Kurz notiert in Wülfrath  |  20. August 2025

Leserbrief | „Bier erzeugt nicht ,Mehr Wir‘, sondern zerstört es“

In einem Schreiben an Taeglich-ME kritisiert Reinhard Jahn eine Bierdeckel-Aktion von Bürgermeisterkandidat Christian Wolf. Wolf hatte Bierdeckel auf dem Feierabendmarkt verteilt. Er wirbt – auf einem Bierdeckel – für „Mehr wir. Mehr hier. Mehr Bier.“

„Als langjähriger Geschäftsführender Vorstand des christlichen Suchthilfeverbandes, Blaues Kreuz Deutschland, und als amtierender Präsident des Internationalen Blauen Kreuzes, der seinen Lebensmittelpunkt in Wülfrath hat, frage ich mich, wie sich Herr Wolf zu einer solchen Werbekampagne hat hinreißen lassen?!

Außer, dass der Spruch sich reimt und wohl unreflektierter Gedankenlosigkeit entsprungen ist, fällt mir kein anderer Grund ein. Jedenfalls, wer sich mit den sozialen und gesellschaftlichen (Sucht)Verhältnissen ernsthaft beschäftigt, würde niemals auf einen solchen Werbespruch kommen. Man muss keine Fachkraft sein, um feststellen zu können, welchen Schaden der Suchtmittelkonsum in unserer Gesellschaft anrichtet. Von den Kosten mal ganz abgesehen: Wie viel Leid? Wie viel Elend? Und wie wenig „Wir“?! Denn Bier erzeugt nicht „mehr Wir“, sondern zerstört es. Viele Familien könnten davon ein Lied singen. Und viele „meiner“ süchtigen Freunde auch.

Meiner Erkenntnis aus über 30 Jahren Suchtarbeit folgt, dass gerade die Gedankenlosigkeit die größte Gefahr für schädlichen Konsum alkoholischer Getränke darstellt. Überall wird getrunken. Es gehört zum guten Ton einer Geburtstagsfeier, der Grillfete, beim Chillen im Freien, nach dem Feierabend, ja sogar rund um Sportveranstaltungen, usw.

Dabei will das Blaue Kreuz nicht die Welt vom Alkohol säubern. Aber wir wollen der Gedankenlosigkeit des Konsums entgegentreten, die den Nährboden für eine Suchterkrankung bildet.

Nehmen sie mir bitte eines ab: unter den tausenden von Suchtkranken Menschen, die durch unsere Häuser gingen, war keiner, der suchtkrank werden wollte – nicht einer! Jeder war fest überzeugt, er könne rechtzeitig aufhören und es wird ihm / ihr nicht passieren, in die Sucht abzurutschen. Das zeigt die wahre und unbeschreibliche Gefahr regelmäßigen Alkoholkonsums. Und Bier ist nun mal des Deutschen liebstes Genussmittel. Die Weltgesundheitsorganisation WHO weist neuerdings in allen ihren Veröffentlichungen darauf hin, dass Alkoholkonsum vom ersten Schluck an schädlich ist. Das ist Grund genug, der Gedankenlosigkeit entgegenzutreten. Statt Sprüche zu klopfen empfehle ich, „Weniger Bier.“ zu fordern!

Nähere Informationen finden Sie unter anderem auf der Webseite des Blauen Kreuzes: www.blaues-kreuz.de“

Reinhard Jahn

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