Außenseiter Rory Townsend hat sensationell die 28. Ausgabe der Cyclassics in Hamburg gewonnen. Der Ire vom zweitklassigen Q36.5 Pro Cycling Team setzte sich auf der Mönckebergstraße in einem spannenden Finish des Radrennens in der Hansestadt hauchdünn durch.
Im Ziel konnte Townsend es selbst nicht fassen. Noch beim Überqueren der Ziellinie fasste er sich an den Helm. Und auch danach schüttelte er immer wieder ungläubig den Kopf. Der Ire – Meister seines Landes – feierte in Hamburg den größten Triumph seiner Karriere.
„Nein, ich muss ganz klar ‚Nein‘ sagen“, antwortete der Überraschungsgewinner beim Siegerinterview auf die Frage, ob er an seinen Erfolg geglaubt habe: „Es ist unglaublich!“
Extrem spannendes Finish
Townsend war zuvor in einer lange Zeit vierköpfigen Gruppe schon rund 175 Kilometer an der Spitze unterwegs gewesen. In dem Moment, als die Ausreißer drohten, wenige hundert Meter vor dem Ziel von einer etwa 35 Fahrer umfassenden Gruppe eingeholt zu werden, fasste sich der 30-Jährige noch einmal ein Herz: Er setzte sich von seinen Mitstreitern ab, rettete seinen Vorsprung mit einem furiosen Sprint hauchdünn vor den heranrauschenden Top-Fahrern ins Ziel und krönte so seine beeindruckende Flucht. Zweiter wurde der Belgier Arnaud De Lie, Dritter der Franzose Paul Magnier.
Die Überfahrt der Ziellinie war der Höhepunkt eines extrem spannenden Finishes der Cyclassics in der Hamburger Innenstadt. Zumal Townsend – geboren und und aufgewachsen in Großbritannien und erst seit 2018 irischer Staatsbürger – mit seinem Sensationssieg einges an Radsport-Prominenz düpierte. Biniam Girmay aus Eritrea (8.) ging ebenso leer aus wie Wout van Aert (Belgien, 10.) oder Sprintstar Jasper Philipsen (Belgien, 4.).
Rory Townsend (Mitte) feierte seinen Außenseitersieg in Hamburg.
Köhlbrandbrücke und fünf Mal Waseberg
Das Profirennen war um 12 Uhr in Buxtehude gestartet – und damit zum ersten Mal in Niedersachsen. Die 160 Profi-Fahrer des World-Tour-Rennens – Vorjahressieger Olav Kooij (Niederlande) musste kurzfristig absagen – hatten mit 207 Kilometern die längste Strecke zu bewältigen, die es laut den Organisatoren bislang bei den Cyclassics gab. Mit dabei war nach längerer Abstinenz auch wieder die Köhlbrandbrücke – zudem die fünfmalige Überquerung des berüchtigten Wasebergs mit seinem giftigen Anstieg.
Am letzten der fünf Anstiege war das Hauptfeld nach mehreren Attacken gesprengt worden. Allerdings kam die Einigkeit, Townsend und Co. einzuholen, zu spät.
Kein Deutscher unter den besten Zehn
Während Townsend vom zweitklassigen Team Q36.5 Pro Cycling Team – seine Mannschaft ist nicht regelmäßig bei den World-Tour-Rennen dabei – über seinen unverhofften Erfolg jubelte, geht das Warten auf einen deutschen Sieg in der Hansestadt weiter. Vor zehn Jahren hatte André Greipel bei den Cyclassics triumphiert.
Am Sonntag landete kein deutscher Fahrer unter den besten Zehn. Allerdings stürzte Sprinter Phil Bauhaus knapp 50 Kilometer vor dem Ziel, er konnte aber weiterfahren.
Anreise-Frust für Dutzende Jedermann-Fahrer
Ärger hatte es bereits am frühen Sonntagmorgen für Dutzende Jedermann-Starter gegeben. Nach Informationen des NDR kamen insbesondere auf der Metronom-Strecke Bremen-Hamburg einige Teilnehmer mit ihren Rädern nicht in die Züge. Das offenbar, weil kein Mehrzweckwagen mitgeführt worden war.
Bei mindestens einem Zug sollen gar keine Fahrräder mitgenommen worden sein sollen – und bereits eingestiegene Radfahrer wieder hinausbefördert worden sein. Eine entsprechende Anfrage des NDR an die Metronom Eisenbahngesellschaft blieb bislang unbeantwortet.
Stürze bei den Amateurrennen
Bei den Amateurrennen war es am Morgen zu Stürzen gekommen, allerdings nicht in dem Ausmaß, wie von einigen Medien berichtet wurde. Die Organisatoren sprachen auf NDR Anfrage von einzelnen Einsätzen des Sanitätsdienstes, die bei einem so großen Rennen jedoch nicht ungewöhnlich sind. Massenstürze habe es nicht gegeben. Rund 11.000 Amateurfahrer waren bei den beiden angebotenen Strecken über 60 und 110 Kilometer dabei.