.8., 20 Uhr, Open-Air-Kino in der Spinnerei
Film der Woche: Lautsprecherboxen türmen sich zur Sonne. Eine Meute Tanzwütiger, umgeben von staubbraunen Felsen. Stecker, Kabel, ein Laptop – der Bass wummert und lässt den Kinosaal erbeben. Bis zum Abspann wird das Beben anhalten, auch wenn die Musik längst verhallt ist. Der Eindruck, den »Sirât« hinterlässt, pulsiert im Körper weiter. Inmitten der Raver, einer Gemeinschaft aus Freaks, für die das Streben nach Bass Zuflucht und Geborgenheit bedeutet, sucht Luis gemeinsam mit seinem kleinen Sohn nach seiner Tochter. Die ist vor einem halben Jahr verschwunden. Er vermutet sie auf einem der Raves in der Wüste Marokkos. So wandern Luis und Esteban durch die Tanzenden und Erschöpften und verteilen Flyer – vergeblich. Als das Militär die Party räumt, wird klar, dass jenseits der Wüste ein Krieg ausgebrochen ist. Luis und sein Sohn schließen sich einer Gruppe Raver auf dem Weg zur nächsten Party an. Auf der Reise durch die Wüste finden sie neue Freunde. Doch in unsicheren Zeiten wie diesen kann jederzeit der Boden unter den Füßen wegbrechen. Es ist große Kunst, wie der französische Regisseur und Autor Oliver Laxe (»Mimosas«) den Zuschauer einnimmt und vor den Abgrund stellt. Der Eindruck ist verstörend und auf vielen Ebenen brandaktuell. Die eindrucksvollen Landschaftspanoramen von Mauri Herce und die hypnotische Musik des Raster-Noton-Künstlers Kangding Ray tragen zur Sogwirkung bei. »Sirât«, der mit dem Jurypreis in Cannes ausgezeichnet wurde, ist ein erschütterndes, menschliches Drama vor dem Hintergrund einer nahenden Katastrophe.
»Sirât«: ab 14.8., Kinobar Prager Frühling, Passage-Kinos, ab 19.9. Cinémathèque
Mit »Talk to me« haben die Zwillingsbrüder Danny und Michael Philippou ein bemerkenswert frisches Horrordebüt vorgelegt. Mit »Bring her back« bleiben sie dem Genre treu, mischen aber die Elemente neu. Ähnlich wie bei Ari Asters »Hereditary« ziehen die Figuren das Böse durch ihre Trauer an. Als der 17-jährige Andy (Billy Barratt) und seine sehbehinderte jüngere Schwester Piper (Sora Wong) ihren Vater regungslos auf dem Boden der Dusche finden, bleibt ihnen wenig Zeit, den Verlust zu verarbeiten. Bis Andy volljährig ist und die Vormundschaft über seine Schwester übernehmen kann, sind es noch drei Monate. Piper soll solange zu Laura (Sally Hawkins) und Andy kann an ihrer Seite bleiben, sofern er sich benimmt. Die alleinstehende Frau wirkt zunächst überaus herzlich. Auch sie hat einen Verlust zu verarbeiten: Ihre blinde Tochter ertrank im Pool und war in etwa im Alter von Piper.
Es braucht nicht lange, bis man als genrekundiger Zuschauer die Elemente zusammenzählt und weiß, wohin die Brüder Philippou zielen. Alles an »Bring her back« ist vordergründig – selbst der Titel. Trotzdem ist der Horror spannend inszeniert und einzelne Überraschungen bleiben, so etwa, welche Rolle der stumme Ziehsohn Oliver bei alledem spielt. Sehenswert ist der Film aber vor allem wegen Sally Hawkins (»Shape of Water«). Ihre schwer durchschaubare und trotzdem immer nachvollziehbare Darbietung verleiht Laura Menschlichkeit. So ist »Bring her back« unter all den drastischen Schockeffekten, Jump Scares und anderen Horrorkonventionen eine berührende Studie über Verlust.
