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Reiseliteratur erlebt ein Comeback. Ein Däne bereist die Welt ohne Flugzeug – seine Abenteuer zeigen die Magie hinter den Geschichten.
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Ein dänischer Abenteurer bereiste über ein Jahrzehnt hinweg jedes Land der Erde – ohne jemals ein Flugzeug zu nutzen. Seine Geschichte verdeutlicht, warum Reiseliteratur in der digitalen Ära wieder an Relevanz gewinnt.
In einer Welt, in der jeder Ort nur einen Klick entfernt scheint, erlebt die Reiseliteratur eine bemerkenswerte Wiederbelebung. Während digitale Reiseführer und Instagram-Geschichten das Reisen scheinbar für alle zugänglich machen, suchen Menschen zunehmend nach gedruckten Reisebüchern, um tiefere Erzählungen, authentische Erlebnisse und die Magie des Unmöglichen zu entdecken.
Thor Pedersen „The Impossible Journey“: Darum geht‘s im BuchReiseliteratur feiert ein Comeback. Thor Pedersen erkundet die Welt in „The Impossible Journey“ ohne Flugzeug. Seine Abenteuer offenbaren die Magie hinter den Geschichten (Montage). © Selena Wright/Malik (Montage)
Warum greifen wir immer noch zu Reiseführern? Die Antwort liegt nicht nur in praktischen Informationen, sondern in der Sehnsucht nach Erzählungen, die über bloße Fakten hinausgehen. Reisebücher bieten das, was kein GPS und keine App vermitteln können: die emotionale Landkarte eines Ortes, die persönlichen Erlebnisse eines Autors und die Möglichkeit, schon vor der eigentlichen Reise in fremde Welten einzutauchen.
In einer hypervernetzten Welt wird das physische Buch zum Gegenpol der digitalen Reizüberflutung. Es lädt zum langsamen Lesen ein, zum Träumen und Planen – ohne Ablenkungen und ohne die Versuchung, ständig zwischen verschiedenen Quellen zu wechseln.
Wenn Träume zu Rekorden werden: Die Geschichte von Thor Pedersen
Ein herausragendes Beispiel für die neue Generation der Reiseliteratur ist Torbjørn „Thor“ Pedersen. Seine Geschichte zeigt, wie aus einem scheinbar unerreichbaren Traum eine faszinierende Erzählung wird. Der 46-jährige Däne hat etwas erreicht, das vor ihm niemand wagte: Er bereiste jedes Land der Welt, ohne jemals ein Flugzeug zu betreten.
Thor Pedersen „The Impossible Journey“
► Übersetzt von Ulrike Frey und Monika Keipert
► 2025 Malik, ISBN-13 978-3-89029-615-9
► Preis: 18 €, 336 Seiten
Der Beginn der unmöglichen Reise
Am 10. Oktober 2013 verließ Pedersen Dänemark mit einem ehrgeizigen Ziel: Innerhalb von vier Jahren wollte er alle 203 Länder der Welt besuchen – ausschließlich zu Land und zu Wasser. Was als logistisch durchdachtes Projekt begann, entwickelte sich zu einer zehnjährigen Odyssee, die ihn durch 3.576 Reisetage, 148 Zugfahrten, 351 Busfahrten und 379 Reisen mit Containerschiffen führte.
Thor ist 34, als er sich auf seine größte Reise begibt. Das Ziel: als erster Mensch jedes Land der Welt bereisen und das alles, ohne ein einziges Flugzeug zu nutzen. Um das in etwa vier Jahren zu schaffen, arbeitet er einen logistisch nahezu perfekten Plan aus. Doch dieser bezieht weder Visaprobleme noch Stürme, korrupte Grenzbeamte, Krankheit und nicht zuletzt die Covid-Pandemie ein. Hartnäckig kämpft sich Thor durch alle Widrigkeiten und lernt dabei, dass es einfacher ist, Umstände zu akzeptieren und sich ihnen anzupassen, als gegen sie anzukämpfen.
Seine selbst auferlegten Regeln waren streng: mindestens 24 Stunden Aufenthalt pro Land, maximal 20 Dollar Ausgaben pro Tag und ein absolutes Flugverbot. Was zunächst wie eine sportliche Herausforderung klang, wurde zu einer existenziellen Erfahrung.
