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Ein Musikvideodreh im Schwimmbad ist ein ungewöhnlich – erst recht, wenn er während des laufenden Badebetriebs stattfindet. Genau das passierte jetzt im Erlebnisbad in Wolfhagen.
Wolfhagen (Kreis Kassel) – Der Bonner Rapper und Produzent SSIO nutzte das Wolfhager Freibad als Kulisse für sein Musikvideo zur neuen Single „Tut den Song in eure Playlist und macht viele TikToks“. Verantwortlich für die Organisation war der Wolfhager Produzent Can Karahan. „Ich habe schon mit anderen Größen der Deutschrap-Szene zusammengearbeitet“, sagt der 25-Jährige. „Aber in diesen Fällen fanden die Dreharbeiten immer in anderen Städten statt, nicht in meiner Heimat.“
Beim Dreh im Wolfhager Schwimmbad: SSIO (Ssiawosch Sadat), Philipp Bierschenk, Can Karahan und Director Mac Duke (von links). © Patryk Duk
Auch für Schwimmmeister Sven Gulau war der Dreh eine Herausforderung. Er musste darauf achten, dass sich die Badegäste nicht beeinträchtigt fühlten. Denn das Konzept sah vor, einige chaotische Szenen im Schwimmbad darzustellen. Der überwiegende Teil der Aufnahmen entstand direkt in Wolfhagen, lediglich zwei Szenen wurden im Nachhinein animiert oder zugekauft.
Aber Karahan betont auch, dass er volles Verständnis für die Badegäste aufbringt, die dem Dreh kritisch gegenüber stehen: „Ich wäre selbst auch geschockt gewesen, wenn ich nicht gewusst hätte, was in dem Bad vorgeht.“ Insbesondere auch durch die provokativen Passagen aus dem Song, versteht er die Kritik an dem Dreh. Ein weiterer Grund für die Drehort-Wahl waren Karahans persönlichen Bindungen.
Familie und Freunde wirken bei Dreh für Musikvideo in Wolfhagen als Statisten mit
Für die Produktion brauchte er ein Dutzend Statisten, die er in seinem Umfeld fand. Familie und Freunde erklärten sich bereit, mitzuwirken. Dennoch ist es dem 25-Jährigen auch wichtig, dass nicht der Anschein erweckt wird, der Videodreh sei eine reine Spaßveranstaltung gewesen, bei der die Ernsthaftigkeit verloren gegangen sei. Denn an der Produktion seien fast 60 Menschen beteiligt gewesen. Beispielsweise habe Karahan sein Team aus ganz Deutschland zusammengestellt.
Ein weiterer Faktor ist, dass das Video bereits kurz nach der Veröffentlichung durch die Decke ging. Auf der Videoplattform Youtube hatte es binnen weniger Tage bereits fast 600.000 Aufrufe. Auch bei Instagram schauten sich den Trailer zu dem Musikvideo 7,5 Millionen Menschen an.
Der Produzent
Can Karahan wurde in Wolfhagen geboren. Bereits in seiner Jugend begann er mit dem Drehen von Filmen und Videos. Er ist 25 Jahre alt und studierte Design und Projektmanagement. Bisher hat er überwiegend Musikvideos und Werbefilme produziert. Beispielsweise war er verantwortlich für die Musikvideos von Pop-Sängerin Ayliva oder Rapper Mero. Nach einer kurzen beruflich bedingten Unterbrechung in Berlin lebt er jetzt wieder in Wolfhagen.
Auch die Stadt Wolfhagen unterstützte die Dreharbeiten, nachdem die Produktionsfirma wegen der Nutzung des Erlebnisbads angefragt hatte. Nach Klärung der Details gab die Stadt ihr Einverständnis. „Am Drehtag selbst wurde die Zusammenarbeit mit dem Produktionsteam als sehr angenehm empfunden“, sagt Wolfhagens Hauptamtsleiter Kai Liebig auf Anfrage.
Rapper SSIO zu Gast im Wolfhager Erlebnisbad – Verschiedene Meinungen über Liedtext
Ein Musikvideo sorgt derzeit für Aufsehen: Das Wolfhager Erlebnisbad diente kürzlich als Drehort für das neue Musikvideo des Bonner Deutsch-Rappers SSIO. Produziert wurde das Video von Can Karahan aus Wolfhagen. Seit seiner Veröffentlichung vor einigen Tagen verzeichnet das Video bereits mehrere Millionen Aufrufe auf verschiedenen Social-Media-Kanälen. Die Stadt Wolfhagen unterstützte die Dreharbeiten, indem sie den Drehort zur Verfügung stellte.
