Fragen & Antworten
Standdatum: 18. August 2025.
Autorinnen und Autoren:
Michael Brandt
Auch handelsübliche Drohnen aus dem Elektromarkt werden zur Spionage eingesetzt. (Archivbild)
Bild: dpa | CHROMORANGE | Michael Bihlmayer
Drohnenspionage ist alltäglich geworden. Betroffen sind alle Einrichtungen, die für das gesellschaftliche Leben wichtig sind. Bremens oberster Verfassungsschützer erklärt die Lage.
Was ist über Spionage-Drohnen über Bremen bekannt?
Thorge Köhler, Chef des Bremer Landesamtes für Verfassungsschutz sagt, dass sich seit Anfang des Jahres „Vorkommnisse mit Drohnen häufen“ – eigentlich auch schon seit längerer Zeit davor. Er spricht in diesem Zusammenhang von einer Eskalationsspirale. Betroffen seien vor allem die sogenannte kritische Infrastruktur und logistische Infrastruktur, aber auch Rüstungsunternehmen und ihre Grundstücke.
Thorge Köhler ist Chef des Bremer Landesamtes für Verfassungsschutz.
Bild: Radio Bremen
Was zählt in Bremen zur kritischen Infrastruktur?
Eine allgemeingültige Definition gibt es nicht. Dazu gehören alle Einrichtungen, die für das tägliche Leben notwendig sind. Das betrifft zum Beispiel die Strom- und Wasserversorgung, Krankenhäuser und Telekommunikationsanlagen. Das kann auch der Hafenumschlag und der Umschlag von Rüstungsgütern sein.
Der Hafen in Bremerhaven spielt bei den Drohnenflügen laut Köhler „eine herausgehobene Rolle.“ Und: Auch im Umfeld von Kraftwerken sowie Industrieunternehmen, die im Bereich Rüstung aktiv sind, komme es immer wieder zu entsprechenden Vorkommnissen.
Um wie viele Fälle geht es?
Gesamtzahlen nennt der Bremer Verfassungsschutz nicht. Köhler schildert aber, dass es „teilweise, an einzelnen Tagen oder an einzelnen Abenden zu sechs oder sieben Sichtungen von Flugobjekten kommt. Das kann auch mehrere Tage am Stück so sein“. Die Zunahme ist seiner Aussage kein Bremer Phänomen, sondern betrifft das gesamte Bundesgebiet. Köhler spricht mit Blick auf die vergangenen eineinhalb Jahre von einer massiven Verschärfung und davon, dass eine Entspannung nicht in Sicht sei.
Um welche Drohnen handelt es sich?
Es geht dem Verfassungsschutz sowohl um handelsübliche Drohnen aus dem Elektronikmarkt als auch um Drohnen für militärische Nutzung. Das Landesamt ist aufgrund seiner Informationen der Überzeugung, dass ein Teil der Drohnen direkt von Russland aus gesteuert wird. Es komme auch vor, dass private Drohnen technisch gekapert und dann fremdgesteuert würden.
Was sagen die betroffenen Unternehmen?
In Bremen sind mehrere Unternehmen im militärischen Sektor aktiv: die Lürssen-Werft, Rheinmetall, OHB und Thyssen-Krupp Marine Systems (Atlas Elektronik). Die Mehrzahl gibt zum Thema Drohnen kein Statement ab, ein Rheinmetall-Sprecher erklärt aber: „Generell stellen Einrichtungen der kritischen Infrastruktur und Unternehmen der Verteidigungsindustrie vermehrt Drohnenüberflüge fest. Dies gilt auch für die Rheinmetall AG.“ Man arbeite mit den Sicherheitsbehörden zusammen, zu Details äußere man sich nicht.
Wie viele Drohnensichtungen fallen tatsächlich unter Spionage? Oder sind das alles Hobbypiloten?
Das Landesamt versucht zu klären, woher die Drohnen kommen. Köhler rechnet Drohnen zur sogenannten hybriden Bedrohung. Dabei würden Staaten wie zum Beispiel Russland versuchen, die Demokratie zu destabilisieren und Informationen zu erheben. Wie hoch genau der Spionage-Anteil an den Drohnen-Sichtungen ist, vermag der Bremer Verfassungsschutz nicht zu sagen. Köhler weist im Gespräch mit buten un binnen darauf hin, dass private Hobbypiloten Bereiche der kritischen Infrastruktur meiden sollen, um nicht in Verdacht zu geraten. „Da dürfen Drohnen einfach nicht fliegen.“
Es nimmt zu, dass sich ausländische Mächte sogenannter Low-Level-Agents bedient. Heißt: Hobbypiloten werden zum Beispiel über Messengerdienste kontaktiert und gefragt, ob sie nicht „für hundert Euro oder ein bisschen Kryptowährung“ ein Objekt überfliegen können.
Müssen sich die Bürger Sorgen machen?
Köhler sagt: „Die Bürger sollten sich keine Sorgen machen, aber aufmerksam sein. Das würden wir uns wünschen, das würden sich auch die Kollegen der Polizeibehörden wünschen.“ Wenn Bürger zum Beispiel einen sogenannten Starrflügler beobachten, der die Schienen einer Bahnverbindung abfliegt, sei es eine gute Idee, den Notruf anzurufen. Laut Landesamt ist eine entsprechende Beobachtung auf Bahnlinien im Bremer Umland schon gemacht worden. Starrflügler sind Drohnen, die flugzeugähnliche Tragflächen haben.
Ist der Urheber ausschließlich Russland?
In erster Linie ja, aber laut Köhler nicht ausschließlich. „Alle Hinweise, die wir haben, sind eher der russischen Föderation zuzuordnen. Das ist die aktuelle Lage“, sagt er. Das sei auch der Tatsache geschuldet, dass Bremerhaven ein relevanter Umschlagsplatz für Rüstungsgüter geworden sei.
Hat es in Bremen bereits Festnahmen gegeben?
Dazu heißt es in einer Stellungnahme der Polizei: „Zu einzelnen Personen oder Sachverhalten werde im Kontext der Spionageabwehr grundsätzlich keine Auskunft erteilt. Die zugrundeliegenden Informationen sind regelmäßig als Verschlusssachen eingestuft und unterliegen damit der Geheimhaltung.“
Wie reagiert die Politik?
Die Innenminister der Nordländer haben sich im Juli verabredet, gemeinsam mit der Bundeswehr die Drohnenabwehr zu stärken. Dazu zählt zum Beispiel der Einsatz von Störgewehren, die die Kontrolle von Drohnen lahmlegen können und sie so abstürzen lassen. Und es geht um den Einsatz von Drohnen, die gezielt feindliche Drohnen rammen und so zerstören. Außerdem ist auf der Innenministerkonferenz im Frühjahr 2025 in Bremerhaven darüber gesprochen worden, ein Kompetenzzentrum zur Drohnenabwehr ins Leben zu rufen.
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Quelle:
buten un binnen.
Dieses Thema im Programm:
buten un binnen, 18. August 2025, 19:30 Uhr