Zeugnisse der Vergangenheit
Jule Frank /
20. August 2025, 12.46 Uhr
„Trotz vermeintlichen Schutzes geht es Denkmalen in Deutschland schlecht“, schreibt die Stiftung Denkmalschutz in der diesjährigen Ausgabe des „Schwarzbuch der Denkmalpflege“. In dem 145-seitigen Text werden unzählige denkmalgeschützte Bauwerke der Bundesrepublik untersucht und in drei Kategorien eingeordnet: gerettet, gefährdet und verloren. Dieses Jahr sind zwei Frankfurter Denkmale im Schwarzbuch aufgetaucht – das Wohnhaus mit der Friedenstaube in der Allerheiligenstraße und die städtischen Bühnen. Der Frankfurter Nachbar Hattersheim am Main hingegen wird für das Retten einer alten Stadthalle gelobt.
Wohnhaus Allerheiligenstraße: Verloren
2024 wurde das Wohnhaus in der Allerheiligenstraße 20, dessen Hauswand ein dreizehn Meter großes Graffiti einer Friedenstaube schmückte, abgerissen. Das Gebäude wurde 1861 errichtet, hatte die Bomben zweier Weltkriege überlebt und war zuletzt Frankfurter Friedenssymbol für den Russland-Ukraine Krieg geworden. Künstler Justus Becker, besser bekannt als COR, sprayte 2022 eine überlebensgroße Taube mit Olivenzweig in ukrainischen Nationalfarben an die Hauswand. Seitdem war das Wandbild im Allerheiligenviertel über die Stadtgrenzen hinaus bekannt geworden und wurde aufgrund seiner künstlerischen Bedeutung unter Denkmalschutz gestellt.
Statische Mängel führten jedoch zu einem Verbot der Weiternutzung durch Frankfurter Behörden. Erst sollte das Gebäude leer stehen und das Graffiti weiter zu sehen sein, dann aber wurde der Abriss zu Gunsten des Bauvorhabens Main Yard beschlossen und durchgeführt. Die Allerheiligenstraße 20 ist damit auf dem Weg, Teil des modernen Stadtquatiers zu werden, das aus 280 Mietwohnungen, Hotels, Cafés und Restaurants bestehen soll.
Schauspiel Frankfurt: Gefährdet
Der Foyerbau der städtischen Bühnen steht aus geschichtlichen, künstlerischen und städtebaulichen Gründen unter Denkmalschutz. Als schützenswert gelten das Wolkengemälde im Foyer und die Zusammenfassung zweier Baukörper unterschiedlicher Baustile und Epochen – die erstmals in 1902 eröffnete Oper und das moderne Schauspielhaus.
Der Neubau der städtischen Bühnen ist mittlerweile beschlossene Sache. Man hat sich für die Variante „Kulturmeile“ entschieden: ein Neubau der Oper an gleicher Stelle und ein Umzug des Schauspiels in die Neue Mainzer Straße. Die Doppelanlage muss weichen und ob das Wolkenfoyer erhalten bleiben kann, ist weiterhin unklar. In der Beschlussvorlage zu den Planungen von Juli 2025 heißt es: „Die Ausschreibung für einen zukünftigen Realisierungswettbewerb […] muss nach Ansicht des Hessischen Landesdenkmalrats den Anforderungen des Denkmalschutzes Rechnung tragen und daher den Erhalt des denkmalgeschützten Foyers und der Wolkenskulptur zwingend vorsehen“.
Stadthalle Hattersheim: Gerettet
Als die Stadthalle in Hattersheim am Main 2013 aufgrund von Brandschutzmängeln geschlossen wurde, sah es nicht gut aus für das Überleben des Denkmals. Doch trotz großer Bedenken der Hattersheimer Bürgerschaft blieb das Gebäude durch Sanierungsarbeiten erhalten und wurde 2023 sogar mit dem Preis des Hessischen Denkmalschutzes in der Kategorie Öffentliche Bauten ausgezeichnet. Bei der Stadthalle handelt es sich um ein 70er-Jahre-Bau mit kreisförmigem Grundriss, entworfen von dem Offenbacher Architekturbüro Novotny und Mähner. Die Stadthalle ist nicht nur zentraler Veranstaltungsort in Hattersheim, sondern gilt auch als architektonisches Meisterwerk. Dabei geht es vor allem um den sogenannten „Sonnensaal“ – der Eingangsbereich der Halle welcher von einer großen Lichtkuppel erleuchtet wird.
Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz lobt die „aus denkmalpflegerischer Sicht vorbildlichen“ Sanierungsarbeiten. Hierbei bezieht sich die Stiftung auf den Erhalt vieler ursprünglicher Bauelemente, die Verwendung regionalen Handwerks und die energetische Erneuerung des Gebäudes. Durch den Einbau von moderner Wärme- und Raumlufttechnik wurde der 70er-Jahre-Bau auf heutige Standards der Energieeffizienz gebracht – und vereint dabei Denkmalschutz mit Klimaschutz.
Info
Denkmalschutz ist Sache der Bundesländer. In Hessen kümmert sich das Landesamt für Denkmalpflege um Maßnahmen zur Erhaltung von rund 73.000 Denkmalen. Gesetzliche Grundlage dafür ist das Hessische Denkmalschutzgesetz (HDSchG).