Analyse | Herthas Pokalsieg in Münster

Sehr wenig Licht, sehr viel Schatten

Di 19.08.25 | 06:20 Uhr | Von Ilja Behnisch

Jubel bei Hertha BSC (imago images/Ralf Brueck)Bild: imago images/Ralf Brueck

Fußball kurios: Hertha BSC gewinnt im Elfmeterschießen ein Pokalspiel, das die Mannschaft deutlich verlieren hätte müssen. Allein wegen einer desolaten ersten Halbzeit. Viel mehr gute Nachrichten gibt es für die Fans der Hertha kaum. Von Ilja Behnisch

Fußball ist ein Sport, bei dem vor allem das Ergebnis zählt. Selbst dann, wenn es auf geradezu groteske Weise verschleiert, wie zuvor auf dem Platz gespielt wurde. 5:3 hat Hertha BSC am Montag Preußen Münster in der ersten Runde des DFB-Pokals geschlagen. Die Entscheidung kam im Elfmeterschießen und spiegelt die tatsächliche Leistung der Berliner kaum wieder. Es war eine Spiel mit enormen Gesprächswert – aus fast ausschließlich negativen Gründen.


Ein absurder Halbzeitstand

Rein formell war es ja das einzige Zweitliga-Duell dieser ersten Runde. Ein Duell auf Augenhöhe also. Auf der einen Seite der Gastgeber aus Münster, in der vorigen Saison erst aufgestiegen und am Ende nur knapp nicht sofort wieder abgestiegen. Auf der anderen Seite die Gäste aus Berlin, die zuletzt geradezu kunstvoll den Aufstieg in die Bundesliga vergeigt hatten. Ein Vorhaben, das für die neue Spielzeit auf die Agenda gesetzt wurde.

Doch für mindestens 80 Minuten des Spiels war von einer Begegnung auf Augenhöhe nichts zu sehen. Münster war in – Verzeihung für den Gefühlsausbruch – ALLEN Feldspieler-Belangen überlegen. Oder genauer: Hertha war in ALLEN Feldspieler-Belangen unterlegen.

Nur in einer Hinsicht waren die Preußen wirklich schwach. Zu ihrem Leidwesen war das die schlechte Chancenverwertung. Die Westfalen konnten ihre vielen Möglichkeiten nicht in Tore übersetzen. Wieder und wieder scheiterten sie an Herthas einzigem Spieler, der eine wirklich gute Leistung zeigte: Torwart Tjark Ernst hat maßgeblich zum wahrscheinlich absurdesten 0:0-Halbzeitstand der jüngeren, deutschen Fußballgeschichte beigetragen.


Lichte Momente in dunklen Stunden

Die Top-3-Notizen aus dem aus Hertha-Protokoll des Grauens:

1.) Marten Winkler spielte in den ersten sieben Minuten exakt zwei Pässe. Beide völlig unbedrängt. Beide nicht einmal in die Nähe eines Mitspielers, sondern direkt in die Beine eines Gegners.

2.) Nach 14 gespielten Minuten wies die Statistik 23 Prozent Ballbezsitz für die Berlin aus. Ein geradezu überraschend hoher Wert. Angesichts der gezeigten Leistung wäre auch eine Ballbesitzquote von fünf Prozent nicht überraschend gewesen.

3.) Ballkontakte von Jon Dagur Thorsteinsson nach 24 Minuten: drei. Trainer Stefan Leitl hatte den Isländer vor allem wegen einer fabelhaften Trainigsleistung in die Startelf geholt. Was nach dem Spiel gegen Münster die Frage aufwirft: Wie stark war die Konkurrenz um diese Position im Training wirklich?

Doch selbst in dunklen Stunden finden sich ja häufig lichte Momente. Die Anbindung von Sturm-Neuzugang Dawid Kownacki an das Spiel der Hertha hat noch Luft nach oben, weit wie der Himmel über Berlin. Aber immerhin gelang dem Polen in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit sein erster Torschuss – in drei Spielen. Vielmehr beeindruckte Kownacki durch nahtlose Beschwerden über angebliches Fehlverhalten seiner Mitspieler, sobald er einen seiner zahlreichen Fehlpässe abgesetzt hatte.

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Die eingewechselten Spieler überzeugen

Auch die Grätschen von Sechser Kevin Sessa waren schön anzusehen. Schade nur für seine Mitspieler, dass sie so gut wie nie ertragreich waren. Im Gegenteil: Immer wieder hinterließen seine Einzelgänger-Balljagden riesige Löcher vor der Abwehr. Was wiederholt dazu führte, dass Herthas Innenverteidiger aus ihrer Kette rücken und in direkte Duelle gehen mussten. Selten ging das gut aus. Oder im Fall von Marton Dardai: quasi nie.

Nun will man die Spieler nicht zu sehr schelten, es ist doch nur Fußball. Und doch könnten Spötter also meinen, die Mängelliste der Hertha an diesem Abend sei schnell aufgestellt. Weil sie deckungsgleich war mit der Startaufstellung. Und immerhin erwiesen sich die eingewechselten Spieler – insbesondere Leon Jensen, Niklas Kolbe und mit Abstrichen auch Maurice Krattenmacher – als erhebliche Verbesserung.


„Zusammen träumen, gemeinsam siegen“

Und es gab noch mehr Gründe, um nicht zu sorgenvoll in die Hertha-Zukunft zu blicken. Einsatz von Beginn an, lässt sich der Mannschaft nicht absprechen. (Was die Leistung der ersten Halbzeit umso dramatischer erscheinen ließ.) Zudem war die Leistungssteigerung im Laufe des Spiels unverkennbar.

Dominieren konnte Hertha das Spiel erst in der Verlängerung, als die Münsteraner von ihrem berherzten Spiel völlig ausgelaugt waren. „Zusammen träumen, gemeinsam siegen“, hatten sich viele Fans der Berliner eigens für dieses Spiel auf T-Shirts drucken lassen. Wahrscheinlich hätten sie sich einen anderen Weg zum Sieg erträumt. Glücklicherweise ist Fußball ein Ergebnissport – und nach der Realität dieses Siegs, bleibt der Traum von einer besseren Leistung.

Sendung: rbb24, 18.08.2025, 22 Uhr

Beitrag von Ilja Behnisch