»Bring her back«: ab 14.8., Cineplex, Regina-Palast
Herr K. (Chrispin Glover) ist Illusionist. Mit Magie bringt er Dinge zum Schweben und Verschwinden. Doch seine Kunst ist nicht mehr gefragt. Auf seiner Reise landet er in einem Hotel, das wie er bessere Zeiten gesehen hat. Die Empfangsdame ist seltsam, die Nacht unruhig. Als er am nächsten Tag aufbricht, muss er bald feststellen, dass ihn das Hotel nicht gehen lässt. Jede Abzweigung wird zur Sackgasse, durch die Gänge rumpelt ein Spielmannszug und die beiden älteren Ladies, die eines der Appartements bewohnen, haben das Haus auch noch nie verlassen. Schließlich landet Herr K. in der Küche und versucht dort eine Revolution anzuzetteln, um endlich einen Weg aus dem Albtraum zu finden. Die norwegische Regisseurin Tallulah Hazekamp Schwab zieht den Zuschauer immer tiefer hinein in ihren Kaninchenbau. Das absurde Szenario erinnert an Terry Gilliams »Brazil« oder die Filme von Jean-Pierre Jeunet und Marc Caro, der Name des Protagonisten bewusst an Franz Kafka. Dessen Geist weht durch die Gänge und wenn das überbordende Konstrukt am Ende auch nicht ganz aufgehen mag, ist es doch ein surreales Vergnügen.
»Willkommen um zu bleiben«: ab 14.8., Passage-Kinos, Schauburg
Weitere Filmtermine der Woche
Supermarkt
D 1974, R: Roland Klick, D: Charly Wierzejewski, Eva Mattes, Michael Degen, 84 min
Roland Klicks Kult-Krimi um einen ausgeflippten Teenager und einem in der Krise befindlichen Journalisten, die beide mit dem Versuch, ihre Verhältnisse zu ändern, Schiffbruch erleiden.
Cineding, 14.08. 19:30 (Reihe Grenzgänger)
The Florida Project
USA 2017, R: Sean Baker, D: Brooklynn Prince, Bria Vinaite, Willem Dafoe, 111 min
(Über)leben in einem sozialen Wohnkomplex am Rande der Traumfabrik. Konsequent aus der Kinderperspektive erzähltes Drama mit viel Menschlichkeit und hinreißenden Hauptdarstellern.
Sommerkino vor der Plagwitzer Markthalle, 14.08. 21:15 (OmU)
In Liebe, Eure Hilde
D 2024, R: Andreas Dresen, D: Liv Lisa Fries, Johannes Hegemann, Lisa Wagner, 124 min
Am 12. September 1942 wurde die hochschwangere Hilde Coppi verhaftet und schließlich hingerichtet. Konzentriert und berührend erzählt Andreas Dresen vom Widerstand des Ehepaars Coppi gegen die Nazi-Diktatur.
Schönauer Park, 14.08. 20:15 (Eintritt frei, mit einführenden Worten durch den VVN-BDA,Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes)
Augenblicke: Gesichter einer Reise
F 2016, Dok, R: Agnès Varda, 93 min
Die 89-jährige Regie-Ikone Agnès Varda und der 33-jährige Streetart-Künstler JR machen sich mit ihrem einzigartigen Fotomobil auf, um Frankreichs Menschen und ihre Geschichten zu entdecken und zu verewigen: in überlebensgroßen Porträts an Fassaden, Zügen und Schiffscontainern.
Passage-Kinos, 19.08. 17:00 (Special zum Tag der Fotografie)
Hollywoodgate
D/USA 2024, Dok, R: Ibrahim Nash’at, 91 min
Doku über die Machtübernahme der Taliban nach dem Abzug der USA aus Afghanistan.
Luru-Kino in der Spinnerei, 17.08. 19:00 (OmU); 20.08. 19:00 (OmU)
Eine Million Sandkörnchen
I 2024, Dok, R: Andrea Deaglio, 64 min
Der Dokumentarfilm stellt die Erlebnisse traumatisierter Geflüchteter aus Krisengebieten den Erinnerungen vom Krieg vor 80 Jahren gegenüber.
