Die Bamberger Fotografin zeigt zurzeit im Kunstraum Kesselhaus unter dem Titel „Zwischen Blut und Glitzer“ Bilder von Wrestling-Kämpferinnen aus Ciudad Juárez in Mexiko. Ein Langzeitprojekt, mehr als zwei Jahre lang hat die 32-Jährige diese Luchadoras, abgeleitet vom mexikanischen Begriff für Wrestling „Lucha Libre“, immer wieder begleitet. Sie hat ihre Kämpfe dokumentiert und auch ihr Leben abseits des Rings. Die Frauen leben in einer der gefährlichsten Städte der Welt, direkt an der Grenze zu den USA, wo Gewalt und Femizide zur Normalität gehören.

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„Das ist bedrückend“, sagt Jana Margarete Schuler. Dreimal war sie in den vergangenen zweieinhalb Jahren dort und hat all die Gefahren erlebt, denen vor allem Frauen ausgesetzt sind. Einfach rausgehen, undenkbar, alleine einkaufen, nicht möglich. Die Luchadoras widersetzen sich der Unterdrückung, sagt Schuler, das Wrestling sei ihre Art des Widerstands. Sie ignorieren die Zwänge, die ihnen das Leben dort auferlegt und fordern Respekt und Gleichberechtigung.

Die junge Frau hat eine Beziehung aufgebaut zu den Frauen, nicht einfach im Vorbeigehen geknipst. Das sieht man den Fotos an.

Da ist die Nahaufnahme einer Frau, Kämpferinnenname Universis, mit ihrer roten Wrestling-Maske im Gesicht, die ihre kleine Tochter im Arm hält und liebevoll auf die Stirn küsst. Ein anderes Bild zeigt sie auf der Straße, in der sie lebt, direkt an der mexikanisch-amerikanischen Grenze. Die Gegend sei von Gewalt, Drogen und dem ewigen Strom von Menschen geprägt, die ihr Glück in den Vereinigten Staaten suchen, erzählt Schuler.

Universis hat sich mit dem Lucha Libre aus dem Kreislauf von Gewalt und Drogen befreit, erzählt Jana Margarete Schuler. Sie gewann mehr Selbstbewusstsein, machte einen Schulabschluss und studiert jetzt.Universis hat sich mit dem Lucha Libre aus dem Kreislauf von Gewalt und Drogen befreit, erzählt Jana Margarete Schuler. Sie gewann mehr Selbstbewusstsein, machte einen Schulabschluss und studiert jetzt. (Foto: Jana Margarete Schuler)

Und da ist Sayuri, die jüngste, gerade einmal 15 Jahre alt, die unter ihrer Maske fröhlich grinst – und die Zahnspange zeigt.

Sayuri ist die jüngste Luchadora, als das Foto entstand, war sie erst 15 Jahre alt.Sayuri ist die jüngste Luchadora, als das Foto entstand, war sie erst 15 Jahre alt. (Foto: Jana Margarete Schuler)

Das Kesselhaus, die frühere Heizungszentrale eines ehemaligen Krankenhauses, ist mit seinem etwas abgerockten Charme in der sonst so herausgeputzten Domstadt der perfekte Ausstellungsraum für die Fotos. 50 Bilder, teilweise 3,5 mal 2,5 Meter groß, zeigen eine Welt, die den meisten Besuchern sehr fremd sein dürfte. Schuler hat sich Kurator Wolfgang Zurborn an die Seite geholt, der die Fotos in dem alten Zweckbau perfekt in Szene setzt.

Das Projekt blieb nicht ohne Vorbehalte. „Jemand, der sich für Kunst interessiert, der interessiert sich doch nicht für Wrestling“, sei so ein Satz gewesen, den sie immer wieder zu hören bekam, erzählt die Fotografin. Nun, es klappt offenbar doch. Selten war das Kesselhaus so voll, wie am Eröffnungswochenende, selten war das Publikum so bunt gemischt. Und es gab echte Wrestling-Kämpfe zu sehen. Weibliche Profis aus mehreren Ländern boten in einem eigens aufgebauten Ring ihre Show, was viele Zuschauer begeisterte und ein paar sichtlich überforderte.

Der Industriecharme des ehemaligen Kesselhauses eines Krankenhauses gibt den Fotos den passenden Rahmen.Der Industriecharme des ehemaligen Kesselhauses eines Krankenhauses gibt den Fotos den passenden Rahmen. (Foto: Torben Becker)

Jana Margarete Schuler ist Dokumentarfotografin, „ich will keinen Abstand halten“, sagt sie. Street-Fotografie ist nicht ihr Metier, also das Abbilden von fremden Menschen auf der Straße. Sie sucht Kontakt zu ihren Protagonistinnen. Das sind nicht nur, aber gerne Frauen. „Die Fotografie ist männerdominiert“, sagt Schuler. Auch deswegen fühle sie sich zu Themen hingezogen, „die mich als Frau beschäftigen“.

