Fast die Hälfte der 18-29-Jährigen trinkt keinen Alkohol mehr, wie ein neuer DKV-Report zeigt. Wir haben die Gen Z in Stuttgart gefragt – und die unterschiedlichsten Meinungen gehört.

Ein Aperol Spritz auf der Karlshöhe, ein Bier auf dem Cannstatter Wasen oder ein Glas Wein in den Weinbergen der Stadt: Stuttgart bietet viele Gelegenheiten für einen Schluck Alkohol im Sommer. Dabei haftet besonders jungen Menschen an, ihre Grenzen auszutesten und gerne über die Stränge zu schlagen. Aber ist dem wirklich so?

Ein jüngster Bericht der Deutschen Krankenversicherung (DKV), in Zusammenarbeit mit der Deutschen Sporthochschule Köln sowie der Universität Würzburg, widerlegt dieses Klischee. Der DKV-Report 2025 zeigt zum Beispiel: Junge Erwachsene im Alter zwischen 18 und 29 Jahren erreichen mit 43 Prozent am häufigsten und mehr als doppelt so häufig den neuen Richtwert zur vollständigen Alkoholabstinenz als die älteren Befragten über 65 Jahre mit 21 Prozent“.

Damit verzichtet fast die Hälfte der befragten jungen Menschen komplett auf Alkohol. Das ist häufiger als bei jeder anderen Altersgruppe – und widerspricht der Ansicht vieler, dass ausschweifende Exzesse wie Komasaufen im jungen Alter in sind. Aber wie passen diese Ergebnisse mit der Realität in der Stuttgarter Innenstadt zusammen? Wie viel trinkt die Gen Z, also 18-29-Jährige, im Kessel?

Social Media wirbt für alkoholfreie Monate

Alex und Ali (beide 18), gaben an, komplett auf Alkohol zu verzichten. Bei Ali hat das einen religiösen Hintergrund: „Wenn man mit Werten aufgewachsen ist, dass man keinen Alkohol trinkt, dann führt das dazu, dass man sich vom Trinken distanziert.“ Die beiden Freunde wendeten sich auch von Bekannten aus ihrem Umfeld ab, weil die anfingen, viel und häufig Alkohol zu konsumieren. Die Religion ist also ein mögliches Motiv, dem Trinken abzuschwören. Ein anderer Faktor ist das Thema Gesundheit. Auf Social Media gab es in den vergangenen Jahren Trends wie „Dry January“ oder „Sober October“, die für alkoholfreie Monate werben. Videos auf YouTube, die hunderttausendfach geklickt werden, zeigen die positiven gesundheitlichen Effekte, die mit einem vollständigen Alkoholverzicht einhergehen.

Drei Freunde Ende 20, die bei der Hitze unter einem schattigen Baum am Marienplatz stehen, genießen ihre Limonaden. Auf die Frage hin, wie oft sie Alkohol trinken würden, antworten sie einstimmig: „Ein-, vielleicht zweimal im Monat. Und nur in der Gemeinschaft.“ Das sei seit der Jugend deutlich weniger geworden. Bei ihnen spielt der Aspekt der Gesundheit eine große Rolle: „Wir haben alle Medizin studiert und kennen daher aus nächster Nähe die Risiken des Alkoholkonsums.“ Aber nicht nur bei Medizinstudierenden, sondern auch bei anderen Stuttgartern und Stuttgarterinnen der Gen Z scheint das Thema Gesundheit das Hauptmotiv zu sein, weniger zu trinken.

Bewusster Umgang mit Trinken im Trend

David (23), der mit seinem Kumpel Tim (24) ein Aperol in Stuttgart-Mitte genießt, hat die letzten Monate nur sehr sporadisch Alkohol getrunken. In den Semesterferien im August sei es dann schon zweimal die Woche. „Ich betreibe aber als Hobby gerne Sport und Alkohol verschlechtert die Leistung. Deshalb habe ich jetzt ein paar Mal schon gedacht: Lieber heute auf ein Glas verzichten.“ Die Social Media Trends zum Alkoholfasten haben auf Tim zumindest einen indirekten Eindruck gemacht: „Ich habe auf Insta gesehen, dass gerade im Winter die ganze Thematik zum Verzicht hochgekommen ist. Man geht jetzt generell bewusster mit sich selbst um.“

Nathalie (27), sowie Johanna (28), und Samuel (21), gaben alle an, nur einmal die Woche zu trinken. Für Nathalie, die mittlerweile berufstätig ist, steht fest: „Ich kann auch viel Spaß ohne Alkohol haben. Ich finde es sogar schöner, weil man dann am nächsten Tag nicht diesen Hangover hat. Dadurch genießt man den Moment sogar besser“.

Gemischte Reaktionen zu alkoholfreien Alternativen

Weniger Alkohol scheint bei Stuttgarts Gen Z in zu sein. Aber was ist mit alkoholfreien Getränken als Alternative? Der Absatz von alkoholfreiem Bier ist in den vergangenen zehn Jahren um mehr als 100 Prozent angestiegen, wie das Statistische Bundesamt Destatis 2024 mitteilte. Auf Getränkekarten finden sich immer häufiger Mocktails wie Virgin Colada oder alkoholfreie Caipirinha, die ähnlich wie das Original schmecken und sich immer größerer Beliebtheit erfreuen.

Bei der Stuttgarter Gen Z ließen sich allerdings Widersprüche erkennen. Ein Barkeeper der Kultbar Mos Eisley in Stuttgart-West äußert, dass seit der Cannabis-Legalisierung 2024 ein Rückgang des Alkohol-Konsums zu beobachten ist. „Wir haben vermehrt Anfragen bekommen, ob wir Getränke öfter alkoholfrei anbieten können.“ Alex trinkt hin und wieder einen süßen Cocktail ohne Alkohol. Ein anderer Stuttgarter (25), zeigte sich gar begeistert von Mocktails. „Die schmecken voll gut.“ Johanna mag alkhoholfreies Bier als Alternative. David und Tim dagegen halten nicht viel von Alkoholersatzgetränken: „Ich gehe jetzt nicht in eine Bar und sage, ich will einen Mo-Aperol. Dann trinke ich eher ein Spezi oder eine Orangina“, so David. Auch Ali greift dann eher zu Eistee oder Wasser, wenn er Durst hat. Die Geschmäcker in Bezug auf alkoholfreie Getränke könnten also unterschiedlicher nicht sein.

Kompletter Verzicht eher Ausnahme

Eines zeigt die Umfrage in der Stuttgarter Innenstadt: Die Stuttgarter Gen Z trinkt zwar größtenteils Alkohol – aber ein bewusster Umgang mit dem Trinken ist ihnen wichtig. Ein kompletter Verzicht, wie er auf TikTok, YouTube oder Instagram vorgelebt wird, scheint dagegen eine Ausnahmeerscheinung zu sein. „Wir sind gerade in unserer Jugend und genießen unser Leben. Wir machen uns da nicht so einen Kopf drüber“, sagt Jasmina (19), die mit ihrer Freundin Kristina (20), am Marienplatz sitzt.