Nach neuesten Berechnungen leben in Deutschland derzeit rund 1,84 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung. „Die Krankheit nimmt zu“, sagt Michaela Katz. Sie fügt an: „Je mehr wir einen guten Umgang lernen, desto leichter wird es für uns alle.“
Die 57-Jährige ist seit Juni Demenzbotschafterin für Tuttlingen, eine von 90 in ganz Baden-Württemberg. Ihre Aufgabe sieht sie darin, das Thema Demenz ins Gespräch zu bringen und durch Information und Begegnung zu einem offenen Umgang beizutragen. Sie will Ansprechpartnerin für Erkrankte und ihre Angehörigen sein. Auch ganz niederschwellig bei individuellen Problemen. „Zum Beispiel, wenn es jedes Mal eskaliert, wenn man für einen Arzttermin pünktlich sein muss und der Kranke sich dagegen sträubt“, sagt sie.
Wir sind dafür da, Demenz ins Gespräch zu bringen.
Michaela Katz
Wichtig ist ihr, dass Menschen mit Demenz selbstverständlich integriert werden, ohne den Blick nur auf ihre Defizite zu richten. „Sondern sich auf die positiven Dinge zu fokussieren und sich an Kleinigkeiten zu freuen.“ Dazu gehöre auch, das, was man früher gerne gemeinsam gemacht hat, nach wie vor zu versuchen. „Wer immer gerne auf den Dreifaltigkeitsberg gegangen ist, dem sollte man das auch mit der Krankheit ermöglichen“, nennt sie ein Beispiel. Dann eben mit dem Auto und nicht zu Fuß. Und für alles mehr Zeit einplanen.
Verheimlichen geht nicht lange gut
Katz sagt: „Das Verheimlichen und Verleugnen der Krankheit ist allenfalls ein kurzfristiger Lösungsansatz.“ Sie plädiert für einen offenen Umgang. Dabei weiß sie, dass vor allem Angehörige durch das Thema Demenz extrem belastet und unter Druck sind.
Allgemeine Tipps kann sie ihnen geben, wie die Akzeptanz des Kranken mit dem, was ihn gerade bewegt. Ebenso den Hinweis, dass es nichts bringe, mit einem Demenzkranken zu diskutieren oder ihm W-Fragen zu stellen. Warum hast Du das gemacht? Was soll das? „Denn darauf wissen diese Menschen keine Antwort.“
Ohne Hilfe wird es nicht gehen
Doch wer als Partner oder Kind 24 Stunden am Tag mit einem Menschen zusammenlebt, der Demenz hat, hat es alles andere als einfach. Dessen Tag-Nacht-Rhythmus kann verschoben sein, er kann aggressiv reagieren, weil er merkt, dass er nicht versteht, was vor sich geht. „Sich Hilfe holen“, ist da der Tipp der Demenzbotschafterin. So früh wie möglich.
Eine Tagesbetreuung für den Erkrankten könne eine Lösung sein – um sich dann Zeit für sich selbst nehmen. Für Friseur, Eis essen gehen, Freunde treffen. Auch Unterstützung im Haushalt und beim Einkaufen und Putzen könnte hilfreich sein. „Wir sind auch dazu da, um zu schauen, dass Menschen mit Pflegegrad-Einstufung all die Leistungen bekommen, die ihnen auch zustehen“, erklärt sie weiter.
Michaela Katz hat Krankenschwester gelernt und ihren Fachwirt im Sozial- und Gesundheitswesen gemacht. „Das Thema Demenz hatte während meiner Ausbildung gar keinen Platz“, sagt sie rückblickend. Durch familiäre Erfahrungen und ihren weiteren Berufsweg – zehn Jahre lang hat sie im Seniorenbüro der Stadt gearbeitet – hat sie sich weitergebildet, vielfach durch Angebot der Alzheimer-Gesellschaft Baden-Württemberg. Dort hat sie auch die Schulung zur Demenzbotschafterin gemacht.
Seit April hat sie die Hausleitung der „MeVita Residenz am Stadtgarten“ in Tuttlingen inne. 50 Appartements mit betreutem Wohnen, eine Pflege-WG sowie Pflege-Appartements und eine Tagesbetreuung, die auch Externe besuchen können, sind unter einem Dach vereint.
Woche der Demenz mit diesen Aktionen:
Folgende Aktionen plant der Arbeitskreis Demenz im Rahmen der Woche der Demenz unter dem Motto „Demenz – Mensch sein und bleiben“:
Am Freitag, 19. September, gibt es eine gemeinsame Präsentation des Arbeitskreises Demenz auf dem Tuttlinger Marktplatz, von 8 bis 12 Uhr.
Am Samstag, 20. September, im Rahmen der Tuttlinger NachtKultour um 20 Uhr, 21 Uhr und 22.00 Uhr: Jeweils 25 Minuten im Haus der Senioren, Honbergstraße 10 in Tuttlingen. Programm: „Heiter und traurig“ – Gedichte und Texte zur Vergesslichkeit: Verschiedene Gedichte und kurze Texte, nachdenklich, auch traurig und heiter zum Thema Vergesslichkeit werden vorgetragen von den Mitarbeiterinnen des Arbeitskreises Demenz.
In ihrer Rolle als Demenzbotschafterin sei sie grundsätzlich für alle ansprechbar, nicht nur für die Bewohner der Residenz am Stadtgarten. Sollten sie Anfragen überhandnehmen, kann sie an andere Stellen verweisen, zum Beispiel an den Arbeitskreis Demenz. Der setzt sich zusammen aus Vertretern verschiedener Leistungsanbieter der Kernstadt Tuttlingen und bietet niedrigschwellige Entlastungs- und Beratungsangebote an.
Jede Demenz-Erkrankung verläuft anders.
Michaela Katz
Katz sagt: „Jede Demenz-Erkrankung verläuft anders.“ Doch bei allen gelte gleichermaßen, dass sich der an Demenz Erkrankte verändere und dass die positive Vergangenheit so nicht mehr zurückkommen wird. Auch wenn es immer wieder gute Tage geben mag.