AUDIO: Gynäkologin zur Pille: Nach wie vor zuverlässigste Verhütungsmethode (6 Min)
Stand: 18.08.2025 16:17 Uhr
65 Jahre Antibabypille – und noch immer ist Verhütung meist Frauensache. Laut einer aktuellen #NDRfragt-Umfrage finden 71 Prozent der Befragten die aktuelle Verteilung unfair. 84 Prozent der Norddeutschen fordern: Es ist Zeit für die Pille für den Mann.
Am 18. August 1960 kam sie in den USA auf den Markt: die Antibabypille. Heute, 65 Jahre später, ist sie immer noch das meistgenutzte hormonelle Verhütungsmittel – und ein Symbol für die Selbstbestimmung von Frauen. Anlässlich des Jahrestages hat #NDRfragt, das Meinungsbarometer für den Norden, mehr als 15.900 Norddeutsche zu ihren Erfahrungen, Meinungen und Erwartungen rund um die Pille und andere Verhütungsmethoden befragt. Die Ergebnisse zeigen, wie wichtig Sicherheit, Verträglichkeit und die gerechte Verteilung von Verantwortung heute sind – und welche Rolle die Pille für den Mann künftig spielen könnte.
Über diese Umfrage
An der nicht repräsentativen, aber gewichteten #NDRfragt-Umfrage haben 15.927 Menschen aus Norddeutschland teilgenommen. Alle Ergebnisse der Umfrage können Sie hier nachlesen.
Antibabypille und Kondom: Die beliebtesten Verhütungsmethoden im Norden
Die Umfrage zeigt deutlich: Die Antibabypille wird von 26 Prozent der Befragten bevorzugt, knapp gefolgt vom Kondom mit 25 Prozent. Für die Mehrheit sind Sicherheit und Zuverlässigkeit die entscheidenden Kriterien bei der Wahl einer Verhütungsmethode. Geschlechtsspezifische Unterschiede zeigen sich bei den weiteren Prioritäten: Männer achten neben der Sicherheit besonders auf den Wunsch der Partnerin oder des Partners, während Frauen Wert auf eine gute Verträglichkeit legen.
Positive Auswirkungen der Pille? Generationenunterschiede sichtbar
71 Prozent der Befragten finden, dass die Antibabypille insgesamt positive Auswirkungen auf Frauen hatte. Besonders ältere Befragte ab 30 Jahren sehen dies überwiegend so. Unter den Jüngeren zwischen 16 und 29 Jahren bewerten jedoch 30 Prozent die Folgen als überwiegend negativ, während bei den Älteren nur 18 Prozent so denken. Für #NDRfragt-Mitglied Stefanie, 73 Jahre alt und aus Hamburg, war die Pille ein großer Durchbruch für ihre Selbstbestimmung als Frau: „Ich wollte die Verantwortung, ob es zu einer Schwangerschaft kommen könnte, niemandem anderen überlassen. Dadurch, dass ich die Pille selbst nahm, fühlte ich mich sicherer und war nicht von der Verlässlichkeit eines Mannes abhängig.“
71 Prozent kritisieren ungleich verteilte Geschlechterlast
Eine deutliche Mehrheit von 71 Prozent empfindet es als nicht fair, dass die meisten gängigen Verhütungsmethoden von Frauen angewendet werden. Nur ein Viertel der Befragten hält diese Verteilung für gerecht. #NDRfragt-Mitglied Katharina, 39 und aus Hamburg, findet: „Es ist bemerkenswert, dass die Pille für den Mann nicht weiterentwickelt wird aufgrund unzumutbarer Nebenwirkungen, die aber für die Frau als zumutbar gesehen werden. Es scheint sich bei einigen Männern die Erkenntnis durchzusetzen, dass Verhütung nicht nur Frauensache ist. Die Pille ist ein Segen für die Emanzipation der Frau, aber es gibt noch viele offene Fragen und viel zu wenig Forschung.“
Pille für den Mann: Große Zustimmung, besonders bei älteren Männern
Die Umfrage zeigt zudem, dass 84 Prozent der Befragten die Zulassung einer „Pille für den Mann“ befürworten. Unter den männlichen Teilnehmern können sich 59 Prozent vorstellen, dieses Präparat künftig zu nutzen. Bemerkenswert ist, dass junge Männer zwischen 16 und 29 Jahren die Pille für den Mann mit 43 Prozent häufiger ablehnen als ältere Männer über 30, von denen nur 24 Prozent dagegen sind.
