„Verbraucher erwarten Schmerzen“
Großbritannien mit größter Teuerung aller G7-Staaten
20.08.2025, 11:09 Uhr
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Zölle der USA und höhere Steuern – Verbraucher in Großbritannien bekommen dies in den Portemonnaies zu spüren. Auch Lohnzuwächse haben Folgen. Die Inflationsrate legte im Juli zu und dürfte weiter steigen. Ein Analyst blickt wenig optimistisch auf die nächste Zeit.
Die Preise für Waren des täglichen Bedarfs sind in Großbritannien so stark gestiegen wie seit eineinhalb Jahren nicht. Die Inflation belief sich im Juli 3,8 Prozent, wie das Statistikamt mitteilte. Im Juni hatte die Teuerungsrate noch 3,6 Prozent betragen. Damit hat das Land erneut die höchste Inflationsrate unter den großen westlichen Industrienationen (G7). Besonders die für die britische Notenbank (BoE) wichtige Teuerung im Dienstleistungssektor zog an – auf von 4,7 auf nun 5,0 Prozent im Vormonat. Damit kletterte die Inflation etwas stärker als von Ökonomen erwartet. Das Pfund legte leicht zu.
Hinzu kommt, dass das Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal laut in der vergangenen Woche veröffentlichten Daten mit 0,3 Prozent weiter schwach blieb. „Wir sind weit entfernt von der zweistelligen Inflation, die wir unter der vorherigen Regierung erlebt haben“, erklärte Finanzministerin Rachel Reeves. „Aber es bleibt noch viel zu tun, um die Lebenshaltungskosten zu senken.“
Die britische Wirtschaft ächzt unter den US-Zöllen von Präsident Donald Trump. Hinzu kommt die von Unternehmern viel kritisierte Erhöhung der Gewerbesteuer durch die von Premierminister Keir Starmer geführte Regierung.
Die Bank of England hatte in diesem Monat – in einer sehr knappen Entscheidung – die Zinsen gesenkt, jedoch angesichts der hartnäckigen Inflation eine Verlangsamung des Tempos bei weiteren Zinssenkungen angedeutet. „Die heutigen Inflationsdaten werden den vorsichtigen Ansatz des geldpolitischen Ausschusses bei künftigen Zinssenkungen bestärken“, sagte Martin Sartorius, Chefökonom beim Industrieverband CBI. Obwohl für das nächste Jahr ein Rückgang der Inflation erwartet werde, bedeute das Risiko von Zweitrundeneffekten, dass der Ausschuss der BoE die Geldpolitik kurzfristig nicht überstürzt lockern werde.
Die Teuerung in Großbritannien liegt deutlich über der in den USA, wo sie im Juli bei 2,7 Prozent verharrte, und der in der Eurozone. Hier bewegt sich die Inflation um die Zielmarke der Europäischen Zentralbank von zwei Prozent. Als Gründe für die hohe Rate im Vereinigten Königreich gelten unter anderem die Regulierung der Energiepreise, ein nach dem Brexit angespannter Arbeitsmarkt sowie ein Lohnwachstum von rund fünf Prozent. Den größten Beitrag zum Anstieg im Juli leistete der Verkehrssektor, insbesondere die Flugpreise. Die Preise für Lebensmittel und alkoholfreie Getränke lagen 4,9 Prozent über dem Vorjahr.
Die Zentralbank geht von einer weiter steigenden Inflation aus. Die Teuerungsrate dürfte demnach im September vier Prozent erreichen, bevor sie wieder zurückgeht. „Zu einem Zeitpunkt, an dem die wirtschaftliche Schwäche des Vereinigten Königreichs noch deutlicher zutage tritt, stehen den Verbrauchern noch erhebliche Schmerzen bevor“, sagte Lindsay James, Anlagestratege bei Quilter.