Während deutsche Industriekonzerne Werksschließungen ankündigen und Tausende Jobs gefährdet sind, wächst eine Branche unbeirrt: Software und IT-Sicherheit. In den Großraumbüros surren die Klimaanlagen und Notebooks laufen im Dauerbetrieb – die Belegschaft vieler Firmen sucht händeringend Verstärkung.

Hier entstehen neue Arbeitsplätze, die Umsätze erreichen Rekorde, die Nachfrage sprengt Prognosen. Die alten Hoffnungsträger der deutschen Wirtschaft verlieren ihre Zugkraft — doch ausgerechnet ein Sektor schöpft daraus Kraft. Das Wachstum findet vor allem in der Software- und IT-Sicherheitsbranche statt. Und jetzt auch dank US-Präsident Donald Trump.

Firmen wollen unabhängiger von US-Software sein – Staffbase aus Chemnitz profitiert

Deutsche Softwarehersteller erleben derzeit einen regelrechten Boom, befeuert von geopolitischen Turbulenzen und beispiellosen Nachfrageschüben, berichtete das Handelsblatt am Dienstag. Ein überraschender Treiber: die US-Präsidentschaft von Donald Trump. Unternehmen wie die Berliner Heinlein-Gruppe berichten von Rekordanfragen seit dem politischen Machtwechsel in Washington.

Gerade Geschäftskunden durchbrechen bisherige Muster und suchen nach digitalen Alternativen „made in Germany“, um ihre Technologien unabhängiger von den USA aufzustellen. Hintergründe: Die Kunden sorgen sich zunehmend um digitale Souveränität und Datensicherheit – vor allem, da Technologie und Cloud-Dienste als geopolitisches Druckmittel der US-Regierung betrachtet würden.

Martin Böhringer, CEO und einer der drei Gründer des sächsischen Software-Unternehmens Staffbase, steht am Firmensitz in Chemnitz.

Martin Böhringer, CEO und einer der drei Gründer des sächsischen Software-Unternehmens Staffbase, steht am Firmensitz in Chemnitz.Jan Woiters / dpa

Auch Staffbase, ein Milliarden-Start-up aus Chemnitz, ist seit 2016 in den USA vertreten. Zusammen mit der DACH-Region wird in Nordamerika der stärkste Umsatz generiert, sagt Gründer und Geschäftsführer Martin Böhringer auf Anfrage der Berliner Zeitung. „Staffbase wächst in den USA derzeit stark. Das ist ein klares Signal dafür, dass auch europäische Softwareanbieter in Nordamerika erfolgreich sein können. Bisher war es ja meistens umgekehrt.“

Deutschland bei IT und Software noch auf USA angewiesen

Aktuell ist die deutsche Wirtschaft aber auf Technologie aus den USA angewiesen. Nach einer Bitkom-Umfrage sehen sich 81 Prozent der Unternehmen abhängig vom Import digitaler Technologien und Leistungen aus den USA. Insgesamt importieren 87 Prozent digitale Geräte und Services aus den Vereinigten Staaten, 60 Prozent exportieren digitale Güter und Dienstleistungen dorthin.

Kurzfristig könnten Deutschland und Europa noch nicht auf die Nutzung von ausländischen IT-Diensten und -Produkten verzichten. Sonst wäre das Funktionieren von Verwaltungen und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft gefährdet, teilt Felix Kuhlenkamp, Leiter Sicherheitspolitik beim Digitalverband Bitkom, auf Anfrage mit. Wichtig sei dennoch, die notwendigen Schritte einzuleiten, um sich von einseitigen Abhängigkeiten zu befreien und digital souveräner zu werden.

„Das bedeutet unter anderem, dass Deutschland und Europa stärker in digitale Schlüsseltechnologien wie Cloud Computing und Künstliche Intelligenz, aber auch in Cybersicherheits-Lösungen investieren müssen“ – eine Position, die von 92 Prozent der Unternehmen in Deutschland geteilt würde. Die Umsetzung im Markt sei keine Selbstläufer. Unternehmen würden von deutschen oder europäischen Lösungen denselben Leistungsumfang, Komfort und Preis erwarten wie von den US-Angeboten.

Experten: Deutscher Software-Markt soll bis 2030 um jährlich zehn Prozent wachsen

Der deutsche Markt wächst. Vor allem die Cybersecurity-Branche zeigt eine eindrucksvolle Dynamik: Seit Jahren expandiert das Geschäft mit digitalen Sicherheitslösungen in Deutschland kontinuierlich und liefert massive Wachstumszahlen. Für das laufende Jahr 2025 schätzen Marktbeobachter die Umsätze mit Produkten und Dienstleistungen der IT-Sicherheit auf Werte zwischen sieben und 14 Milliarden Euro, abhängig von der Quelle (Grand View Research, Mordor Intelligence).

Besonders stark zulegen dürften laut Prognosen Bereiche wie Sicherheitsdienste für den Mittelstand, Cloud- oder IT-Sicherheit im Logistiksektor. Selbst konservative Schätzungen gehen bis 2030 von jährlichen Wachstumsraten zwischen fünf und sechs Prozent aus, optimistische sogar von über zehn Prozent. Der Trend zu „Software made in Germany“ würde durch Trumps restriktive Digitalpolitik und die Unsicherheiten in den transatlantischen Beziehungen erheblich verstärkt, werden mehrere IT-Firmen in dem Handelsblatt-Bericht zitiert.

Donald Trump ist für deutsche IT-Firmen der „beste Vertriebler“

Die Nachfrage ist so hoch, dass einige Anbieter wie Heinlein über ausgelastete Support-Teams klagen – der Firmenchef scherzt, Donald Trump sei „ihr bester Vertriebler“. Gleichzeitig investieren US-Firmen wie Exasol nach eigenen Angaben gezielt in Partnerschaften mit europäischen Cloud-Betreibern, um ihre Unabhängigkeit zu stärken.

Ob der Boom von Dauer ist, bleibt offen. Klar ist aber schon jetzt: Während viele Branchen derzeit mit Rückgang und Restrukturierungen zu kämpfen haben, gelingt es der deutschen Cybersecurity- und Softwarewirtschaft scheinbar, gegenzusteuern.

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