Der letzte nicht finanzierte Baustein des Gesamtprojektes Stuttgart 21 hat eine entscheidende Klippe überwunden. Im aktuellen Haushaltsentwurf der Bundesregierung ist jetzt der Pfaffensteigtunnel, eine elf Kilometer lange unterirdische Verbindung der Gäubahn in Richtung Flughafen, nach langen Unsicherheiten doch aufgenommen worden. 1,69 Milliarden Euro stehen im Bedarfsplan 2026 für die Investitionen des Bundes in die Schienenwege. Dazu sind weitere 270 Millionen Euro veranschlagt, die von den weiteren S21-Projektpartnern aufgebracht werden.

Fertigstellung bis 2032 geplant

Der Bundestag muss diesem Entwurf im Herbst aber noch zustimmen. Der Tunnel soll bis 2032 fertiggestellt sein. Noch kurz bevor der Haushaltsentwurf der Bundesregierung bekannt wurde, hatten der Interessenverband Gäu-Neckar-Bodensee-Bahn, der die Anrainerkommunen vertritt, und die Regionalverbände entlang der Strecke, noch einen dringenden Appell an Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) gerichtet, das Vorhaben in den Haushalt aufzunehmen.

Zwar ist die ursprünglich im Rahmen der Bauarbeiten für Stuttgart 21 für Anfang 2026 geplante Kappung der Gäubahn-Verbindung zum Hauptbahnhof Stuttgart auf frühestens März 2027 verschoben worden. Dennoch befürchteten die Anrainer, dass bis dahin das Projekt nicht in trockenen Tüchern sein könnte.

Gäubahnanrainer sind nun optimistisch

„Wir müssen verhindern, dass der Bau des Pfaffensteigtunnels bei der Verteilung der Bundesmittel hinten herunterfällt“, sagte der Vorsitzende des Interessenverbandes und CDU-Landtagsabgeordnete Guido Wolf. Die geplante mehrjährige Streckenunterbrechung während der Bauzeit, bleibe eine Zumutung.

Mit der Aufnahme des Tunnels in den Haushaltsentwurf sei man nun aber optimistisch, dass der Bundestag dies auch so beschließen werde, sagt der stellvertretende Verbandsvorsitzende Andreas Hemesath. Doch Potenzial für Verzögerungen, etwa beim Planfeststellungsbeschluss, gibt es weiterhin. Allerdings sorgen Tunnel generell eher für wenig Einsprüche. Auch geologisch ist der Streckenverlauf im Prinzip unproblematisch.

Unterschiedliche Interpretation bei CDU und Grünen

Der Böblinger CDU-Bundestagsabgeordnete Marc Biadacz präsentiert die 1,69 Milliarden vom Bund hingegen als praktisch sicher. „Die Finanzierung des Pfaffensteigtunnels ist eine sehr gute Nachricht für den Landkreis Böblingen und ein starkes Signal für den Schienenverkehr insgesamt,“ sagt er. Er erwartet nicht, dass das Projekt jetzt noch gestrichen wird. Formal müsse man noch die parlamentarische Beratung des Bundeshaushalts 2026 abwarten.

Der Filderstädter Bundestagsabgeordnete und Bahnexperte Matthias Gastel (Grüne) zeigt sich hingegen sehr skeptisch. Laut interner Schätzungen der Deutschen Bahn fehle für den Tunnel in jedem Fall weiterhin knapp eine Milliarde Euro. „Selbst, wenn das Finanzierungsproblem mit dem Haushalt 2026 gelöst wäre, so wäre wohl in 2025 kein Finanzierungsvertrag mehr möglich, wie es vorgesehen war“, sagt er.

In der Auflistung im Haushaltsplan werde zudem darauf verwiesen, dass noch Unterlagen der Bahn fehlen. Ohne diese könne der Bundestag nichts beschließen. Und angesichts anderer, dringlicher Bahnprojekte bleibe der Tunnel viel zu teuer: „Der Erhalt eines Zulaufs in den Hauptbahnhof ist die wirtschaftlich bessere Lösung.“

 Auch die Bahn befürchtete unsichere Finanzierung

Auch der scheidende Bahnchef Richard Lutz hatte sich noch Anfang Juli bei einem Bahngipfel mit dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann zur Finanzierung des Tunnels sehr vorsichtig geäußert. Damit möglichst schon 2026 mit dem Bau begonnen werden kann, ist die Bahn in Vorleistung getreten und hat den entsprechenden Planfeststellungsantrag bereits beim Eisenbahnbundesamt eingereicht. Um den Zeitplan einhalten zu können, müsste aber laut Deutscher Bahn die Finanzierungsvereinbarung in jedem Fall noch 2025 geschlossen werden.

Die Vorarbeiten leistete die DB aus Eigeninteresse, da eine Umplanung, etwa die Rückkehr zu einer umstrittenen Variante, welche die S-Bahn-Gleise zum Flughafen mit nutzen sollte, teuer und unattraktiv wäre.

Von der Kappung war anfangs nicht die Rede

Bei der Volksabstimmung über Stuttgart 21 im Jahr 2011 war die Anbindung der Gäubahn als integraler und parallel mit dem Bahnhofsprojekt zu verwirklichender Bestandteil präsentiert worden. In den Regionen entlang der Gäubahn gab es für das Vorhaben eine Mehrheit. Die Bahn hatte damals die Anbindung über die bestehende Flughafen-S-Bahn geplant.

Bahn scheiterte mit ersten Varianten

Zweifel an der verkehrlichen Machbarkeit dieser Variante, Proteste der Anlieger, langwierige Beteiligungsprozesse und mehrere Umplanungen verzögerten diesen Bauabschnitt aber so, dass eine mehrjährige Abkoppelung der Gäubahn vom Stuttgarter Hauptbahnhof der einzige Ausweg blieb – trotz der in der Zwischenzeit eingetretenen Verzögerungen des Gesamtprojekts.

Auch wenn nun der Pfaffensteigtunnel tatsächlich gebaut werden sollte, werden alle Züge aus Richtung Gäu und Bodensee für mehrere Jahre am Stadtrand in Stuttgart-Vaihingen beginnen und enden müssen. Nach Fertigstellung würden die Züge nach Stuttgart einen Schlenker über den Flughafen machen.

Gerichtliche Klagen, welche die Kappung der Gäubahn stoppen wollten, blieben bisher allesamt erfolglos – zuletzt vor dem baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshof in Mannheim. Ziel der Kläger war dabei nicht der Bau des Tunnels sondern eine oberirdische Anbindung in einem auch nach der Eröffnung von Stuttgart 21 weiter betriebenen Teil des bestehenden Kopfbahnhofes.