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Die Ratingagentur S&P hat die Kreditwürdigkeit der USA bestätigt – für Trump ein Erfolg seiner Zölle. Doch langfristig könnte sein Plan scheitern und die USA auf eine Schuldenkrise zusteuern.
Die Ratingagentur S&P hält die Kreditwürdigkeit der USA trotz steigender Schulden und wachsender Defizite stabil. Die Bonitätswächter bestätigten gestern Abend die zweitbeste Note „AA+“. Zur Begründung verwiesen sie explizit auf die von Präsident Donald Trump eingeführten Zölle. Diese spülten Milliarden in die Staatskasse und dürften die finanziellen Belastungen aus seinem jüngsten Steuer- und Ausgabengesetz, dem „One Big Beautiful Bill Act„, ausgleichen.
Experten warnen vor steigenden US-Schulden
So positiv diese Nachricht für Trump auch sein mag: Nicht alle Experten teilen die Einschätzung von S&P. So hatte die konkurrierende Ratingagentur Moody’s bereits im Mai die Bonität der USA unter Verweis auf die steigende Verschuldung herabgestuft.
Viele Ökonomen sehen in Trumps Wirtschaftspolitik weiterhin einen riskanten Balanceakt. Kurzfristig mag Trumps Politik die Staatsfinanzen der USA vielleicht stabilisieren – langfristig könnte er aber das Land in eine Schulden- und Finanzkrise treiben.
Trump setzt auf Zölle statt Sparen
Seit seiner Rückkehr ins Weiße Haus im Januar hat Trump einen globalen Handelsstreit begonnen: zehn Prozent Zoll auf alle Einfuhren, dazu je nach Land und Branche noch zahlreiche Sonderabgaben. Die Folge: Allein im Juli kletterten die Zolleinnahmen der USA um 21 Milliarden Dollar.
Allerdings schnellte im gleichen Monat das Haushaltsdefizit der Regierung um fast 20 Prozent auf 291 Milliarden Dollar empor. Die absolute Staatsverschuldung schwoll um rund 700 Milliarden Dollar an – so stark wie seit Jahren nicht mehr – und betrug damit Ende Juli 36,92 Billionen Dollar. Stand heute liegt sie laut der „US Debt Clock“ bereits bei rund 37,25 Billionen Dollar.
USA in Top Ten der Länder mit höchster Staatsverschuldung
Das von Trump als „One Big Beautiful Bill Act“ (OBBBA) gefeierte Steuer- und Ausgabengesetz dürfte die finanzielle Lage der USA in den kommenden Jahren dramatisch verschärfen. Nach Schätzungen des Congressional Budget Office kostet es 2,4 Billionen Dollar bis 2034. Für Trump ist das ein Konjunkturprogramm – für Kritiker ein finanzpolitisches Himmelfahrtskommando.
Zumal die Verschuldungsquote der USA in Relation zum Bruttoinlandsprodukt bereits heute über 123 Prozent beträgt. Das reicht aus, um im Ranking der Länder mit der höchsten Staatsverschuldung Platz zehn zu belegen.
Zum Vergleich: Im Jahr 2000 hatte die US-Schuldenquote noch bei 56,58 Prozent gelegen. Binnen 25 Jahren hat sie sich damit mehr als verdoppelt. Setzt sich dieser Trend fort, dann steuern die USA auf eine finanzielle Katastrophe zu.
Wehe, wenn die Schuldenquote über 200 Prozent steigt
Dem Penn Wharton Budget Model der Universität von Pennsylvania zufolge sollte die US-Schuldenquote nicht über 200 Prozent steigen. Ab diesem Punkt könnten nämlich weder Steuererhöhungen noch Ausgabenkürzungen eine Staatspleite noch verhindern. Das Zeitfenster für Korrekturen bezifferten die Forscher zum Zeitpunkt der Veröffentlichung 2023 auf 20 Jahre.
Das zeigt: Die hohe Staatsverschuldung der USA ist keineswegs allein Trumps Schuld. Bereits seine Vorgänger hatten mit ihrer Ausgabenpolitik die Quote immer weiter anschwellen lassen.
US-Haushaltsdefizit dürfte rasant anschwellen
Fakt ist aber auch: Durch Trumps OBBBA dürfte sich die Unterfinanzierung des Staatshaushalts in den kommenden Jahren rasant ausweiten. Höhere Zinskosten und die langfristige Beibehaltung einiger Steuererleichterungen werden das Haushaltsdefizit nach Schätzungen des Committee for a Responsible Federal Budget über zehn Jahre um 5,5 Billionen Dollar höher ausfallen lassen.
Bereits für das laufende Haushaltsjahr 2025 prognostiziert das Congressional Budget Office ein Defizit von 6,2 Prozent des BIP. Zum Vergleich: In Deutschland dürfte das Haushaltsdefizit im laufenden Jahr bei 2,7 Prozent liegen.
Schuldendienst wird für USA immer teurer
Kritisch wird es dem Penn Wharton Budget Model zufolge, wenn die Zinsen dauerhaft über dem Wirtschaftswachstum liegen. Dann könnten die Schulden „dynamisch instabil“ werden. Mit anderen Worten: In diesem Falle würde das Risiko einer Finanzkrise drastisch ansteigen.
Aktuell liegt die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen bei rund 4,3 Prozent. Zum Vergleich: Vor fünf Jahren waren es noch weniger als 1,0 Prozent gewesen. Für die USA wird es somit immer teurer, sich bei ihren Gläubigern an den Finanzmärkten Geld zu besorgen.
Bringt Trump das Fass zum Überlaufen?
Experten sind sich einig: Die hohe US-Staatsverschuldung ist sicherlich nicht allein Trumps Schuld. Doch der US-Präsident und seine Wirtschaftspolitik könnten der sprichwörtliche Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt – und die USA an den Rand einer Schulden- und Finanzkrise.
Kurzfristig mögen die Zolleinnahmen die Haushaltslage stützen; langfristig droht angesichts des „One Big Beautiful Bill Act“ ein Teufelskreis aus steigenden Schulden, anziehenden Zinsen und sinkendem Vertrauen der Finanzmärkte. Noch halten die Anleger den USA die Treue, auch weil es schlicht keinen vergleichbar großen und liquiden Markt für Staatsanleihen gibt. Doch die entscheidende Frage bleibt: Wie lange noch?
Auch Ratingagenturen können irren – siehe Finanzkrise
Wer nach Antworten sucht, der sollte sich auf das Urteil der Ratingagenturen jedenfalls nicht blind verlassen, das zeigt ein Blick in die Geschichtsbücher. So entzog S&P erst im Jahr 2011 – und damit mehr als drei Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise – den USA die Bestnote „AAA“. Dabei verrechneten sie sich bei ihren Projektionen mal eben um rund zwei Billionen Dollar.
Viele Ökonomen warfen den Bonitätswächtern damals vor, zu spät reagiert zu haben. S&P habe die Kreditwürdigkeit der USA lange geschönt, obwohl die hohe Verschuldung und das steigende Haushaltsdefizit angesichts von billionenschweren Bankenrettungen und Konjunkturprogrammen schon vorher reichlich Anlass geboten hätten, die Note zu senken.