Ein „wunderschön voller“ Gottesdienst in familiär-herzlicher Atmosphäre, reich an Erinnerungen, Musik und Dankesworten. Angefüllt mit Lachen und Fröhlichkeit – und auch Wehmut war zu spüren. Nach fast 36 Jahren Dienst als Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Porz an der Johanneskirche in Köln-Westhoven wurde Ingrid Kibilka Ende Juni offiziell verabschiedet. Superintendentin Kerstin Herrenbrück entpflichtete die 66-Jährige. Das anschließende Beisammensein zahlreicher Gemeindeglieder und Freunde im Pfarrgarten klang erst am frühen Abend aus. Am 1. September tritt Kibilka ihren Ruhestand an.
„Prüft alles und behaltet das Gute“
„Ich war und bin sehr glücklich hier, sehr dankbar und sehr zufrieden. Und ich behalte so viel Gutes.“ Diese Schilderung ihrer inneren Verfassung zog sich wie ein roter Faden durch Kibilkas Ansprache, in der sie manchen Einblick in ihr berufliches und privates Leben gewährte. „Prüft alles und behaltet das Gute“ – die aus Paulus‘ Feder stammende Jahreslosung 2025 bildete dabei das biblische Ausgangswort.
„Pfarrerin aus Leidenschaft“
Superintendentin Kerstin Herrenbrück und Ingrid Kibilka (r.).
Studiert hat Kibilka in Bonn. Ihr Vikariat absolvierte sie in der zu dieser Zeit selbständigen Evangelischen Kirchengemeinde Hoengen-Broichweiden bei Aachen. Am 9. Oktober 1988 erfolgte ihre Ordination. Und mit dem Schlagwort „Pfarrerin aus Leidenschaft“ überschrieb sie 1989 ihre Bewerbung für die Pfarrstelle in der Porzer Gemeinde. „Diese Leidenschaft ist immer noch in mir.“ Das Leiden aber habe sich rückblickend in engen Grenzen gehalten. „Ich mag meinen Beruf sehr“, freut sie sich gleichwohl auf den Ruhestand. Zu ihren zukünftigen Aktivitäten könnten Vorlesetante in der Kita oder Lesefördertante in der Grundschule, Sport und Reisen zählen. Sie möchte einfach Zeit haben.
Porz war schneller als Düsseldorf
„Sehr spannend“ nannte sie die Bewerbungsphase in Porz mit zunächst 37 Interessierten. Schließlich seien ein Kandidat mit Familie und sie als Junggesellin übriggeblieben. „Es sollte zu einer echten Wahl kommen.“ Keine Chance, habe sie gedacht, Familie werde ja gerne genommen. Doch der Mitbewerber erhielt anderswo eine Zusage und zog seinen Antrag zurück. Kibilka selbst hatte parallel Eisen in Saarbrücken und Düsseldorf im Feuer. „Und ich wäre auch nach Düsseldorf gegangen“, bekannte sie freimütig. Als ihr vielstimmiges Bedauern und Zweifel entgegenschallten, bat sie um Verständnis: „Leute, lieber nach Düsseldorf als arbeitslos, oder?!“ Ohnehin sei Porz mit dem Wahlgottesdienst schneller gewesen.
„Heute sprudelt mein Herz über …“
Kibilka erinnerte an ihre ersten Jahre in der Gemeinde, alleine wohnend in einem viel zu großen Pfarrhaus. Bei Fehlern habe der damals große Kollegenkreis die Anfängerin wohlwollend aufgefangen. Tipps von Gemeindegliedern hinsichtlich ihrer inhaltlich guten, aber zu ausführlichen Predigten „habe ich mir zu Herzen genommen, meistens. Nur heute nicht“, erklang erneut ihr an diesem Morgen oft gehörtes ansteckendes Lachen. „Heute sprudelt mein Herz über und ihr braucht ein bisschen Geduld.“ Die Empfehlung von Kolleginnen im Kirchenkreis, ihre im Januar 1997 angetretene dreijährige Erziehungszeit zu verkürzen, um den Wiedereinstieg in den Dienst zu erleichtern, habe sie zu Recht ignoriert. „Von Schwierigkeiten habe ich nichts bemerkt. Nach einer Woche war ich wieder voll drin, mit allem, was dieser Beruf mit sich bringt.“
Weihnachtslied im Sommer
Sie habe sich begeistert für Gottesdienste jeder Art, für die Arbeit mit Jung und Alt. „Ich mag Beerdigungen und die Weihnachtsfamiliengottesdienste“, animierte sie sogleich „Nun freut euch ihr Christen, freut euch sehr“ anzustimmen. Und dann nochmal, nur lauter. Kibilka richtete ihren Dank an viele Menschen. An ihre Eltern, die sie ihren Weg hätten gehen lassen. An ihren Sohn, der es ausgehalten habe, eine Pfarrerin zur Mutter zu haben, und, setzte sie gerührt fort, „der sich von mir hat konfirmieren lassen“. Einbezogen in den Dank wurden die Gemeindeglieder, die Leitungsgremien sowie die Kolleginnen und Kollegen: „Was ich immer toll fand – dass wir jetzt vier uns in unserer inhaltlichen Arbeit gegenseitig anerkennen, ernst nehmen und das wir miteinander lachen können.“
„Ich habe mich in meinem Glauben weiterentwickelt“
Gruppenfoto in der Johanneskirche in Köln-Westhoven. Entpflichtung von Pfarrerin Ingrid Kibilka (4. von rechts).
