Northvolt Labs im Dezember 2019 [Photo by Anders Utbult / CC BY 4.0]
Anfang August wurde der schwedische Hersteller von Hochleistungsbatterien für Elektrofahrzeuge Northvolt – einst als bestfinanziertes Start-up der Europäischen Union (EU) bekannt – vom US-amerikanischen Batteriehersteller Lyten übernommen. Die Übernahme erfolgte nach einem monatelangen Insolvenzverfahren gegen Northvolt in Schweden und den Vereinigten Staaten.
Viele Jahre lang galt Northvolt als wichtige Komponente in den europäischen und amerikanischen Bemühungen, eine Lieferkette für Elektrofahrzeugbatterien in relativer Unabhängigkeit von Ostasien aufzubauen. Heute kontrollieren ostasiatische Länder schätzungsweise 80 bis 85 Prozent der weltweiten Lithium-Ionen-Batterieproduktion, wobei allein China etwa 75 Prozent davon ausmacht. Vor allem die europäischen Imperialisten haben Northvolt mit erheblichen staatlichen Subventionen gefördert, weil sie damit in der aufstrebenden „saubere Energie”-Wirtschaft ihre Unabhängigkeit von den Vereinigten Staaten stärken wollten.
Im Laufe des letzten Jahres wurde jedoch immer deutlicher, dass die Produktionsstätten von Northvolt mit ernsthaften industriellen Problemen zu kämpfen hatten: hohe Fehlerquoten, extrem niedrige Werkleistung und unaufhaltsame Geldverbrennung. Dies gipfelte in der Insolvenz des Unternehmens – zunächst in den USA im November 2024 und dann in Schweden im März 2025.
Auf dem Höhepunkt der Krise von Northvolt gab es Gerüchte, dass das Unternehmen wöchentlich chinesische Batterietechniker und Ingenieure habe einfliegen lassen, um die Schäden an den Fabrikmaschinen zu beheben. Wichtige Teile waren von Wuxi Lead Intelligent, dem weltweit führenden Lieferanten dieser Maschinen, importiert worden. Dieser Aspekt verdeutlichte, wie weit europäische Unternehmen im Wettlauf um die Vorherrschaft auf dem Markt für Elektrofahrzeuge hinter chinesische Hersteller zurückgefallen waren.
Nun übernimmt Lyten, ein Start-up-Unternehmen mit Sitz im Silicon Valley, das von Investoren wie Stellantis, FedEx, Honeywell und McKinsey getragen wird, die wichtigsten Vermögenswerte von Northvolt. Zu welchem Preis wird zwar nicht bekanntgegeben, doch er muss stark herabgesetzt sein.
Zu Northvolt gehören die riesige Gigafabrik in Skellefteå im Norden Schwedens, die Forschungsanlage des Unternehmens in Västerås bei Stockholm und das Bauprojekt eines neuen Werks im deutschen Heide (Schleswig-Holstein). Dan Cook, Geschäftsführer von Lyten, präsentiert den Deal mit Northvolt als Teil einer umfassenderen Strategie zur Etablierung sicherer lokaler Lieferketten in Europa und den Vereinigten Staaten, und er verweist dabei auf die bestehenden engen Beziehungen von Northvolt zu mehreren westlichen Automobilherstellern.
Im Gegensatz zu Northvolt, das sich auf herkömmliche Lithium-Ionen-Batterien für den Elektrofahrzeugmarkt konzentrierte, ist Lyten auf Lithium-Schwefel-Technologie spezialisiert. Dieses Chemieverfahren ist nach eigenen Angaben in der Herstellung kostengünstiger, und es bietet eine höhere Energiedichte. Das fusionierte Unternehmen wird nun beide Technologien weiterverfolgen.
Die Insolvenz von Northvolt und die anschließende Übernahme durch ein amerikanisches Unternehmen unterstreichen mehrere miteinander verbundene wirtschaftliche und geopolitische Realitäten.
Erstens bleiben die Vereinigten Staaten und Europa trotz erheblicher Anstrengungen – Investitionen und Subventionen in Höhe von mehreren Dutzend Milliarden Dollar – deutlich hinter Chinas rascher Entwicklung von EV-Batterien zurück. Zwischen 2020 und 2024 erlebte China einen rasanten Aufschwung seiner Automobilindustrie: Das Land steigerte seine Exporte von unter einer Million auf 5,7 Millionen Fahrzeuge und überflügelte damit alle anderen Länder, einschließlich Deutschland und Japan. Ein Großteil dieses Wachstums ist auf Elektrofahrzeuge zurückzuführen, was durch Chinas Dominanz in der Produktion von Hochleistungsbatterien und seine Kontrolle über die dafür benötigten kritischen Mineralien möglich wurde.
