Halle. Fast 40 Jahre lang war Herbert Gontek Chef der Lokalredaktion des „Haller Kreisblatts“. In dieser Zeit hat er viel erlebt und so manchen Menschen getroffen. Abseits des Redaktionsalltags gab es aber auch eine tierische Freundschaft, die bis heute währt. „In die Augen geschaut habe ich dem kleinen gepanzerten Tierchen noch nicht, das ließ es bisher nicht zu. Trotzdem kenne ich die Schildkröte geschätzte 25 Jahre“, sagt er über das Reptil, das wohl seit mindestens 1998 im Tatenhauser Vennteich lebt.
„Unser heute 32-jähriger Sohn war schon ein laufender Meter, als wir ihr an einem Herbsttag erstmalig begegneten“, erinnert sich Herbert Gontek. Er fürchtete, die gepanzerte Schildkröte könne den Winter nicht überstehen. Hat sie aber, und so sitzt sie regungslos Sommer für Sommer an der Teichanlage auf angeschwemmtem Holz, sonnt sich und hat ihr Umfeld genau im Auge. Auch in diesem Jahr ist sie wieder aufgetaucht. Zur Freude von Herbert Gontek: „Im vergangenen Jahr habe ich sie nicht gesehen.“
Der Haller erklärt: „Kommt ihr jemand zu nahe, stürzt sie ins Wasser, taucht eine Runde und ist weg. Ist die Luft wieder rein, kommt die Sonnenanbeterin zurück.“ Die Frage, was sie im Winter macht, klärt das Fachbuch: sich eingraben und auf wärmeres Wetter warten.
Schildkröte besetzt fremdes Nest in Halle
Schildkröte im Vennteichsee: Ein unerwarteter Bewohner sonnt sich auf einem Nest eines Haubentauchers.
(© Wolfgang Kosubek)
2016 wurde im Vennteichsee noch eine weitere Schildkröte gesichtet (wir berichteten). Damals hatte der bekannte Haller Hobby-Historiker Wolfgang Kosubek, der ebenfalls ein leidenschaftlicher Naturfotograf war, eine Schmuckschildkröte auf einem Nest eines Haubentauchers entdeckt, das kurz zuvor noch bebrütet wurde. Er hielt den Moment mit seiner Kamera fest. Dass die Schildkröte zum hungrigen Nesträuber wurde, wurde jedoch laut Expertenmeinung damals als unwahrscheinlich eingestuft. Gegen einen wütenden Haubentaucher wäre sie chancenlos gewesen.
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Inzwischen sind ausgesetzte Schildkröten im Altkreis Halle keine Seltenheit mehr. 2022 wurde eine Schmuckschildkröte in Künsebeck eingefangen, ein Jahr später entdeckte man ein weiteres Reptil im Ententeich des Haller Laibachparks. Im gleichen Jahr wurde auch in der Versmolder Hessel eine Schildkröte gesichtet. Bernhard Walter, Leiter der Biologischen Station Gütersloh/Bielefeld, bestätigt die vermehrten Sichtungen in heimischen Gewässern.
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Die exotischen Tiere können auch hierzulande lange überleben, erläutert der Experte. „Ob man sie einfangen sollte, kann ich nicht sagen“, so der Biologe. Tierheime und Auffangstationen stoßen oft schon an ihre Grenzen. Der Haller Umweltingenieur Stephan Borghoff stellt jedoch 2023 – nach der Sichtung im Laibachpark – klar: „Das ist eine invasive Art. Wenn wir sie sichten, müssen wir sie abfangen. Allerdings erst dann, wenn die Unterbringung gegeben ist.“
Beim warmen Wetter sonnt sich die Schildkröte auf den Steinen am Ententeich.
(© Florian Gahlstorf)
Immerhin dürfte sich der biologische Schaden in Grenzen halten – wenngleich die Schildkröte beim Futterangebot mit heimischen Tierarten konkurriert: „Die Tiere können keine heimischen Arten verdrängen“, so Bernhard Walter „Außerdem können sich die Schildkröten hier nicht vermehren.“
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Das ist aber kein Freifahrtsschein. „Man sollte sich vorher überlegen, ob man so ein Tier wirklich haben möchte“, appelliert er an die Verantwortung von Tierfreunden. Denn wer eine Schildkröte kauft, hat lange etwas von dem Tier.
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Die Gelbwangenschildkröte sitzt häufig auf diesem Baumstamm an der Hessel.
(© Ingo Hanke)
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