Passage-Kinos, 17.08. 13:00 (EinBLICK)
Lesbian Space Princess
AUS 2025, R: Emma Hough Hobbs, Leela Varghese, 86 min
Wilder Animationsfilm, in dem eine Prinzessin von einem fernen Planeten loszieht, um ihre Geliebte aus den Fängen böser Aliens zu retten.
Sommerkino auf der Feinkost, 15.08. 21:00 (OmU) (Preview)
In die Sonne schauen
D 2025, R: Mascha Schilinski, D: Hanna Heckt, Lena Urzendowsky, Laeni Geiseler, 159 min
Drei Frauenschicksale in drei verschiedenen Zeiten verwebt Mascha Schilinski in ihrem Film auf kunstvolle und atmosphärische Weise und erhielt dafür den Preis der Jury in Cannes.
Sommerkino auf der Feinkost, 20.08. 21:00 (Preview)
Monk in Pieces
USA/D/F 2025, Dok, R: Bills Shebar, David Roberts, 93 min
Dokumentarisches Porträt der US-Performerin, Sängerin und Tänzerin Meredith Monk.
Passage-Kinos, 21.08. 18:00 (Musikkiste)
Pauline am Strand
F 1983, R: Eric Rohmer, D: Pascal Greggory, Feodor Atkine, Arielle Dombasle, 94 min
Die 15-jährige Pauline verbringt ihre Ferien bei ihrer attraktiven Cousine Marion an der Atlantikküste. In kurzer Zeit kommen die beiden mit verschiedenen Männern in Kontakt. Eric Rohmers dritter Teil des Filmzyklus »Komödien und Sprichwörter«.
Passage-Kinos, 20.08. 20:30 (OmU, Sommer in der Passage)
The Game
USA 1997, R: David Fincher
Ein gut situierter Geschäftsmann erhält zum Geburtstag ein Geschenk von seinem Bruder, einen Gutschein für ein Spiel ohne Regeln, aber mit hohem Einsatz. Hervorragend besetzter und dichter Thriller, der einmal mehr zeigt, das Kontrolle nicht alles ist.
Moritzbastei, 21.08. 20:00 (Moritzkino)
War 2
IND 2025, R: Ayan Mukerji, D: Hrithik Roshan, N. T. Rama Rao Jr., Kiara Advani, 173 min
Fortsetzung des indischen Actionfilms von 2019.
Cineplex, 15.08. 22:15 (OmeU)16.08. 11:15 (OmeU)
Was ist Liebe wert − Materialists
USA 2025, R: Celine Song, D: Dakota Johnson, Pedro Pascal, Chris Evans, 119 min
Unterhaltsame Dreiecksgeschichte von Celine Song (»Past Lives«), die ehrlich und pointiert mit den Klischees der RomCom abrechnet.
Regina-Palast, 20.08. 19:30 (Ladies Preview)
Cineplex 20.08. 20:00 (Emotions Preview)
Zeit für Liebe
F/B 2023, R: Katell Quillévére, D: Anaïs Demoustier, Vincent Lacoste, Morgan Baile, 125 min
Im Jahr 1947 arbeitet die alleinerziehende Madeleine in einem Hotel an der bretonischen Küste. Hier hat sie einen Neuanfang gewagt, denn ihr Sohn entstammt, was hier niemand weiß, der Beziehung mit einem deutschen Offizier im Zweiten Weltkrieg. Als sie den Studenten François trifft, scheint sie ihrer großen Liebe begegnet zu sein, doch auch François hütet ein Geheimnis.
Sommerkino vor der Plagwitzer Markthalle, 19.08. 21:00 (OmeU, Soirée cinéma)
Zwei zu eins
D 2024, R: Natja Brunckhorst, D: Sandra Hüller, Max Riemelt, Ronald Zehrfeld, 116 min
Die Kindheitsfreunde Maren, Robert und Volker verbringen im Jahr 1990 einen gemeinsamen Sommer wie sonst auch. Doch dann stolpern sie durch einen Zufall über ein Versteck von Staatsmillionen der DDR. Komödie, die auf wahren Begebenheiten beruht.
Völkerschlachtdenkmal, 20.08. 21:00 (Pop-up-Treppenkino); 21.08. 21:00 (Pop-up-Treppenkino)