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Recherchen zeigen: Die deutsche Polizei arbeitet teils unter katastrophalen Bedingungen. Die Gewerkschaft der Polizei schlägt deshalb Alarm. Aber wie ist die Lage in Hamburg?
Alles marode und abgerockt bei der deutschen Polizei? Nach Ansicht von Chef-Gewerkschafter Hagen Husgen ist die Lage auf deutschen Wachen katastrophal: Schimmel, Ungeziefer, baufällige Decken, durch die es hereinregnet. Zustände, die die Arbeit nicht nur erschweren, sondern auch krank machten. Doch da höre es noch lange nicht auf, so Husgen, Bundesvorstand der Gewerkschaft der Polizei (GdP), im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. Auch viele Dienstfahrzeuge hätten ihre besten Tage hinter sich: „Beschämend“ sei es, so Husgen, „absolut peinlich für die Polizei, in solchen Autos unterwegs zu sein“.
Die Davidwache auf der Hamburger Reeperbahn ist wohl die berühmteste Wache Deutschlands. Auch in der Hansestadt hat die Polizei Probleme, aber nicht so gravierende wie andernorts. © IMAGO
Laut dem GdP-Chef sind der Investitionsstau und die dramatische Mangellage bei der Polizei flächendeckende Probleme. Aber wie ist es eigentlich in Hamburg – der Stadt, deren beeindruckende Ausstattung spätestens seit den Bildern vom G-20-Gipfel im Jahr 2017 oder durch die Sicherung der meist aufgeheizten Fußball-Stadt-Derbys zwischen dem HSV und St. Pauli einem breiten Publikum bekannt sein dürfte? Fährt man auch in der Hansestadt in Autos mit abgebrochenen Schaltknüppeln und klaffenden Rissen in den Sitzen herum, wie es Husgen aus anderen Teilen des Landes schilderte?
Polizei Hamburg: „Vorwürfe sind überhaupt nicht auf uns übertragbar“
Mitnichten, sagt die Hamburger Polizei auf Nachfrage, und führt äußerst knapp aus, „dass die gemachten Vorwürfe überhaupt nicht auf die Polizei Hamburg übertragbar“ seien. Mehr will man dazu nicht sagen und verweist auf den GdP-Landesverband. Deren Vorsitzender Horst Niens wird im Gespräch mit dieser Redaktion etwas konkreter: „Klar haben auch wir Probleme, aber an sich ist die Situation hier gut. Das ist Meckern auf hohem Niveau bei uns“, sagt der Gewerkschafter. „Bei uns geht es in Sachen Fuhrpark eher um Fragen wie: Kaufen wir Hybrid-Wagen für die Flotte oder gleich E-Autos? Also im Vergleich zu anderen Ländern sind das Luxusprobleme.“
Auch das Gros der Polizeidirektionen in der Elbmetropole sei in gutem und modernem Zustand. Eine neue „High-Tech“-Einsatzzentrale in Winterhude soll noch dieses Jahr fertiggestellt werden. Doch an einzelnen Gebäuden gäbe es auch in Hamburg Probleme – und die seien dann gleich so erheblich, dass der gestandene Polizist mit 40 Jahren im Streifendienst doch noch ein wenig in Rage kommt: „Das ist teilweise menschenunwürdig, wie die Kolleginnen und Kollegen in manchen Dienststellen arbeiten müssen“, sagt er.
Nur Luxusprobleme in Hamburg? Laut Polizeigewerkschaft teils „menschenunwürdige Zustände“
Als Beispiel nennt er das Polizeikommissariat Harburg. Dort sei es in manchen Bereichen nicht möglich, die Fenster zu öffnen, weil aus Sicherheitsgründen Metall-Lamellen davor angebracht seien. Eine Lüftung oder Klimaanlage gebe es nicht – „Sparmaßnahmen“. „Das betrifft die Kollegen im Schichtdienst, die dort ihre Berichte schreiben müssen, wenn sie vom Einsatz kommen. Das ist schon sehr problematisch mit der Hitze in den Sommermonaten, unzumutbar eigentlich. Und in anderen Dienststellen ist es ähnlich, die heizen sich auch so extrem auf.“ Vor allem die Altbauten im Hamburger Polizei-Bestand seien ein Problem.
Schimmel und Ungeziefer: Exklusive Bilder zeigen katastrophale Zustände bei der Polizei
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Besonders schlimm sei es aber in der Polizeikaserne der Bereitschaftspolizei in Alsterdorf: Wassereintritt und Ungeziefer seien auch dort ein echtes Problem. „Da sind unsere Spezialeinheiten samt Ausrüstung untergebracht. Ich weiß, das ist eine uralte, denkmalgeschützte Kaserne, eine Modernisierung ist schwierig.“ Immer wieder würde gesagt, dass man etwas tun wolle, aber es passiere einfach nichts. „Das betrifft ja nicht nur die Polizistinnen und Polizisten, sondern auch die Menschen vor Ort in der Logistik und so weiter – die leiden auch darunter und müssen das acht Stunden am Tag aushalten.“
Motivierend sei das nicht. Kein Wunder, dass die Polizei Nachwuchssorgen plagen, findet Niens. „Vor allem, weil die Bundeswehr aktuell massiv für sich als Arbeitgeber wirbt. Und auch die Bundespolizei ist im Vergleich lukrativer. Da muss Hamburg mal agieren.“ Dabei sei Polizist zu sein für ihn mehr als ein bloßer Beruf. „Das klingt platt, aber es ist echte Berufung. Ich sag’ mal so: Der Schutzmann und der Feuerwehrmann – wir sind nicht ganz dicht. Wir gehen mit Sonderrechten dahin, wo jeder andere wegrennen würde.“
Unterstützung der Politik sei in Hamburg zwar da – doch Polizei-Gewerkschafter hat großen Wunsch
Die Rückendeckung von der Politik sei in Hamburg grundsätzlich da, betont Niens. Aber er würde sich wünschen, dass sie noch „einsatz-realistischer“ sei. Und noch einen Wunsch hat der Hauptkommissar a. D.: „Mehr Wertschätzung, aus der Gesellschaft, aber auch aus Teilen der Politik. Unser Job birgt so viele Gefahren. Wenn wir wegen einer Ruhestörung ausrücken oder ein Fahrzeug überprüfen, wissen wir im Grunde nie, auf wen wir treffen. Es kann immer alles passieren, sei es ein Angriff mit der Machete oder jemand zieht plötzlich eine Schusswaffe. Das sollten einige in der Politik mal bedenken, über wen sie eigentlich urteilen und reden.“
Wir wissen im Grunde nie, auf wen wir treffen.
Technische Hilfsmittel könnten helfen, für mehr Sicherheit zu sorgen, so Niens. „Es wäre zum Beispiel schön, wenn wir auf Streife noch mehr digitale Mittel nutzen könnten, beispielsweise eine synchron laufende Kennzeichen-Überprüfung via Kamera, wenn man einen Wagen zum Anhalten auffordert. Dann wüsste man zumindest schneller, wer da gleich womöglich aussteigt.“ Auch sei seiner Meinung nach die Ausstattung mit Body-Cams essenziell, um die Sicherheit zu erhöhen, auch für die Regionalkommissariate. Mehrere Bundesländer, darunter Bremen, rufen vor dem aktuellen Hintergrund um Hilfe und fordern mehr Unterstützung vom Bund bei der Finanzierung der Polizei.