Die Schlagzeilen nach dem jüngsten Verhandlungsmarathon zwischen US-Präsident Donald Trump, seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj und einer Reihe europäischer Spitzenpolitiker klangen zunächst nach Durchbruch: Sicherheitsgarantien für die Ukraine seien in Reichweite. Ist ein Friedensprozess mit Russland damit greifbarer? Zur Stunde schwierig zu erörtern. Jenseits der diplomatischen Rhetorik zeichnet sich jedenfalls eine bittere Realität ab: Egal ob Waffenstillstand oder Eskalation in der Ukraine, Europa und insbesondere Deutschland werden die finanzielle Hauptlast für die Sicherheitsgarantien tragen müssen.
So ließ der amerikanische Präsident kaum Zweifel daran, dass die USA nicht bereit sind, die Hauptlast der Sicherheitsgarantien für Kiew zu tragen. „Während des Treffens diskutierten wir über Sicherheitsgarantien für die Ukraine, die von verschiedenen europäischen Ländern in Abstimmung mit den Vereinigten Staaten von Amerika bereitgestellt werden sollen“, schrieb Trump in einem Beitrag auf seiner Plattform Truth Social. Washington werde also „helfen“ und „koordinieren“, Europa müsse jedoch den „größten Teil“ schultern. Mit anderen Worten: Während die Europäer für eine vermeintliche Sicherheit in der Ukraine sorgen sollen, werden die USA davon in erster Linie finanziell profitieren.
Ukraine: Welche Sicherheitsgarantien wird es für Selenskyj geben?
Die Kiewer Führung plant laut einem Bericht der Financial Times, sich nach einem möglichen Friedensschluss mit Russland durch den Erwerb amerikanischer Waffensysteme im Umfang von rund 100 Milliarden US-Dollar abzusichern. Die Finanzierung dieser gigantischen Summe soll weitgehend von den europäischen Partnern übernommen werden, schreibt die britische Tageszeitung unter Verweis auf ein internes Dokument. Zusätzlich sei ein Abkommen zwischen Washington und Kiew über Investitionen von 50 Milliarden Dollar in die gemeinsame Produktion von Drohnen mit ukrainischen Firmen vorgesehen. Big Deals für die Rüstungsbranche der USA.
Für Deutschland und Bundeskanzler Friedrich Merz bedeutet das: Milliardeninvestitionen in neue Waffensysteme, langfristige Finanzzusagen an die Ukraine und womöglich die Entsendung deutscher Soldaten im Rahmen multinationaler Missionen. Dabei steht die Bundeswehr schon jetzt, ganz unabhängig vom Ausgang der Ukraine-Verhandlungen, vor der größten Aufrüstungswelle seit dem Kalten Krieg.
Was die Sicherheitsgarantien für die Ukraine, Europa und auch für Russland konkret bedeuten, ist weiterhin unklar. Nachdem Trump auf einer Pressekonferenz nach den Gesprächen erklärte, dass Europa „einen großen Teil der Last“ tragen werde, verdichten sich die Zeichen, dass die sogenannte Koalition der Willigen, also Ukraine-Verbündete von Japan über das Baltikum bis nach Kanada, sich bereit erklären wird, den Friedensdeal mit Putin zu überwachen.
Laut einem Bericht des Wall Street Journal besteht das kolportierte Garantiepaket aus vier Kernpunkten. Neben der Kontrolle eines Waffenstillstands und der militärischen Präsenz europäischer Staaten in oder nahe der Ukraine sollen Luftverteidigungssysteme im großen Stil aufgebaut werden. Zudem setzt der Westen seine Waffenlieferungen fort und finanziert maßgeblich den ukrainischen Militärhaushalt.
Der französische Präsident Emmanuel Macron deutete am Dienstag an, dass „die erste Sicherheitsgarantie, an der wir arbeiten – und es ist die wichtigste –, eine starke ukrainische Armee ist, bestehend aus mehreren hunderttausend Soldaten, gut ausgerüstet, mit Verteidigungssystemen und hohen Standards“. Die zweite Garantie bestehe darin, Rückversicherungskräfte bereitzuhalten. „Die Briten, die Franzosen, die Deutschen, die Türken und andere benötigen wir, um diese Operationen durchzuführen. Nicht an der Front, nicht auf provokative Weise, sondern als Rückversicherungseinsätze in der Luft, zur See und an Land“, sagte der französische Staatschef. Ziel sei es, ein strategisches Signal nach Moskau zu senden. „Der Frieden in der Ukraine ist auch unsere Angelegenheit“, betonte Macron, der nach den Treffen in Alaska und Washington einen Vierergipfel zwischen den USA, der Ukraine, Russland und den Europäern fordert.
Doch während Paris und London mit einer robusten Truppenpräsenz liebäugeln, überwiegt in Berlin und Rom Skepsis. Der Einsatz könnte schnell in eine direkte Konfrontation mit Russland münden, so die Lesart. Außenminister Johann Wadephul, der momentan auf Ostasien-Reise ist, zeigte sich zunächst skeptisch, was die Entsendung von Bundeswehr-Truppen in die Ukraine angeht. Er verwies auf eine verstärkte Rolle der Bundeswehr in der Nato, darunter mit einer Kampfbrigade – rund 5000 Frauen und Männer – in Litauen. Ein Einsatz in der Ukraine würde Deutschland „voraussichtlich auch überfordern“.
Später jedoch ruderte der deutsche Chefdiplomat zurück. Letztlich würden Sicherheitsgarantien bedeuten, dass man nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten an der Seite der Ukraine stehe, sagte Wadephul dem Deutschlandfunk. Ob eine Beobachtertruppe im Westen der Ukraine oder eine „natoähnliche“ Variante entlang des Artikels 5: Die Sicherheitsgarantien werden enorme Kosten verursachen und Soldaten zusätzlich binden, die Deutschland kaum hat.
Bundeshaushalt: Ukraine-Kosten dürften sich vervielfachen
Ein weiterer Knackpunkt: Russland weist die Stationierung westlicher Truppen in der Ukraine bisher kategorisch zurück. Außenminister Sergej Lawrow erklärte überaus deutlich: „Die Präsenz von Truppen aus Nato-Staaten auf ukrainischem Gebiet – unter welcher Flagge auch immer, einschließlich sogenannter Peacekeeper – stellt eine Bedrohung für Russland dar.“ Moskau werde die Pläne der Westeuropäer unter keinen Umständen akzeptieren, sagen auch russische Diplomaten der Berliner Zeitung.
Zwar wurde zuletzt berichtet, der Kreml signalisiere eine gewisse Bereitschaft, westliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine zu akzeptieren – allerdings wohl nur unter Bedingungen, die eine De-facto-Anerkennung territorialer Verluste für die Ukraine einschließen würden. Das akzeptiert wiederum die politische Führung der Ukraine nicht. Für Europa bedeutet das Verhandlungswirrwarr: Milliardenhilfen und militärische Schutzgarantien für die Ukraine, während Moskau am Ende wesentliche Kriegsziele erreicht hätte.