Die Jugendlichen, die diese Videos heute feiern, sind unsere Badegäste von Morgen
Doch wie kam es, dass ausgerechnet im vergleichsweise kleinen Wolfhagen ein so prominenter Rapper zu Gast war – und wie reagieren die Menschen auf die Passagen des Liedtextes, die als diskriminierend gegenüber Frauen oder sexuell abwertend interpretiert werden könnten? Wir haben uns vor Ort umgehört.
Den Kontakt nach Wolfhagen stellte Produzent Can Karahan her. In der Vergangenheit habe er bereits mit Sängerinnen wie Ayliva oder anderen bekannten Künstlern Musikvideos gedreht. Auch Werbeproduktionen habe er bereits umgesetzt. Wolfhagen habe für Karahan eine besondere Atmosphäre, weil er hier aufgewachsen sei und auch heute noch lebe.
„Dass SSIO hier war, ist für mich heute noch surreal“, so der Produzent. Zwei Wochen bevor der Dreh starten sollte, habe er die erste Anfrage an die Stadt gestellt und mit der Planung begonnen. Denn als Produzent koordiniert er nicht nur das Budget, sondern sorgt auch vor Ort für einen reibungslosen Ablauf.
Schwimmmeister weist Badegäste am Tor auf den Videodreh hin
Für Schwimmmeister Sven Gulau war die gesamte Produktion eine spannende Erfahrung. Der Rapper sei für ihn anfangs ein Unbekannter gewesen. „Ich habe das zu Hause erzählt, und meine Kinder wussten sofort, wer das ist“, so Gulau. Am Drehtag hatte er sich am Eingang des Erlebnisbades positioniert, um die Badegäste auf den Dreh hinzuweisen und klarzumachen, dass man selbst im Video zu sehen sein könne, wenn man wolle.
Vereinzelt habe es Gäste gegeben, die den Dreh ablehnten. Aber Gulau sagt auch: „Die Jugendlichen, die diese Videos heute feiern, sind unsere Badegäste von morgen.“ Er habe gute Erfahrungen mit dem Dreh gemacht, denn am Ende hätten alle geholfen, das Erlebnisbad wieder aufzuräumen. Schließlich wurden neben einem Boxautomaten auch ein ausrangiertes Solarium ins Schwimmbad geschafft. Die Autos, die eine besondere Rolle im Video spielen, wurden mit viel Fingerspitzengefühl von Gulau auf die Liegewiese dirigiert.
Drehten gemeinsam im Erlebnisbad: Produzent Can Karahan (links) und Sven Gulau Schwimmmeister in Wolfhagen. © Siebert, Johannes
Can Karahan findet die Kritik an den Songtexten von SSIO etwas überzogen. Er betont: „Er ist ein Künstler, der gerne provoziert – und das macht er mit seinen Liedzeilen.“ „Aber das macht er alles mit einem Augenzwinkern und viel Selbstironie“, sagt Karahan. Gleichzeitig räumt er ein, dass es für manche Menschen verstörend sein kann, wenn sie die Lieder zum ersten Mal hören. Man müsse zwischen Realität und Inszenierung differenzieren, so Karahan.
Badegäste reagieren unterschiedlich auf den Videodreh im laufenden Betrieb
Diese Meinung teilt auch Schwimmmeister Sven Gulau, der den Künstler im Erlebnisbad kennenlernte und zudem eine kleine Nebenrolle am Ende des Musikvideos erhielt: „Das ist wirklich ein intelligenter Mann, und ich war echt erstaunt, wie normal er ist.“ Wenn man SSIO nur auf die Songs reduziert, würde man die Person dahinter vergessen, so Gulau.
Doch wie ist die Meinung der Badegäste? Wir haben im Wolfhager Freibad am Dienstagmorgen eine Runde gedreht und die Besucher nach dem Videodreh befragt. Unter ihnen war auch Shab Mohammadi. Er ist selbst im Video zu sehen und spricht im Abspann sogar kurz. Sein Cameo war allerdings nicht geplant. Erst einen Tag zuvor hatte er im Freundeskreis davon erfahren.
Durch seine Bekanntschaft mit Produzent Karahan bekam er schließlich die Möglichkeit mitzuwirken. Rund 20 weitere Personen traten quasi als Komparsen auf. „Das war schon sehr geil“, sagt Mohammadi. Videoproduzent – das könnte er sich sogar beruflich vorstellen. „Von acht bis 15 Uhr haben wir gedreht“, erzählt er weiter. Danach seien viele Besucher gekommen, um Fotos zu machen, sogar Eltern mit Kindern. Den Inhalt der Texte findet der 19-Jährige nicht problematisch: „Es ist eben eine Kunstform und seine Art.“ Humor und Image würden dabei eine große Rolle spielen.