Nischenthemen interessieren sie, Menschen seien „superspannende Wesen“. Für das SZ-Magazin hat sie Julia und Ingmar fotografiert, die zusammen eine Tochter bekommen haben, aber nie ein Paar waren, sondern jeweils andere Partner haben. Dieses intime Thema habe sie deswegen gewählt, weil die beiden ihre Geschichte öffentlich machen wollten, um anderen Mut zu machen. Ihre Arbeit, sagt Schuler, soll auch denen nützen, die sie abbildet.

Jana Margarete Schuler im Wrestlinganzug bei der Ausstellungseröffnung. Den Body hat ihr ein Schneider in Ciudad Juárez gemacht, der auch die Outfits der Luchadoras anfertigt. Selbst ist sie aber noch keine Wrestlerin geworden.Jana Margarete Schuler im Wrestlinganzug bei der Ausstellungseröffnung. Den Body hat ihr ein Schneider in Ciudad Juárez gemacht, der auch die Outfits der Luchadoras anfertigt. Selbst ist sie aber noch keine Wrestlerin geworden. (Foto: Torben Becker)

Den Zugang zu den Luchadoras in Mexiko hat Schuler durch Kathrin Zeiske bekommen, eine deutsche Journalistin, die seit mehr als zehn Jahren zwischen Bonn und Ciudad Juárez pendelt. Zeiske ist selbst Luchadora, als Miss Kath steht sie im Ring. Als solche lernte sie ihren Partner kennen, Künstlername Pagano, einen der bekanntesten Wrestler Mexikos und der Welt. Für ihn zog sie nach Ciudad Juárez und führte Schuler dort ein in den Kreis der Luchadoras.

„Ich wollte die Frauen nicht nur beim Kampf fotografieren, sondern auch ihr Leben erzählen“, sagt Schuler. Gar nicht so einfach, denn private Besuche von Fremden sind nicht üblich, zumal die Frauen oft in beengten Verhältnissen leben. „Es hat gedauert, bis sie sich geöffnet haben“, sagt die 32-Jährige. Erst als die Frauen sich selbst auf Schulers Fotos von den Kämpfen gesehen hatten, stimmten sie auch privaten Aufnahmen zu.

Eigentlich wollte Jana Margarete Schuler Sängerin werden, schon in der Grundschule, und das ist sie auch geworden. Als Jana Türlich ist sie mit ihrer Band unterwegs. Schon als Teenager interessierte sie sich auch für die Fotografie, aber nach dem Abitur entschied sie sich doch für etwas vermeintlich Solides: Medienmanagement. Sie verdiente ihr Geld als Hochzeitsfotografin und Moderatorin von Veranstaltungen, machte Straßenmusik, bis sie schließlich zurückkehrte zur Dokumentarfotografie und ein zweites Studium in Hannover begann.

„Niemand hat mir gesagt, dass man freiberufliche Fotografin sein kann“, sagt sie und lacht dabei, nun hat sie den Weg eingeschlagen, den sie längst gehen wollte. Durchaus erfolgreich,  „dadurch ist der Studienabschluss etwas liegengeblieben“, sagt sie, im nächsten Semester steht er nun an. Sie fotografiert für große Magazine, die Zeit, den Stern, das SZ-Magazin. Daheim ist sie in Bamberg, aber für ihre Reportagen ist sie in der ganzen Welt unterwegs.

Die Schau in Bamberg ist ihre erste Einzelausstellung, weitere sollen folgen. Im März – mit Eröffnung am weltweiten Frauentag am 8. März – wird die Ausstellung auch in Mexiko zu sehen sein, in einer Galerie in Ciudad Juárez. Auch dort will Jana Margarete Schuler eine Brücke schlagen. „Die Luchadoras würden sonst nie in diese Galerie gehen“, sagt sie. Jetzt haben sie einen Grund.

Die Ausstellung „Zwischen Blut und Glitzer“ ist bis zum 7. September im Kunstraum Kesselhaus zu sehen, Untere Sandstraße 42, Bamberg. Öffnungszeiten: Freitag 15 bis 19 Uhr, Samstag und Sonntag 13 bis 19 Uhr. Jana Margarete Schuler bietet Führungen an am 22. und 29. September um 18 Uhr und am 23. September um 15 Uhr. Eine Lesung mit Kathrin Zeiske findet am 31. August um 20 Uhr statt. Eine Finissage gibt es am 6. September um 19 Uhr.