Es ist Fall Nummer elf, mit dem die Richter in die Details gehen. Was geschah beim Hausbesuch von Johannes M. bei einer 87-Jährigen? Verabreichte er ein tödliches Medikamenten-Gemisch und legte dann Feuer zur Vertuschung? Mehrere Polizeibeamte wurden am vierten Tag im Prozess wegen Mordes in 15 Fällen vor dem Berliner Landgericht befragt.

Am 11. Juni 2024 war M. bei einer 87-Jährigen. Es war sein erster Besuch bei ihr, sie hatte kurz zuvor auf eigenen Wunsch das Krankenhaus verlassen. Mit einer Lebenserwartung von einigen Wochen. Sie wolle zu Hause in Ruhe sterben, soll sie gesagt haben. Ein Bekannter half ihr. Frische Einkäufe fanden die Ermittler später – Avocado, Frischkäse und Schokolade.

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Gegen elf Uhr am Vormittag soll M. bei ihr angekommen sein. Etwa eine Stunde sei er geblieben. Um 12.44 Uhr wurde die Frau von Rettungskräften auf dem Boden liegend an der Schwelle zur Küchentür gefunden. Sie wurde reanimiert, verstarb jedoch etwa eine Stunde später in einem Krankenhaus.

Johannes M. war am Einsatzort. „Er kam auf mich zugelaufen“, schilderte eine 23-jährige Polizistin im Prozess. Er habe sich als Palliativarzt der schwer kranken Rentnerin vorgestellt – „er war aufgeregt“. Und er habe sehr erstaunt gewirkt über das Feuer. Er sei etwa 15 Minuten vor dem Brand noch bei ihr gewesen, soll er damals gesagt haben. Noch vor Ort sei er nach seinen Angaben gewesen, weil er das Gespräch mit der Patientin noch dokumentiert und telefoniert habe.

Die Polizei ging schnell von Brandstiftung aus. Zwei Ausgangspunkte wurden ermittelt, die Couch war durchgebrannt bis auf das Gestell, völlig zerstört auch der Bettschrank. Auf dem Herd eine Pfanne, darin etwas Verkohltes. Es gab keine Spuren für ein gewaltsames Eindringen in die Wohnung. „Es klang zunächst plausibel, dass es ein Feuer in suizidaler Absicht war“, sagte ein Ermittler im Prozess.

Nach aktiver Sterbehilfe gefragt?

Für diese These soll M. gegenüber Polizeibeamten weitere Argumente geliefert haben. Die Frau habe ihn nach aktiver Sterbehilfe gefragt, soll er behauptet haben. Sie habe über Einsamkeit geklagt, sei aber nicht verwirrt gewesen. Er habe ihr andere Möglichkeiten aufgezeigt – etwa ein Tageshospiz.

Und von einer Pfanne auf dem Herd mit einer Plastiktüte darin habe er berichtet – er habe der Frau noch abgeraten, soll er gegenüber einer Beamtin in einem Telefongespräch erklärt haben. Damals habe M. auch seine Doktorarbeit über Tötungsdelikte erwähnt. Die Beamtin sagte im Prozess, ihr seien später Zweifel gekommen.

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Im August 2024 wurde Johannes M. festgenommen. Er befindet sich seitdem in Untersuchungshaft. Der von Kollegen eines Pflegedienstes als „beliebt“ beschriebene M. soll sich zwischen September 2021 und Juli 2024 als „Herr über Leben und Tod“ geriert haben, so die Anklage. 15 Patienten, 25 bis 87 Jahre alt, soll er jeweils mit einem Medikamenten-Gemisch ermordet haben. Bei mehreren Taten habe er Feuer gelegt, um Spuren zu vertuschen. M. schweigt bislang zu den Vorwürfen. Der Prozess geht am Donnerstag weiter.