Fußball-Bundesliga
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So soll Derrick Köhn Union Berlin helfen
Mi 20.08.25 | 13:34 Uhr | Von Till Oppermann
Bild: IMAGO/Matthias Koch
Die Neuverpflichtung von Derrick Köhn folgt Unions Strategie, mehr Tempo in die Mannschaft zu holen. Außerdem ist der Verein nun vorbereitet auf einen möglichen Wechsel von Stammspieler Diogo Leite. Von Till Oppermann
281-mal ermittelte Oberinspektor Stephan Derrick im ZDF. So viele Bundesliga-Spiele hat sein Namensvetter Derrick Köhn noch lange nicht. „Ich habe noch eine Rechnung mit der Bundesliga offen“, sagte er deshalb in einem Vorstellungsvideo auf Alte Försterei TV.
Mit seinen Eltern, die ihn nach der berühmten Fernsehserie benannten, kommt Köhn glücklicherweise besser klar als mit der Spielzeit in seiner bisher ersten Bundesligasaison: „Ich mag den Namen“, so Köhn.
Nach Stationen bei Bayern München, Willem II Tilburg, Hannover 96, Galatasaray und Werder Bremen will Köhn sich bei Union endlich in der ersten deutschen Liga etablieren. Unter Ole Werner kam der gebürtige Hamburger in der vergangenen Saison auf 27 Spiele, aber nur 13-mal durfte er von Beginn an spielen. Ausgerechnet in Werders bester Phase, als die Bremer durch eine Serie im Frühling vom Europapokal träumten, war Köhn nur noch Ersatz.
Wie viel Schaden er mit seinen Offensivläufen über die linke Seite beim Gegner anrichten kann, bekam sein neuer Verein kurz vor Weihnachten 2024 zu spüren. Zu Werders 4:1-Sieg steuerte Köhn zwei Vorlagen bei. Einige Tage später war Bo Svensson als Trainer der Eisernen Geschichte und wurde von Steffen Baumgart beerbt.
Köhn will offensive Akzente setzen
Dass der nun nicht mehr so neue Trainer zum Bundesligaauftakt am Samstag mit Köhn planen kann, ist Teil seiner eigenen Entwicklung. Nach einigen gescheiterten Versuchen, mit einer Viererkette zu spielen, bekennt sich Baumgart mittlerweile voll zum System mit Schienenspielern auf der Außenbahn. Auch in der Konsequenz, dass Unions Transfer-Antwort auf den Ruf nach mehr Kreativität im Mittelfeld ein neuer Außenverteidiger ist.
Aber einer, der in erster Linie nach vorne denkt: „Ich bin sehr offensivfreudig, gehe gerne ins Dribbling, suche den Torabschluss oder den letzten Pass“, beschreibt Köhn sein Spiel.
Mit Köhns Hilfe vertikaleres Spiel
Einige Statistiken geben ihm Recht. In Europa gehörte Köhn in der Vorsaison zu den Außenverteidigern, die die meisten Pässe in die Tiefe fanden. 8,18 waren es im Schnitt pro Spiel: Damit schlug Köhn 95 Prozent seiner Positionskollegen. Mit ihm wird Unions Spiel also deutlich vertikaler.
Zumal der 26-Jährige auch im Eins-gegen-Eins überzeugt. Köhn gelingen überdurchschnittlich viele Aktionen, die zu Torschüssen führen. Mit ihm könnten die häufig so harmlosen Unioner also torgefährlicher werden: „Mit seiner Flexibilität und seinem Drang nach vorne hat er viele Möglichkeiten auf der linken Seite“, hofft Horst Heldt.
Für Heldt ist es nach Oliver Burke und Stanley Nsoki der nächste Transfer eines der 50 schnellsten Bundesligaspieler der Vorsaison. Und auch Ilyas Ansah und Livan Burcu gehörten im letzten Jahr zu den schnellsten Spielern der zweiten Liga. Offenbar wollen die Verantwortlichen Unions Mannschaft athletischer aufstellen. Nicht umsonst lobte Heldt bei der Vorstellung außer Köhns Bundesligaerfahrung dessen Tempo.
Diese neue Qualität im Kader lässt zwei Rückschlüsse auf die gewünschte Spielweise zu. Weil Baumgarts Umschaltfußball in Zeiten der Renaissance der Manndeckung im Profifußball etwas weniger erfolgsversprechend ist, brauchen die Unioner Offensivspieler, die ihren Gegner mit ihrem Tempo im Eins-gegen-Eins-Duell einfach abhängen können. Und je schneller die eigenen Spieler sind, desto höher kann eine Mannschaft pressen – sollte der Gegner das Pressing überspielen, kann Union besser auf Bälle in die Tiefe reagieren, so zumindest der Plan.
Dazu passt auch die neue Rolle von Tom Rothe: In der vergangenen Saison spielte er noch auf Köhns Position auf der linken Schiene. Jetzt ist er der halblinke Innenverteidiger in der Dreierkette und auf Anhieb der antrittstärkste Spieler in der Reihe – Leopold Querfeld und Danilho Doekhi, die sich während der Vorbereitung als seine Partner herauskristallisierten, profitieren davon, dass Rothe tiefe Bälle hinter die Kette ablaufen kann.
Horst Heldt, Manager 1. FC Union Berlin
Auch deshalb scheint der drohende Abgang seines Vorgängers Diogo Leite Trainer Steffen Baumgart kalt zu lassen. Der Portugiese war zwar im Spielaufbau einer der wichtigsten Spieler der Mannschaft, aber seine fehlende Geschwindigkeit gleichzeitig einer der Gründe, dass Union nie so hoch anlaufen konnte, wie es sich erst Svensson und dann Baumgart gewünscht hätten.
Mit Köhn, Robert Skov und Nachwuchstalent Andrik Markgraf ist die linke Seite jetzt so gut besetzt, dass Rothe dauerhaft in der Innenverteidigung eingeplant werden kann. Der Leite-Ersatz ist also schon da.
„Wir trauen ihm zu, unserer Mannschaft auf Anhieb helfen zu können, und er passt auch charakterlich gut zu uns“, erklärt Horst Heldt, der außerdem Köhn Flexibilität hervorhebt.“ Und auch Köhn ist „überzeugt“, dass seine Qualitäten gut zur Spielweise der Mannschaft passen.
Kein Wunder also, dass Union trotz Konkurrenz aus Mönchengladbach, Köln und Bremen als erstes bereit war, Galatasarays Ablöseforderungen zu entsprechen. Für Köhn bezahlen die Eisernen mindestens vier Millionen Euro, bei einem Weiterverkauf bekommen die Istanbuler 20 Prozent der neuen Transfersumme.
Beitrag von Till Oppermann