Die Ukraine lehnt dagegen den Vorschlag von Trump, Friedensverhandlungen ohne vorherige Waffenruhe zu führen, ab. „Wir sehen, dass Russland zahlreiche Rufe nach einer Waffenruhe zurückweist und noch nicht entschieden hat, wann es mit dem Töten aufhört“, schrieb Selenskyj auf Onlineplattformen. „Das erschwert die Situation.“
Wenn Russland nicht den Willen habe, die Angriffe einzustellen, dann dürften „große Anstrengungen“ nötig sein, um Russland zu etwas noch „viel Größerem“ zu bewegen – zu einem „friedlichen Zusammenleben mit seinen Nachbarn über Jahrzehnte hinaus“, so Selenskyj weiter.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, der deutsche Kanzler Friedrich Merz, der französische Präsident Emmanuel Macron, die italienische Premierministerin Giorgia Meloni, der britische Premier Keir Starmer und der finnische Präsident Alexander Stubb werden Selenskyj bei seinem Besuch begleiten. Ebenso dabei sein wird NATO-Generalsekretär Mark Rutte. Das wurde am Sonntag bekannt.
Sicherheitsgarantien und territoriale Fragen im Fokus
Wie es nun weitergeht, dürfte maßgeblich davon abhängen, wie der Besuch in Washington verläuft und mit welchen Forderungen Selenskyj dort konfrontiert wird. Im Februar war sein Treffen mit Trump im Weißen Haus vor laufenden Kameras eskaliert. In der Folge setzten die USA ihre für die Ukraine enorm wichtigen Militärhilfen vorübergehend aus.
Aus deutschen Regierungskreisen hieß es, dass Selenskyj Trump zunächst alleine sprechen werde. Dann gebe es Gespräche mit den verschiedenen europäischen Staats- und Regierungschefs, die ebenfalls anreisen. Es werde um die Themen Sicherheitsgarantien, territoriale Fragen und Prozessfragen gehen, also ob es eine Waffenruhe vor Verhandlungen über ein Friedensabkommen geben müsse.
Ukraine: „Zuerst Waffenruhe und danach alles andere“
„Unsere Sichtweise ist: zuerst eine Waffenruhe und danach alles andere“, sagte zuvor der Berater im Präsidentenbüro, Serhij Leschtschenko, im ukrainischen Nachrichtenfernsehen am Samstag. Sollten die Kampfhandlungen während der Gespräche weiterlaufen, gebe es „große Risiken für eine Erpressung der Ukraine“, meinte er.
Westliche Verbündete der Ukraine befürchten, dass Russland auf Zeit spielt und weitere militärische Geländegewinne in der Ukraine erzielen will. Verhandlungen für ein umfassendes Friedensabkommen würden viel länger dauern als eine theoretisch sehr schnell umsetzbare Waffenruhe.
Die USA wollen nach den Worten von Außenminister Marco Rubio weiter versuchen, ein Szenario zur Beendigung des Krieges in der Ukraine zu schaffen, was aber möglicherweise nicht gelingen werde. Wenn der Krieg weitergehe, „werden die Menschen weiter zu Tausenden sterben“, so Rubio gegenüber CBS.
Putin will ukrainischen Abzug aus Ostukraine
Putin soll Trump bei deren Alaska-Gipfeltreffen am Freitag weitreichende Bedingungen für ein Kriegsende präsentiert haben. Er soll den vollständigen Abzug der Ukraine aus den Regionen Donezk und Luhansk fordern und im Gegenzug ein Einfrieren der Frontlinie in Aussicht gestellt haben.
Trump hatte im Vorfeld des Gipfels wiederholt einen möglichen „Gebietstausch“ zwischen Russland und der Ukraine ins Spiel gebracht. Diese Äußerungen des US-Präsidenten hatten Besorgnisse in der Ukraine und bei ihren europäischen Partnern ausgelöst. Nach dem Gipfel äußerten sich weder Trump noch Putin öffentlich zu territorialen Fragen.
Ukraine-Treffen: Putin fordert Donbas
Nach dem Ukraine-Gipfel von US-Präsident Donald Trump und Kreml-Chef Wladimir Putin wollen die europäischen Staats- und Regierungschefs politisch einseitige Entscheidungen zulasten Kiews verhindern. Putin forderte unter anderem den vollständigen Abzug der Ukraine aus den Regionen Donezk und Luhansk.
Wie aber etwa die „Financial Times“ unter Berufung auf vier mit den Gesprächen vertraute Personen berichtete, verlange Putin, „dass die Ukraine den Donbas verlässt“ – und Trump sei „geneigt“, diese Forderung zu unterstützen. Der Donbas umfasst die Regionen Donezk und Luhansk, die nur teilweise von russischen Truppen besetzt sind und die Moskau – ebenso wie drei weitere ukrainische Regionen – für annektiert erklärt hatte.
Putin soll derselben Quelle zufolge vorgeschlagen haben, dass im Gegenzug für den ukrainischen Rückzug aus dem Donbas die Frontlinien in den Regionen Cherson und Saporischschja eingefroren werden sollten. Zudem habe der Kreml-Chef laut „New York Times“ Trump eine schriftliche Zusage angeboten, weder erneut die Ukraine noch ein anderes europäisches Land anzugreifen.
Moskau: Sicherheitsgarantien nur ohne NATO
Moskau sei darüber hinaus einverstanden, dass die Ukraine nach einem Abkommen Sicherheitsgarantien erhält, allerdings nicht im Rahmen der NATO. Das sagte am Sonntag auch der US-Sondergesandte Steve Witkoff gegenüber CNN. Für Putin sei ein NATO-Beitritt der Ukraine nicht diskutierbar, er sei aber damit einverstanden, dass die USA und europäische Verbündete der Ukraine NATO-ähnliche Sicherheitsgarantien geben.
Trump habe Putins Forderung nach dem Gipfel dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj und europäischen Staats- und Regierungschefs per Telefon mitgeteilt und gefordert, Bemühungen um einen Waffenstillstand mit Moskau einzustellen. Nach Angaben der „New York Times“ ist der US-Präsident davon überzeugt, einen schnellen Friedensvertrag aushandeln zu können, sollte Kiew zustimmen, den gesamten Donbas an Russland abzutreten.
Debatte
Was braucht die Ukraine, damit der russische Angriffskrieg endet?
Sowohl Selenskyj als auch die europäischen Staats- und Regierungschefs lehnen die Abtretung der nicht besetzten Gebiete im Donbas ab. Selenskyj verbietet die Verfassung seines Landes, dauerhaft eigenes Staatsgebiet abzutreten.
Europäer halten Videokonferenz ab
Am Sonntag berieten die europäischen Unterstützer der Ukraine in einer Videokonferenz über das weitere Vorgehen. Merz, Macron und Starmer organisierten das virtuelle Treffen der „Koalition der Willigen“. Die EU-Kommission bereitet derzeit ein 19. Paket mit Strafmaßnahmen vor.
Selenskyj forderte davor erneut Sicherheitsgarantien nach dem Vorbild der NATO. Das müsse funktionieren wie der Artikel 5 der NATO, sagte er vor Medien in Brüssel bei einem Treffen mit von der Leyen. Später sagte Selenskyj, dass er von der Leyen zustimme, die eine Bezeichnung Waffenstillstand als nicht vordergründig bezeichnet hatte. Wichtig sei, dass der Krieg aufhöre, so von der Leyen.