Die gebürtige Wesselingerin blickte selbstkritisch auch auf eigene Fehler, auf wenige schwierige Zeiten und Momente. „Das weniger Gute? Ich habe nicht alles richtig gemacht. War manchmal zu impulsiv. Habe manchmal meine Meinung zu deutlich gesagt. Und manchmal den Mund gehalten, wo ich besser ‚was gesagt hätte.“ Krankheitsbedingte Herausforderungen hätten sie im Glauben, im Leben und Lieben und in der Arbeit sehr verändert und stark gemacht, teilte sie Erfahrungen und Einsichten. „Ich habe mich in meinem Glauben in all den Jahren weiterentwickelt, habe Neues entdeckt. Ich bin für manches offener geworden, und das macht mich glücklich.“
Eine Gemeinde, der Kirche noch wichtig ist
Nicht nur würdigte Kibilka die großartige, vertrauensvolle und humorvolle Zusammenarbeit mit der Küsterin und deren Mann an der Johanneskirche. Insgesamt sei sie „meinen Johanneskirchlern“ in Ensen und Westhoven sehr dankbar für gegenseitige großartige, wertschätzende Unterstützung. Die scheidende Pfarrerin ist zuversichtlich, „dass es mit denjenigen, die Lust auf Kirche haben“, in der lebendigen, auf vielfältige Weise engagierten und hilfsbereiten, sehr musikalischen Gemeinde und Johanneskirche weitergehen wird. „Ihr seid eine lebensfrohe und wenn es darauf ankommt, tröstende Gemeinde, der Kirche noch wichtig ist. Bitte bewahrt euch das“, dankte sie für das ihr entgegengebrachte Vertrauen in eine Pfarrerin „mit Herz und Schnauze“, zitierte sie eine Zuschreibung aus dem Gemeindebrief.
Superintendentin: „Es gibt jede Menge Grund dafür, dankbar zu sein“
„Und was soll ich jetzt noch sagen?“ Hinsichtlich Kibilkas Ausführlichkeit war die augenzwinkernd gestellte Frage von Superintendentin Kerstin Herrenbrück durchaus berechtigt. Vor dem offiziellen Akt der Entpflichtung wartete Herrenbrück mit einem wertschätzenden Rückblick und lieben Wünschen auf. „Wir waren ja auch zwölf Jahre lang Kolleginnen hier. Als ich 1998 als Vikarin nach Porz kam, warst du in Elternzeit.“ Unter diesem Gesichtspunkt sei es schon etwas ganz Besonderes, heute hier zu sein. „Es gibt jede Menge Grund dafür, dankbar zu sein. Dafür, dass du dich in den Dienst Gottes gestellt hast.“ Dafür, dass Kibilka ihre sie kennzeichnenden und stark machenden Gaben und Kräfte für so viele Menschen in der Gemeinde eingesetzt habe.
„Ich erlebe dich immer als durch und durch authentisch“
Herrenbrück würdigte Kibilkas großes Herz, wachen Verstand, ihre Tat- und Geistkraft sowie ihr Gottvertrauen. „Ich erlebe dich immer als durch und durch authentisch.“ Dies hätten wir gerade noch einmal sehr deutlich wahrnehmen können. „So wie du bist, so begegnest du den Menschen an allen Orten, egal, ob mit oder ohne Talar. Das Herz am rechten Fleck und oft auch auf der Zunge, einfühlsam und aufrichtig. Dein fröhliches Lachen tut einfach gut und ist ansteckend“, so Herrenbrück.
„Wunderbar sind deine Werke …“
Auf sich selbst schauen, dabei Gott mit in den Blick nehmen – Kibilka habe selbst davon erzählt und dieses uralte Rezept hätten wir ja bereits gehört. Es stehe im 139. Psalm. „Und du trägst den Vers 14 in deinem Herzen: Danke Gott, dass ich wunderbar gemacht bin. Wunderbar sind deine Werke, das erkennt meine Seele.“ Genau das strahle Kibilka aus: dankbar, mittendrin, verwurzelt. „Und immer mit der Gewissheit, zuallererst mal das Geschenk Gottes zu sehen, dass du so gemacht bist, wie du bist, und dann auch zu erkennen, wie wunderbar es ist“, formulierte Herrenbrück.
Und dann sei es Kibilka, „die das mit Leben füllt, mit Lachen und Weinen, mit Denken und Fühlen, mit Reden und Anpacken, als Frau, als Pfarrerin, in einem Amt, in dem wir als Frauen gerade mal seit hundert Jahren Dienst tun dürfen. Wie gut, dass das seitdem geht. Wie gut, dass es dich darin gibt“, sandte Herrenbrück zugleich einen Gruß Richtung Himmel an Sigrid Volkmann. Sie amtierte als erste Pastorin/Pfarrerin in der Gemeinde Porz und eine der ersten im Rheinland.
So viel mitgenommen aus Lebensbegleitung und Lebensgeschichten
Am 1. Oktober 1989 habe Kibilka offiziell die damals 5. Pfarrstelle in der Evangelischen Kirchengemeinde Porz angetreten. „Wer meint, es sei ja langweilig so lange an einem Ort, der hat gerade nicht zugehört“, so Herrenbrück. „So viel durftest du mitnehmen aus der Lebensbegleitung von ganz unterschiedlichen Menschen und aus Dir anvertrauten Lebensgeschichten.“ Das eine oder andere könne ihr vielleicht hilfreich sein in allem, „was ungewohnt und neu sein wird im Ruhestand an vertrautem Ort, aber ohne Verantwortung für die Gemeinde“.
Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich