Mit einer Hand an der Stange den Körper ausbalancierend schwingen Zehenspitzen weiche Bögen um das Standbein. „Plié“ ruft Olimpia Scardi. Sofort wird die Position gewechselt und die Tänzerinnen gehen mit geradem Rücken in die Tiefe, beugen auf ausgedrehten Füßen ihre Knie. Plié ist eine typische Grundstellung im Ballett, die etwa für kraftvolle Sprünge gebraucht wird. Doch in diesem Kurs stehen keine jungen Mädchen an der Stange, sondern – und das mit Haltung und Eleganz – gestandene Frauen.

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„Ich habe mit 62 angefangen und ich tanze für mein Leben gern“, sagt Ute Ullmann. Die schlanke 69 Jahre alte Dresdnerin kommt mit ihrer gleichaltrigen Nachbarin jede Woche zum Erwachsenenkurs ins Atelier de la Danse an der Königsbrücker Straße. Seit sie hier tanzt, fühle sie sich topfit. Und sie benutze Muskeln, die sie sonst nicht gebraucht.

Früher Professorin an der Palucca-Schule

Olimpia Scardi geht unterdessen zur nächsten Übung über. Diese sei nicht von ihr und müsse bitte sauber ausgeführt werden. Damit sich der Tänzer nicht im Grabe umdrehe, wie die Lehrerin scherzhaft mit italienischem Akzent sagt. Olimpia Scardi tanzt selbst seit 60 Jahren. Mit fünf habe sie begonnen. In Dresden hatte sie von 1999 bis 2004 die Professur für Modernen Tanz an der Palucca-Schule inne. Auch assistierte sie Anfang der 1990er der weltberühmten Choreographin Pina Bausch.

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Isabelle Grohmann erfüllt sich im Atelier de la Danse einen lang gehegten Traum.

Isabelle Grohmann erfüllt sich im Atelier de la Danse einen lang gehegten Traum.

Unter anderem wegen dieser Vita hat sich Katrin Matzat den Kurs von Scardi ausgesucht. „Ich habe als Kind getanzt und es war gar nicht so einfach, eine Tanzgruppe in meinem Alter zu finden“, erzählt die 49-Jährige. Olimpia Scardi macht bei weitem keine strenge Ballettstunde, sie winkt energisch ab. Ihr geht es um den Ausdruck und das Aufgehen in der Musik. Deshalb werden die Übungsstangen bald zur Seite geschoben. Die Tänzerin wählt auf ihrem Smartphone lateinamerikanische Songs aus und demonstriert mit erhobenen Kopf und leichtem Hüftschwung eine neue Schrittfolge. Die Frauen tun es ihr nach.

Erfüllter Kindheitstraum

Isabelle Grohmann fährt zum Tanzen extra von Wachau nach Dresden. Sie findet es gut, dass Wert auf Ausdruck gelegt wird und es weniger technisch zugeht. Die 42-Jährige erfüllt sich im Atelier de la Danse einen großen Traum. „Ich wollte schon immer tanzen, habe aber als Kind gedacht, ich wäre zu dick dafür.“ Nun könne sie hier bei Tanz und Musik ihre Seele rauslassen. Man sei eine tolle Truppe, fügt sie hinzu. „Die Improvisation ist am schönsten“, ruft Ute Ullmann rein und dreht sich durch den Raum. Auch werde es nicht langweilig, Olimpia denke sich immer etwas Neues aus.

Einmal im Jahr präsentieren die gestandenen Frauen des Tanzstudios eine Choreografie auf der Bühne. Und zwar, wenn die Studioleiterin Sidonie Trévalinet-König – eine ehemalige Balletttänzerin der Semperoper – den Jahresabschluss ihrer Tanzschule organisiert. Dann gibt es eine Doppelvorstellung in der St. Pauli Ruine im Hechtviertel und die ist gut besucht.

DNN