1. Startseite
  2. Wirtschaft

DruckenTeilen

Die deutsche Baukultur muss endlich Fahrt aufnehmen – das Beispiel der Fehmarn-Querung macht es deutlich. Die Kolumne „Gastwirtschaft“ von Holger Krawinkel.

Laufen auch die neuen Pläne der Bundesregierung zur Beschleunigung von Infrastrukturprojekten ins Leere? Jüngstes Beispiel stellt die Fehmarn-Querung dar. Sie wird seit 2008 geplant und droht 25 Jahre später immer noch nicht fertiggestellt zu sein.

Statt genialer Ingenieurleistung regiert in Deutschland inzwischen die basale Notlösung

Das ging schon schneller: Mit dem Bau der Vogelfluglinie und dem eleganten „Kleiderbügel“ über den Fehmarnsund wurde am 4. Januar 1960 begonnen. Sie konnte bereits am 30. April 1963 eröffnet werden. Statt genialer Ingenieurleistung regiert in Deutschland inzwischen die basale Notlösung.

Ein Besucher schaut durch ein Fernglas auf der Aussichtsplattform der Baustelle des Fehmarnbelt-Tunnels. Das 55,1 Milliarden Kronen (rund 7,4 Milliarden Euro) teure Bauwerk soll die dänische Insel Lolland mit der deutschen Insel Fehmarn verbinden und aus 89 Betonelementen bestehen.Ein Besucher schaut durch ein Fernglas auf der Aussichtsplattform der Baustelle des Fehmarnbelt-Tunnels. Das 55,1 Milliarden Kronen (rund 7,4 Milliarden Euro) teure Bauwerk soll die dänische Insel Lolland mit der deutschen Insel Fehmarn verbinden und aus 89 Betonelementen bestehen. © Frank Molter/dpa

In Schleswig-Holstein wurde 1924 eine Brücke über die Schlei unter Verwendung von gebrauchten Brückenteilen aus dem Jahr 1892 errichtet. Völlig „überraschend“ wurde 2020 festgestellt, dass ein Brückenneubau notwendig ist. Seither fahren Züge ans Nord- beziehungsweise Südufer der Schlei. Umsteigen erfolgt per Fußmarsch.

Jetzt ist zu lesen, dass sich der Bau des Fehmarnsund-Tunnels zwischen der Insel und dem deutschen Festland um mindestens drei Jahre verzögert. Gleichzeitig gab das Eisenbahnbundesamt bekannt, dass die alte Brücke nicht als temporärer Ersatz genutzt werden darf.

Der Bau des Fehmarnsund-Tunnels zwischen der Insel und dem deutschen Festland verzögert sich um mindestens drei Jahre.Hier geht es nur langsam voran. © Holger Krawinkel

Da der Bau des ungleich längeren, von Dänemark gebauten Belt-Tunnels im Plan liegt, würden ab 2029 die schnellen Züge aus Kopenhagen auf Fehmarn enden. Ob die Anbindung von Lübeck bis zum neuen Sund-Tunnel im Zeitplan fertig wird, bleibt offen.

Das würde die deutsche Planungs- und Baukultur endgültig der Lächerlichkeit preisgeben

Falls das doch klappt? Modell Schlei? Zwei provisorische Haltestellen Fehmarn Sund Nord (auf der Insel) und Fehmarn Sund Süd (auf dem Festland) könnten durch einen rund ein Kilometer lang Fußweg verbunden werden und die Fahrgäste von den dänischen auf die deutschen ICE mithilfe von Fahrsteigen wie auf Flughäfen „umsteigen“.

Das würde die deutsche Planungs- und Baukultur endgültig der Lächerlichkeit preisgeben. Auch das ursprünglich angedachte Provisorium mit einer Elektrifizierung des Kleiderbügels wäre teuer, würde die ICE abbremsen, Güterzüge müssten weiter den langen Umweg über Flensburg nehmen.

Wenn Bund und die Länder die Planungsbeschleunigung und Staatsmodernisierung ernst nehmen, würden sie diese Gelegenheit nutzen und die Fehmarn-Querung in einem Pilotprojekt tatsächlich beschleunigen und den Zeitplan einhalten.

Der Autor ist ehemaliger Verkehrsplaner, Verbraucherschützer und Energiemanager; heute ist er als Berater und Kolumnist tätig.

Holger Krawinkel. Der Autor ist ehemaliger Verkehrsplaner, Verbraucherschützer und Energiemanager; heute ist er als Berater und Kolumnist tätig.Holger Krawinkel. © Privat