Trotz jahrelanger Versprechungen liegen die USA und die EU bei Elektrofahrzeugen weiterhin weit zurück. Laut dem Center for European Policy Analysis kontrolliert China nun „die gesamte Lieferkette für Elektrofahrzeuge – vom Abbau der Mineralien über die Entwicklung der Batterien und die Herstellung der Autos bis hin zur Entwicklung der Betriebssoftware und sogar zum Transport der Fahrzeuge“. Sechs der zehn weltweit führenden Hersteller von Elektrofahrzeugen sind chinesisch, und BYD hat Tesla bereits als weltweit größten Verkäufer überholt. Einige chinesische Elektroautos werden mittlerweile für unter 10.000 US-Dollar verkauft – ein Bruchteil der Kosten in Europa oder Amerika – und werden nur durch hohe Zölle von diesen Märkten ferngehalten.
Dabei unterbietet der Verkauf chinesischer Elektroautos außerhalb der westlichen Märkte inzwischen die etablierten Automobilhersteller. Zum Beispiel besteht ein zentrales Problem bei den aktuellen Schwierigkeiten von Volkswagen darin, dass sich der chinesische Markt, lange Zeit der wichtigste Gewinnbringer des Unternehmens, gerade von den europäischen und amerikanischen Marken ab- und chinesischen Autos zuwendet.
Insgesamt stellt Chinas Dominanz im Bereich der Elektroautos ein ernstes Problem für den amerikanischen Imperialismus und seine ehemaligen europäischen Verbündeten dar.
Ein Großteil der herrschenden Klasse in den USA und der EU erkennt, dass die Energiewende fossil betriebene Autos und Lastwagen unweigerlich immer teurer und veralteter machen wird. So hat Rystad Energy, ein weltweit führender Berater für Öl und Gas, festgestellt: „Die weltweiten Erdölreserven reichen nicht aus, um die Ölnachfrage zu decken, wenn es keinen Übergang zu Elektrofahrzeugen gibt.“ Mit anderen Worten: Der Umstieg auf Elektrofahrzeuge wird nicht nur durch die Nachfrage (Elektrofahrzeuge werden zwangsläufig billiger und leistungsfähiger) vorangetrieben, sondern auch durch Angebotsengpässe. Und die Ölpreise dürften trotz der derzeitigen relativen Flaute im nächsten Vierteljahrhundert voraussichtlich auf neue Höchststände klettern.
Wenn es den Vereinigten Staaten und Europa nicht gelingt, eigene Lieferketten für die Produktion erschwinglicher, fortschrittlicher Elektrofahrzeuge, einschließlich der Batterien und kritischen Mineralien, aufzubauen, laufen sie Gefahr, immer stärker von China abhängig zu werden, insbesondere weil der Druck weltweit steigt, sich von den Verbrennungsmotoren abzuwenden. Dies untergräbt Washingtons Kriegsbestrebungen gegen China – und beschleunigt sie zugleich, da die USA ihre Position sichern wollen, ehe das globale Öl- und Gaszeitalter zu Ende geht.
Gleichzeitig erschwert die tiefe Kluft in den transatlantischen Beziehungen eine kohärente strategische Industriepolitik zusätzlich. Das ständige Schwanken zwischen fossilen Brennstoffen und erneuerbarer Energie innerhalb der amerikanischen herrschenden Klasse ist nicht nur die Marotte einer Regierung auf Zeit, sondern spiegelt die tiefere Irrationalität des Kapitalismus selbst wider: den anarchischen Wettbewerb sowohl zwischen rivalisierenden Teilen der Kapitalistenklasse als auch zwischen den Nationalstaaten.
Lytens Kauf von Northvolt unterstreicht die Tatsache, dass der amerikanische Imperialismus und seine ehemaligen europäischen Verbündeten sich zunehmend als Gegner betrachten. Was ursprünglich als gemeinsamer transatlantischer Vorstoß zur Befreiung aus der Dominanz Chinas angepriesen wurde, hat sich zum Versuch US-amerikanischer Unternehmen entwickelt, europäische Vermögenswerte zu massiven Preisnachlässen aufzukaufen. Und Brüssel kämpft darum, seine Industrieprojekte zusammenzuhalten. Um die Dinge ins rechte Licht zu rücken: Northvolt wurde mit rund 25 Milliarden Dollar Kapital finanziert, wird seine Vermögenswerte aber wahrscheinlich für rund 1 Milliarde Dollar oder weniger an Lyten verkaufen.
Die deutsche herrschende Klasse pries Northvolt als Vorreiter von „grüner Energie“ der Zukunft. Die Ampelkoalition hatte in Zusammenarbeit mit der Landesregierung Schleswig-Holstein 600 Millionen Euro für die Northvolt-Gigafabrik in Heide bereitgestellt, und sie sollte Ende 2027 die Produktion aufnehmen. Weitere 300 Millionen Euro, die die Berliner Regierung Northvolt im Jahr 2020 an Kreditgarantien gewährt hatte, waren zum Zeitpunkt der Insolvenz des Unternehmens noch ausstehend, sodass über 900 Millionen Euro an öffentlichen Geldern verloren gehen könnten.