Das 24-jährige #NDRfragt-Mitglied Hinnerk aus dem Emsland kommentiert: „Eine gute Idee, aber genauso wie die ‚Pille für die Frau‘, könnte dieses Präparat unerwünschte Nebenwirkungen haben. Verhütungsmittel sollten bedenkenlos genutzt werden können, unabhängig vom Geschlecht.“ #NDRfragt-Mitglied Heinrich, 76 und aus Nordfriesland, ergänzt: „Wer Gleichberechtigung und Emanzipation ernst nimmt, kommt an einer Pille für den Mann nicht vorbei.“
Antibabypille wirksamer als Kondome, hat aber auch Nebenwirkungen
Die Antibabypille gilt als eines der zuverlässigsten Verhütungsmittel. Ihr Pearl-Index liegt bei 0,1 bis 0,9 bei korrekter Einnahme. Das bedeutet: Statistisch werden nur eine bis neun von 1.000 Frauen, die die Pille nehmen, schwanger. Beim Kondom sind es 20 bis 120. Seit ihrer Einführung in den USA 1960 und in Deutschland 1961 hat die Pille die Kontrolle über die eigene Fruchtbarkeit erstmals in die Hände der Frauen gelegt. Vielen gilt sie als Meilenstein für die Emanzipation, denn – so die Argumentation – sie ermöglicht Selbstbestimmung und trägt zur Gleichberechtigung in Partnerschaften bei. Gleichzeitig rückt die Forschung zu Nebenwirkungen wie Thromboserisiko, Stimmungsschwankungen oder Libidoveränderungen stärker in den Fokus.
Symbol der Freiheit für die Älteren, mehr Skepsis bei den Jungen
Die Ergebnisse von #NDRfragt zeigen: Die Antibabypille bleibt für viele ein Symbol für Freiheit und Selbstbestimmung. Jüngere Generationen stellen ihre Nutzung jedoch kritischer infrage. Sicherheit ist nach wie vor das wichtigste Auswahlkriterium, doch die Verantwortung für Verhütung soll künftig gerechter zwischen Frauen und Männern verteilt werden. Die Einführung einer Pille für den Mann könnte ein wichtiger Schritt in diese Richtung sein.
Mitarbeit
Umfrageerstellung: Ingo Eggert und Nora Köhler
Datenanalyse: Lisa Richter
Community-Management: Tabea Hallmann
Über diese Befragung
Die Antworten stammen aus der Umfrage „65 Jahre Antibabypille“, an der sich 15.927 Norddeutsche beteiligt haben.
Für die Ergebnisse wurden Antworten ausgewertet, die von 13. bis 14. August 2025 bis 6 Uhr abgegeben wurden. An den Umfragen von #NDRfragt nehmen Menschen aus Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen teil. Die Umfragen werden online ausgefüllt.
Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings nach den statistischen Merkmalen Alter, Geschlecht, Bundesland, Schulabschluss und Familienstand gewichtet. Das heißt: Antworten von Bevölkerungsgruppen, die unter den Befragten seltener vertreten sind als in der norddeutschen Bevölkerung, fließen stärker gewichtet in die Umfrage-Ergebnisse ein. Und die Antworten von in der Befragung überrepräsentierten Gruppen werden schwächer gewichtet. Insgesamt verteilen sich die Antworten dann am Ende eher so, wie es der tatsächlichen Verteilung der Bevölkerungsgruppen in Norddeutschland entspricht.
#NDRfragt ist das Meinungsbarometer für den Norden. Mittlerweile haben sich mehr als 57.000 Norddeutsche für die Community angemeldet. Wer noch nicht dabei ist, aber mitmachen will, kann sich hier registrieren und wird zu den Umfragen per E-Mail eingeladen. Mitglied kann werden, wer in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg oder Bremen wohnt und mindestens 16 Jahre alt ist.
2008 startete eine WHO-Studie zur hormonellen Verhütung für Männer. Warum gibt es bis heute keine Pille für sie?
Die Pille gehört zu den sichersten Verhütungsmitteln. Wie wirkt sie und und welche Nebenwirkungen können auftreten?
Die neuesten Generationen der Pille können starke Nebenwirkungen haben. Es gibt Alternativen mit geringerem Risiko.
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