„The Impossible Journey“: Zwischen Lebensgefahr und Lebensfreude
Pedersens Reise war alles andere als romantisch. In Kamerun bedrohten ihn betrunkene Soldaten mit ihren Waffen. „Ich war mir sicher, dass ich sterben muss“, beschreibt er diesen Moment in seinem Buch „The Impossible Journey“. Visaprobleme, korrupte Grenzbeamte, Krankheiten und schließlich die Corona-Pandemie, die ihn zwei Jahre in Hongkong festhielt, verwandelten das geplante Vierjahresprojekt in ein Jahrzehnt des Durchhaltens.
Doch trotz der Strapazen entdeckte Pedersen auch die Schönheit des Reisens: die Gastfreundschaft der Menschen, atemberaubende Naturerlebnisse und Momente tiefer Freude – wie die Nordlichter vor der kanadischen Küste oder den Humor der Menschen in Nigeria, wo er „den meisten Spaß“ hatte.
Buchtipps für den UrlaubBuchtipps für den Urlaub: Zehn Lesetipps als PDF herunterladen © Montage
Die Psychologie des modernen Entdeckers
Was trieb Pedersen an? Seine Antwort ist überraschend ehrlich: „Ich wollte, dass mein Name in die Geschichte eingeht“, in einem Interview mit Spiegel.de. Der selbsternannte moderne Entdecker sieht sich in der Tradition von Alexander von Humboldt – nur 200 Jahre zu spät geboren. Seine Motivation entsprang dem Wunsch, etwas zu erreichen, was niemand vor ihm geschafft hatte, und der Sehnsucht nach Aufmerksamkeit und Anerkennung. Diese Ehrlichkeit macht sein Buch besonders wertvoll: Es zeigt nicht nur die äußere Reise durch 203 Länder, sondern auch die innere Reise eines Menschen, der zwischen Größenwahn und Verletzlichkeit navigiert.
Pedersens Geschichte steht exemplarisch für einen Trend in der modernen Reiseliteratur: weg von der geschönten Darstellung, hin zur ungefilterten Wahrheit. Sein Buch zeigt die dunklen Seiten des Reisens – die Einsamkeit, die Angst, die Zweifel. Es erzählt von einer Fernbeziehung, die zehn Jahre überdauerte, von einer Partnerin, die 27 Mal zu ihm flog, während er selbst nie fliegen durfte.
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Mehr als nur ein Reisebericht
„The Impossible Journey“ ist mehr als ein Reisebericht – es ist ein Dokument menschlicher Obsession und Durchhaltevermögens. Pedersen beschreibt seine Reise als Kartenhaus, das jederzeit einstürzen konnte: „Und am Ende zittern die Hände.“ Die ständige Angst vor Abschiebung, die ihn zu einer Flugreise gezwungen hätte, oder vor familiären Notfällen, die ihn vor die Wahl zwischen Rekord und Familie gestellt hätten.
Pedersens Erfolg – und gleichzeitig seine Enttäuschung über die bisher ausgebliebene große Resonanz – zeigt die Herausforderungen der modernen Reiseliteratur auf. In einer Zeit der Aufmerksamkeitsökonomie konkurrieren auch die außergewöhnlichsten Geschichten um Gehör.
Doch gerade deshalb ist die Renaissance der Reiseliteratur so bedeutsam: Sie bietet Raum für die großen Erzählungen, für die Geschichten, die Zeit brauchen, um sich zu entfalten. Sie lädt ein zum langsamen Lesen, zum Mitreisen im Kopf und zum Träumen von eigenen unmöglichen Reisen.
Das sind die zehn wichtigsten Bücher des 21. Jahrhunderts – laut New York TimesFotostrecke ansehen„The Impossible Journey“: Das Erbe der Entdecker
Heute, zurück in Dänemark mit Frau und neugeborener Tochter, plant Pedersen bereits neue Abenteuer: eine Motorradreise nach Hongkong oder eine Kamelkarawane von Libyen in den Sudan. Der moderne Entdecker kann nicht stillstehen – und seine Leser reisen in Gedanken mit.
Seine Geschichte zeigt: In einer Welt, die vollständig kartografiert scheint, gibt es immer noch Raum für neue Wege, neue Geschichten und neue Träume. Die Reiseliteratur lebt – und mit ihr die Sehnsucht nach dem Unmöglichen, das plötzlich möglich wird, wenn jemand den Mut hat, den ersten Schritt zu tun. Eine Ode ans langsame Verreisen ist auch Titus Müller mit „Einsteigen“ gelungen.