Michael Daddio hat einen chaotischen Lebenslauf. Er hat oft den Wohnort und den Job gewechselt, war Koch und Fahrradkurier, hatte verschiedene IT-Jobs, hat eine Kombucha-Brauerei gestartet, gibt Weinseminare und entwickelt innovative Lebensmittel. Daddio verfolgt stets viele Ideen auf einmal, führt sie aber oft nicht zu Ende. »Dinge zu starten ist, was mir Energie gibt«, sagt er.

Mit 8 Jahren erhielt der gebürtige US-Amerikaner seine Diagnose: Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Damals eckte er in der Schule an, weil er seine Aufgaben nicht erledigte, obwohl er klug genug dafür war. 7 Jahre lang nahm er, wie viele junge Menschen in den USA, das Amphetaminpräparat Adderall. Heute lebt der 32-Jährige in Deutschland, seine ADHS begleitet ihn weiterhin.

Daddio wirkt nicht psychisch »gestört«. Er ist intelligent, witzig, kreativ und einfühlsam. Seine Freund:innen schätzen seine Spontanität und Leidenschaft. Und doch leidet er unter seiner Andersartigkeit. Denn vieles, was die Arbeitswelt von Menschen mit Hochschulabschluss fordert, fällt ihm schwer: Dinge organisieren, strukturiert arbeiten, still sitzen, stundenlang konzentriert auf einen Bildschirm starren.

Diese Eigenschaften teilt Daddio mit vielen Menschen. Die Zahl der ADHS-Diagnosen steigt seit einigen Jahrzehnten weltweit. Auch die Autismus-Spektrum-Störung wird immer häufiger diagnostiziert. Warum das so ist, dazu kursieren viele Erklärungsansätze. Einige davon sind plausibel, jedoch schwer zu überprüfen. Andere sind Fachleuten zufolge schlicht falsch.