Der Pokal und seine eigenen Gesetze – die jährlichen Geschichten von David gegen Goliath in der ersten Runde des DFB-Pokals ziehen immer wieder die Fußball-Romantiker aus dem ganzen Land in ihren Bann. Mindestens eine faustdicke Überraschung hält der Pokal-Auftakt immer bereit – auf diese ungeschriebene Regel können sich die Anhänger im Normalfall verlassen.
Mehr oder weniger Verlass war in den vergangenen Jahren auch auf eine Gesetzmäßigkeit, die sich in erster Linie Trainer von Erst- und Zweitligisten zu eigen gemacht habe: Im DFB-Pokal steht die etatmäßige Nummer zwei zwischen den Pfosten. Davon profitierte in Homburg auch Holstein Kiels Timon Weiner.
Unglückliches Comeback für Holstein-Keeper Timon Weiner
Der 26-Jährige ging aus dem Torwart-Duell mit Jonas Krumrey während der Saisonvorbereitung als Verlierer hervor, nachdem er bereits in der Endphase der Vorsaison seinen Stammplatz an Thomas Dähne (jetzt 1860 München) verloren hatte. In Homburg erhielt Weiner nun die Chance, auf sich aufmerksam zu machen. In Stein gemeißelt, das verriet Coach Marcel Rapp bereits unmittelbar nach der Verkündung seiner neuen Nummer eins, sei die Entscheidung zwischen den Pfosten nämlich nicht: „Wenn Jonas [Krumrey] gut spielt, ist er die Nummer eins. Er kann auch mal einen Fehler machen, aber wenn einer fünf Wochen lang schlecht spielt, kommt er raus.“
Beim 2:0 der „Störche“ trug auch Weiner einen entscheidenden Anteil daran, dass die Kieler erstmals in dieser Saison ohne einen Gegentreffer blieben. Nach einer weitestgehend beschäftigungslosen ersten Halbzeit riskierte der 26-Jährige in der 63. Spielminute wortwörtlich Kopf und Kragen, um seine Kieler auf der Siegerstraße zu halten.
Vorzeitige Auswechslung nach Gesichtstreffer
Einen satten Spannschuss des Homburgers Miguel Goncalves aus knapp 20 Metern wehrte der Keeper unfreiwillig mit dem Gesicht ab. Schiedsrichter Assad Nouhoum unterbrach die Partie daraufhin umgehend und beorderte die medizinischen Betreuer aufs Feld, die sich um den sichtlich benommenen Keeper kümmerten.
„Ist der Verdacht auf eine Gehirnerschütterung nicht auszuräumen, nimmt der Spieler während der verbleibenden Spielzeit nicht mehr am Spiel teil.“
Auszug aus dem „Protokoll Kopfverletzungen“ des DFB
Rapp hätte nach diesem Volltreffer wohl ohnehin Vorsicht walten lassen und Weiner vom Feld geholt, die neuen Richtlinien des DFB und der DFL bei Kopfverletzungen nahmen dem Coach die Entscheidung in diesem Fall aber sogar ab. Dort ist die Handlungsanweisung klar definiert: „Ist der Verdacht auf eine Gehirnerschütterung nicht auszuräumen, nimmt der Spieler während der verbleibenden Spielzeit nicht mehr am Spiel teil.“
„Timon hat grundsätzlich ein gutes Spiel gemacht, das tut mir leid für ihn“, kommentierte Rapp den Vorfall. Der 26-Jährige habe nach dem Gesichtstreffer über Kopfschmerzen geklagt, insgesamt sei es aber „wohl nicht so schlimm“, teilte der Coach seine erste Einschätzung kurz nach der Partie mit. „Erstmal geht es jetzt darum, dass es Timon ganz schnell wieder gut geht“, richtete Kapitän Steven Skrzybski seine Genesungswünsche in Richtung seines Mannschaftskollegen.
Holstein Kiel gibt Update: So geht es Timon Weiner
Die erste Vermutung des Kieler Cheftrainers bestätigten auch die Untersuchungen am Sonntag und am Folgetag. Aktuell bestehe kein Verdacht auf eine Gehirnerschütterung und Weiner fühle sich einen Tag nach dem Kopftreffer wieder gut, teilte Holstein auf Anfrage von shz.de mit. Im Laufe des Nachmittags werden noch weitere Tests folgen. Sollten die Ärzte auch dort grünes Licht geben, wird der 26-Jährige bereits am Mittwoch wieder mit der Mannschaft trainieren können.
Weiner bis zum K.o. nahezu beschäftigungslos
Dass Weiner den Abschluss des Homburgers nur mit dem Gesicht abwehren konnte, lag zum einen an der Geschwindigkeit des Balles. Zum anderen könnte der Wirkungstreffer aber auch mit der tief stehenden Sonne zusammenhängen, mit der Kieler in den zweiten 45 Minuten zu kämpfen hatten. Auch Abwehrchef Carl Johansson thematisierte zuvor bereits die schwierigen Lichtverhältnisse nach dem Seitenwechsel.
Jonas Krumrey ersetzte seinen angeschlagenen Kontrahenten in der zweiten Halbzeit und hatte ebenso mit der tief stehenden Sonne zu kämpfen.
Foto: imago / Steinsiek.ch
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Besonders bitter aus Sicht von Weiner: Sein K.o. nach einer guten Stunde markierte den ersten gefährlichen Abschluss der Homburger in der gesamten Partie. Chancen, seine Klasse auf der Linie zu zeigen, erhielt der 26-Jährige zuvor kaum. Dafür war der Schlussmann primär als erster Aufbauspieler gefragt – mit mäßigem Erfolg. Insgesamt kamen 73 Prozent seiner Pässe bei einem Mitspieler an, die Quote bei langen Pässen lag sogar nur bei 40 Prozent.
Es sind Werte, die Rapp in seiner Torwart-Entscheidung bestätigen dürften. Der Cheftrainer begründete seine Wahl pro Krumrey auch mit dessen ausgeprägteren Fähigkeiten am Ball. Der 21-Jährige wird auch bei der kommenden Auswärtspartie in der 2. Bundesliga bei der SpVgg Greuther Fürth am Sonntag, 24. August, wieder das Kieler Gehäuse hüten. Weiner hingegen wird sich bis zu seiner nächsten Bewährungsprobe erstmal gedulden müssen: Die zweite Runde des DFB-Pokals steigt erst Ende Oktober. Zumindest seinen Brummschädel wird der Schlussmann bis dahin mit Sicherheit los sein.