Frankreichs Überseeminister Manuel Valls reist am Dienstag nach Neukaledonien, um ein Abkommen zu retten, das dem Territorium weitreichende Autonomierechte sichern soll – trotz des Widerstands der wichtigsten Unabhängigkeitsbewegung. 

Paris – Das Abkommen von Bougival, im Juli in Paris zwischen Loyalisten und Unabhängigkeitsbefürwortern ausgehandelt, versprach nach mehr als einem Jahr heftiger Unruhen eine Neuordnung des seit Mitte des 19. Jahrhunderts unter französischer Kontrolle stehenden Territoriums.

Doch die Hoffnung auf Konsens zerbrach am 13. August, als die Kanakische und sozialistische Front der nationalen Befreiung (FLNKS) ausstieg.

Kurz vor der Landung in der Hauptstadt Nouméa erklärte Valls, seine Aufgabe sei es, „zu erklären, zu präzisieren, zu vertiefen und zu überzeugen – so weit wie nötig“.

Das vorläufige Abkommen sieht die Schaffung einer eigenen kaledonischen Staatsangehörigkeit vor, die neben der französischen Staatsbürgerschaft bestehen soll. Zudem ist die Errichtung eines „Staates Neukaledonien“ vorgesehen, mit umfassenden Kompetenzen in Diplomatie, Justiz und Währung – die Verteidigung bliebe jedoch in Pariser Hand.

Außerdem soll das Wahlregister geöffnet werden: Ab den Provinzwahlen 2031 dürften auch jene Einwohner wählen, die seit mindestens zehn Jahren in Neukaledonien leben.

Die Frage der Wahlberechtigung gilt seit langem als hochexplosiv. Eine ähnliche Reform hatte im Mai 2024 zu tödlichen Unruhen geführt, als Kanak-Aktivisten Paris vorwarfen, das demografische Gleichgewicht zugunsten von Zuwanderern aus dem französischen Mutterland und damit pro-französischen Parteien zu verschieben.

Damit die Reformen in Kraft treten, müssen sie im Kongress von Neukaledonien eine Dreifünftelmehrheit plus fünf zusätzliche Sitze erreichen. Die FLNKS – insbesondere die einflussreiche Kaledonische Union (UC) – hält diese Hürde für unerreichbar und wirft Paris vor, ein verkapptes Vetorecht über weitere Machtübertragungen einzubauen.

Dominique Fochi, Generalsekretär der UC und führende FLNKS-Persönlichkeit, wies den Bougival-Text als Angebot ohne „Garantie für Stabilität – weder für das Land noch für seine Zukunft“ zurück. Ein Weg zur vollen Souveränität sei zwar gezeichnet, sagte er, doch dieser gleiche „einer Via Dolorosa, angesichts der vielen Hürden und Sperren“.

In den kommenden Tagen will Valls gezielt einflussreiche lokale Akteure und traditionelle Autoritäten umwerben. Dabei dürfte er auch die Spaltungen im Unabhängigkeitslager nutzen: Die Nationale Union für Unabhängigkeit (UNI), die sich während der Unruhen im Vorjahr von der FLNKS abgespalten hatte, unterstützt das Abkommen. Ihr Präsident im Kongress, Jean-Pierre Djaïwé, argumentiert, die Vereinbarung eröffne „einen schrittweisen Weg zur vollen Souveränität“.

Bei seinem bereits vierten Besuch in Nouméa in diesem Jahr will Valls zudem ein Redaktionskomitee für den Vertrag auf den Weg bringen. Doch ohne Beteiligung der FLNKS dürfte es schwer sein, dessen Legitimität zu sichern. Seit den 1980er-Jahren erkennen die Vereinten Nationen die Bewegung als legitime Stimme des Kampfes Neukaledoniens hin zur Entkolonialisierung an.

(mm, jl)