Die Scholz-Regierung stellte die Fabrik in Heide als Symbol für die Energieunabhängigkeit Europas hin. Gleichzeitig führten die europäischen imperialistischen Mächte Krieg gegen Russland in der Ukraine und hatten deshalb die billigen russischen Energieimporte eingestellt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und sein Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) führten im März 2024 die hochrangige Delegation an, die den Baubeginn auf dem geplanten Fabrikgelände feierte. Nun ist offen, ob die Fabrik jemals die Produktion aufnehmen wird. Bislang sind nur die Fundamente fertiggestellt.
Die umfassende Krise des europäischen Kapitalismus kam im letztjährigen Draghi-Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit Europas zum Ausdruck. Darin wurde gewarnt, dass Europa vor einer „existentiellen Herausforderung“ stehe, da es sowohl gegenüber den USA als auch gegenüber China weiter zurückfalle. Das Wachstum in Europa ist fast zum Stillstand gekommen, die Energiekosten sind nach wie vor um ein Vielfaches höher als in den USA, und das fragmentierte Finanzierungssystem der EU verhindert Investitionen im erforderlichen Umfang in die Spitzentechnologien.
Ein Artikel im Wall Street Journal vom 15. August bezeichnete die wachsende „Dominanz“ US-amerikanischer Investoren über die europäischen Finanzmärkte als „Notfall“ für Europa. Das Journal weist auf die Tendenz europäischer Unternehmen hin, ihre Hauptgeschäftsbereiche in den USA zu notieren, und stellt fest:
Laut Dealogic sind in Großbritannien bislang in diesem Jahr sechs Unternehmen an die Börse gegangen und haben dabei 208 Millionen Dollar eingesammelt – den niedrigsten Stand seit drei Jahrzehnten. Auf der anderen Seite des Ärmelkanals sieht es trotz boomender Aktienmärkte nicht viel besser aus. In Kontinentaleuropa hat sich der Wert der Börsengänge im Vergleich zum Vorjahr fast halbiert. In den USA hingegen stieg das Kapitalaufkommen um 38 Prozent auf rund 40 Milliarden Dollar.
Der Northvolt–Zusammenbruch ist für die strukturelle Schwäche des europäischen Kapitalismus symptomatisch. Er trägt zur wachsenden Unzufriedenheit der europäischen herrschenden Klasse über ihre Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten bei, insbesondere wenn es um die Ukraine, die Rüstung oder Hochtechnologien wie KI und Elektrofahrzeuge geht.
Zu Spitzenzeiten beschäftigte die Hauptfabrik von Northvolt in Nordschweden rund 4.000 Mitarbeiter. Die Megafabrik galt als Stütze für eine umfassende regionale Entwicklung Nordschwedens, einer dünn besiedelten Region, die auf der Grundlage billiger Wasserkraft zu einem Zentrum für erneuerbaren Stahl und für Elektrofahrzeuge geworden ist. Mit der Northvolt–Insolvenz sind schon Tausende dieser Arbeitsplätze und mit ihnen Tausende weiterer Unternehmen und Existenzen in der Region zerstört worden. Berichten zufolge könnten einige dieser Arbeitsplätze nun zurückkehren, wenn Lyten die Produktion hochfährt. Allerdings hatte Lyten zuvor, als es das polnische Akku-Werk von Northvolt übernahm, sogar weitere Stellen abgebaut.
Unterdessen erzielen chinesische Autohersteller weiterhin Durchbrüche. Im Jahr 2025 kündigte BYD ein neues Ladesystem an, mit dem eine Batterie mit einer Reichweite von über 400 Kilometern in nur fünf Minuten aufgeladen werden kann. Doch selbst wenn chinesische Elektrofahrzeuge weltweit das Tempo der Branche vorgeben, kündigt die Intensität des Wettbewerbs in China – in Verbindung mit der Überproduktion und einer Abflachung des Nachfragewachstums – eine neue Welle von Insolvenzen an. Dabei werden schwächere Unternehmen aus dem Markt gedrängt, da sich die Branche konsolidiert.
Letztendlich zeigt der industrielle Konflikt um kritische Mineralien und Elektrofahrzeuge, der sich in der Übernahme von Northvolt durch Lyten äußert, die Irrationalität des Kapitalismus selbst. Gerade in einer Zeit, in der globale Zusammenarbeit für den Aufbau einer erneuerbaren Zukunft am dringendsten benötigt wird, wetzen die Großmächte die Messer und treiben in ihrer Rivalität immer schneller auf Konfrontation und Krieg zu. Die Hauptlast für die Verbesserung der „Wettbewerbsfähigkeit“ wird in jedem Land die Arbeiterklasse tragen und in Form von Arbeitsplatzverlust und Angriffen auf Löhne und Arbeitsbedingungen zu spüren bekommen.