Die Staatsanwaltschaft Berlin hat Anklage gegen den ehemaligen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) wegen des Vorwurfs einer falschen uneidlichen Aussage vor dem Maut-Untersuchungsausschuss des Bundestags erhoben. Das teilte die Anklagebehörde mit. Zuvor hatten die Nachrichtenagentur dpa und die Bild-Zeitung berichtet.
Der Mitteilung zufolge ist sowohl gegen Scheuer als auch gegen den ehemaligen Staatssekretär Gerhard Schulz Anklage erhoben worden. Wegen der besonderen Bedeutung des Falls wird Scheuer demnach vor dem Landgericht Berlin I angeklagt.
Die Berliner Staatsanwaltschaft hatte im Mai 2022 wegen des Verdachts
einer Falschaussage im Untersuchungsausschuss des Bundestags ein
Ermittlungsverfahren gegen Scheuer sowie Schulz eingeleitet.
Staatsanwaltschaft spricht von „bewussten Falschaussagen“ bei Verschiebungsangebot
Der ehemalige Bundesverkehrsminister hatte im Oktober 2020 vor dem Untersuchungsausschuss gesagt, nach seiner Erinnerung habe es kein Angebot des designierten
Mautbetreiberkonsortiums gegeben, den Vertragsabschluss zur Pkw-Maut auf
einen Zeitpunkt nach dem zu erwartenden Urteil des Europäischen
Gerichtshofs (EuGH) zu verschieben. Manager der eigentlich vorgesehenen Mautbetreiberfirmen hatten im Ausschuss von einem solchen Angebot an Scheuer berichtet, dieser habe dies abgelehnt.
Die Staatsanwaltschaft schreibt dazu nun: „Auf die im
Pkw-Maut-Untersuchungsausschuss gestellten Fragen Abgeordneter, ob
seitens der Betreiber bei einem Treffen am 29. November 2018 angeboten
worden sei, die Verträge erst nach
der EuGH-Entscheidung zu unterzeichnen, sollen beide Angeschuldigte
entgegen ihrer tatsächlichen Erinnerung angegeben haben, sich an ein
solches Verschiebungsangebot nicht erinnern zu können. Laut Anklage soll
es sich dabei um bewusste Falschaussagen handeln.“ Beide Angeklagte bestreiten demnach den Vorwurf.
Scheuer wirft Staatsanwalt vor, „Sommerloch“ für Anklage zu nutzen
„Die
Entscheidung, nun Anklage zu erheben, ist für mich nicht nachvollziehbar
und macht mich betroffen“, sagte Scheuer der Bild-Zeitung. Er warf dem Staatsanwalt vor, das „sogenannte mediale ‚Sommerloch'“ für die Anklageerhebung zu nutzen. „Die Motive und der Zeitpunkt für die Anklage
sind mir unverständlich und erscheinen mehr politisch motiviert.“
© Lea Dohle
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Weiter sagte Scheuer der Zeitung, er werde sich „gegen diesen unbegründeten Vorwurf mit aller Kraft zur Wehr setzen und meine Unschuld verteidigen“.
Sein Rechtsanwalt Daniel Krause sagte der dpa, Scheuer habe eine „wahrheitsgemäße Aussage zu seiner tatsächlich nicht vorhandenen Erinnerung gemacht“. „Wer keine Erinnerung an einen Vorgang hat, muss und kann sich nur so äußern. Jede andere Äußerung wäre unrichtig.“ Die Beweislage ist aus Sicht des Rechtsanwalts dünn.
Wer vor Gericht oder vor einer anderen für die eidliche Vernehmung von
Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle als Zeuge oder
Sachverständiger uneidlich falsch aussagt, wird laut Strafgesetzbuch mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
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Kritik verlautet aus der CSU
CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann kritisierte die Anklage. „Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft ist nicht
nachvollziehbar“, sagte er der dpa. „Die Vorwürfe, um die es geht, wurden bereits in einem
Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags umfassend geprüft, und
es wurde keine Falschaussage des damaligen Bundesverkehrsministers und
seines Staatssekretärs festgestellt. Ich gehe davon aus, dass dieses
Verfahren zum gleichen Ergebnis kommen wird.“
Die Pkw-Maut war ein Prestigeprojekt der CSU in der damaligen
schwarz-roten Bundesregierung und war im Juni 2019 vom EuGH als rechtswidrig gestoppt worden. Ein
Untersuchungsausschuss hatte sich danach mit möglichen Fehlern Scheuers befasst.
Die Opposition hatte Scheuer vorgeworfen, Verträge zur Pkw-Maut abgeschlossen zu haben, noch bevor
Rechtssicherheit beim EuGH bestand. Scheuer hatte die Vorwürfe stets bestritten. Der deutsche Staat musste infolge der gescheiterten Pkw-Maut 243 Millionen Euro Schadensersatz an die einst vorgesehenen Betreiber zahlen.
Scheuer hatte im April vergangenen Jahres sein Bundestagsmandat niedergelegt. Er hat inzwischen eine Beratungsfirma gegründet.