Verwirrung um neue EU-Regel: Werden Android-Nutzer bald eingeschränkt?

CHIP/Marlon MajoraAntonio Mastroianni Autorenbild18.08.202514:45

Eine neue EU-Richtlinie soll eine bestimmte Praxis bei Android-Handys in Zukunft verhindern. Was steckt dahinter?

Über sogenannte Custom-ROMs können Android-Nutzer ein alternatives Betriebssystem zur vorinstallierten Hersteller-Software aufspielen. Bekannte Projekte wie GrapheneOS, LineageOS oder e/OS erlauben es, das Smartphone z.B. vollständig ohne Google-Dienste zu benutzen oder alten Geräten ohne Herstellersupport ein zweites Leben einzuhauchen.

Voraussetzung dafür ist es, den Bootloader am Gerät zu entsperren. Viele Hersteller haben diese Praxis in der Vergangenheit deutlich erschwert – Samsung schaffte die Möglichkeit mit dem Update auf OneUI 8 sogar zuletzt vollständig ab

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Die wenigsten Galaxy-Nutzer dürften davon überhaupt etwas mitbekommen haben und es lässt sich argumentieren, dass der Schritt für mehr Sicherheit im System sorgt. Doch zur Wahrheit gehört auch, dass der weltweit größte Smartphone-Hersteller seinen Kunden damit deutlich weniger Freiheiten über ihr Gerät überlässt, für das sie hunderte Euro ausgegeben haben. Die Entscheidung dürfte der Android-Modding-Szene einen ordentlichen Dämpfer verpassen.

GrapheneOS GrapheneOS ermöglicht es, Pixel-Handys von Google komplett individuell auszustatten. Bild: Hersteller EU-Regel als Auslöser?

Diverse Seiten berichteten in den vergangenen Wochen über das Samsung-Update und legten nahe, dass Samsung damit der sogenannten „Radio Equipment Directive“ (2014/53/EU) nachgekommen sei. Die EU-Richtlinie regelt, wie Funkgeräte, etwa Smartphones, aber auch Laptops oder Desktop-PCs mit WLAN, mit Software ausgestattet werden dürfen, um Störungen im Funkverkehr zu vermeiden.

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Portale wie Xiaomitimes gingen so weit, Custom-ROMs aufgrund der neuen Direktive in der EU für „tot“ zu erklären. Nun haben sich die Entwickler des bekannten Custom-ROM-Projekts GrapheneOS zu Wort gemeldet und geben Entwarnung: Berichte über ein Bootloader-Entsperrverbot durch die EU seien falsch. 

Entsprechende Stellen aus der EU-Direktive wurden offenbar ungenau wiedergegeben. Im GrapheneOS-Forum argumentieren einige Nutzer, dass die Richtlinie sogar die Offenheit gegenüber Drittsoftware betont, solange bestimmte Funkregeln eingehalten werden.

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Die EU-Direktive erwähnt tatsächlich in keinem Wort ein Bootloader-Entsperrverbot, allerdings lässt das Dokument offenbar verschiedene Interpretationen zu. 

Alternative Android-Versionen vor dem Aus?Google Pixel 9 Pro in der Hand Alternative Betriebssysteme sind für die breite Masse an Nutzern wenig geeignet. Marlon Majora / CHIP

Inside Digital zitiert ein Pressestatement von Samsung, wonach die Anpassung tatsächlich aufgrund der EU-Richtlinie erfolgt sei: „Mit dem kommenden Update auf One UI 8 wird das Entsperren des Bootloaders nicht mehr möglich sein. Diese Anpassung erfolgt im Zuge
der EU-Richtlinie 2014/53/EU (Radio Equipment Directive), die ab dem 1. August 2025 strengere Cybersicherheitsanforderungen für mobile Geräte vorschreibt. In Europa dürfen dann nur noch Smartphones verkauft werden, die verhindern, dass unautorisierte Software installiert wird. Dazu gehört auch das Entsperren des Bootloaders.“

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Möglicherweise ging der Hersteller diesen Schritt also auch aus Vorsicht, um rechtliche Risiken zu vermeiden – auch wenn in der EU-Richtlinie diese Anforderung nicht direkt erwähnt wird. Auch andere Hersteller könnten ebenfalls auf Nummer sicher gehen und die Praxis in Zukunft unterbinden, was die Freiheit von Nutzern über Ihre Geräte weiter einschränkt. 

Tot sind Custom-ROMs deshalb aber noch nicht. Bei Google Pixel Geräten geht es etwa nach wie vor vergleichsweise einfach, den Bootloader zu entsperren. Die Relevanz alternativer Android-Versionen hat in den vergangenen Jahren aber deutlich abgenommen. 

Dazu könnte auch beigetragen haben, dass Hersteller ihre Geräte mittlerweile deutlich länger mit Updates versorgen. Auch hierfür hat die EU übrigens neue Richtlinien gesetzt.