Eine Besucherin, die anonym bleiben möchte, erlebte den Dreh ebenfalls mit: „Ich wusste nicht, was los ist. Auf einmal kamen viele Autos.“ Befremdlich sei es schon gewesen, meint sie. „Das hätte man auch abends machen können – gerade bei dem schönen Wetter.“ Eingeschränkt habe sie sich jedoch nicht gefühlt.
Lediglich die Nutzung der Springtürme sei kurzzeitig schwierig gewesen. „Aber es ist, wie es ist.“ Auch die Musik sei überraschend leise gewesen, sodass niemand wirklich gestört wurde. Aufgefallen sei ihr jedoch, dass keine einzige Frau bei den Dreharbeiten dabei war. Nachdem sie den Songtext gelesen hatte, reagierte sie schockiert: „Da würde ich keinen Euro für bezahlen. Das ist erschreckend und merkwürdig.“
Ein Ausschnitt aus dem Musikvideo: „Tut den Song in eure Playlist und macht viele TikToks“ von SSIO. Screenshot: Youtube © Screenshot: YouTubeStadt genehmigt Dreh im Freibad
Zwei weitere Frauen äußerten sich ähnlich kritisch: „Das geht gar nicht. So etwas sollte man nicht singen.“ Gleichzeitig zeigen sie Verständnis: „Es ist nun mal angesagt bei jungen Leuten. Verbieten sollte man es nicht.“ Ihrer Meinung nach sei es sogar zeitgemäß, weil die Texte viele aktuelle Probleme widerspiegelten.
Alle Befragten betonten zudem, dass sie am Eingang freundlich darauf hingewiesen wurden, dass an diesem Tag ein Videodreh stattfindet und sie sich davon nicht stören lassen sollten.
Auch die Stadt Wolfhagen war im Vorfeld konsultiert worden: „Die Stadt Wolfhagen ist von der Produktionsfirma des Videos angesprochen worden, ob ein Dreh im Erlebnisbad infrage kommt“, erklärt Wolfhagens Hauptamtsleiter Kai Liebig auf HNA-Anfrage. Daraufhin habe sich Wolfhagens Bürgermeister Dirk Scharrer die Details erläutern und auch den Songtext vorlegen lassen.
Eine Dreherlaubnis habe der Rathauschef zudem an die Zahlung einer marktüblichen Motivmiete sowie an die Bedingung geknüpft, dass der Badebetrieb im Wesentlichen nicht gestört werde. „Am Drehtag selbst wurde die Zusammenarbeit mit der gesamten Produktion als sehr angenehm und wertschätzend empfunden“, so Liebig. Auf reguläre Badegäste sei Rücksicht genommen worden; einige Badegäste wurden einvernehmlich sogar in die Produktion integriert.
Ein Teil der Jugendkultur
Dirk Scharrers Fazit fällt eindeutig aus: „Für meine Generation ist dieses Genre natürlich sehr gewöhnungsbedürftig, und man kann über die Inhalte der Texte sicherlich trefflich streiten. Diese Diskussion führe ich auch regelmäßig mit meinen eigenen Söhnen, die sich schwerlich von Eric Clapton oder den Stones überzeugen lassen“, erläutert der Rathauschef. Man müsse aber anerkennen, dass dies ein Stück erfolgreiche und beliebte Jugendkultur sei.
Info
Das Musikvideo gibt es auf Youtube unter dem Titel „Tut den Song in eure Playlist und macht viele Tiktoks“
SSIO erreiche mit seinen Videoclips und Kompositionen teils bis zu 25 Millionen Aufrufe, habe die Spitze der Album-Charts erobert und zahlreiche Auszeichnungen erhalten. Bekannte Schauspieler wie Moritz Bleibtreu und Frederick Lau würden zu seinen Fans gehören. „Vor diesem Hintergrund einem Top-Star der deutschen Rap-Szene ein Motiv zu vermieten, gehört für mich selbstverständlich dazu. Im Rahmen der Kunstfreiheit ist es wichtig, auch die Interessen der Jugend im Blick zu behalten. Gerade bei den jungen Menschen, die Hauptzielgruppe des Rap, kam der Dreh hier in unserer Heimat extrem gut an.“
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