Anfang Juli hatte die Stadtverordnetenversammlung beschlossen, im Gebäude Niddastraße 76 am Frankfurter Hauptbahnhof ein Suchthilfezentrum einzurichten. Mittlerweile hat die Entwicklungsgesellschaft KEG, an der die Stadt mit 50 Prozent beteiligt ist, die Immobilie gekauft. Das teilte das Büro von Sozialdezernentin Elke Voitl (Die Grünen) auf Anfrage mit. Der Kaufvertrag sei geschlossen worden, heißt es aus dem Dezernat. Damit könnten nun die nächsten Schritte erfolgen, die vor allem den Umbau des Gebäudes beträfen. Die Kosten für den Erwerb belaufen sich den Angaben zufolge auf rund sechs Millionen Euro. Hinzu kämen geschätzte Umbaukosten von rund 4,2 Millionen Euro.

Die Einrichtung des Suchthilfezen­trums, zumal in diesem Gebäude in der Nähe des Frankfurter Hauptbahnhofs, gehört zu den umstrittensten Projekten der Stadtregierung. Als der Standort des geplanten Zentrums im Frühjahr bekannt wurde, kritisierten Anwohner die Stadt für diese Entscheidung. Sie gaben an, sie fühlten sich „hintergangen“. SPD und Grüne begründeten die Notwendigkeit des Hilfezentrums mit dem Argument, dass man auf diese Weise gegen die offene Drogenszene vorgehen und das Erscheinungsbild auf den Straßen ansehnlicher machen könne.

Die FDP, damals noch Bestandteil der Mehrheitskoalition im Stadtparlament, lehnte das Vorhaben ab. Sie bezweifelt, dass ein Suchthilfezentrum helfen könne, die Drogenszene zu beordnen. Wenige Tage nach dem Beschluss zum Suchthilfezen­trum im Stadtparlament am 3. Juli gab die FDP-Fraktion bekannt, die Koalition zu verlassen. Sie besteht seitdem nur noch aus drei Parteien: Grüne, SPD und Volt.

Keine Einlasskontrollen geplant

Ursprünglich sollte das „Neue Frankfurter Suchthilfezentrum“, wie die Einrichtung offiziell heißt, nur für Personen zugänglich sein, die fest der Frankfurter Szene zuzuordnen sind. Das jedoch wurde in der Stadtverordnetenversammlung abgelehnt. Für eine solche Regelung hatten sich die Grünen ausgesprochen, die SPD bis auf eine Abweichlerin ebenso. CDU und FDP stimmten dagegen, mit dem Argument, dass sie das Suchthilfezentrum an diesem Standort generell ablehnen.

Gefordert hatte eine Reglementierung der Zielgruppe Oberbürgermeister Mike Josef (SPD). Das hatte vor allem bei den Trägern der Drogenhilfseinrichtungen für Unmut gesorgt. Auch die Linke-Fraktion sprach sich dagegen aus. Dass es in dem neuen Suchthilfezentrum nun keine Einlasskontrollen geben wird, kommentierte die Sprecherin des Sozialdezernats mit den Worten: „An diesen Beschluss sind wir gebunden.“ Negative Auswirkungen auf bereits bestehende Angebote oder das neue Zentrum erwarte sie nicht. Die Erfahrung zeige, dass die Menschen nicht wegen der Hilfsangebote nach Frankfurt kämen, sondern deshalb, weil sie dort Zugang zu Drogen hätten.

Konsum auf offener Straße: So etwas soll durch Suchthilfezentrums nicht mehr vorkommen.Konsum auf offener Straße: So etwas soll durch Suchthilfezentrums nicht mehr vorkommen.dpa

Gleichzeitig bleibe das Ziel, Menschen mit Unterstützungsbedarf nach Möglichkeit in weiterführende Hilfen außerhalb des Bahnhofsviertels oder zurück in die Herkunftsregion zu vermitteln, so die Sprecherin weiter. Dafür sei eine „interkommunale Zusammenarbeit“ entscheidend. Voitl hatte dafür im Mai einen Arbeitskreis auf Ebene des hessischen Städtetags initiiert. Dieser soll unter dem Vorsitz der Stadt Frankfurt erarbeiten, wie eine koordinierte Drogenhilfe zwischen den Städten gelingen könne. „Darüber hinaus erwarten wir auch Unterstützung durch das Land“, so die Sprecherin.

Derzeitige Mieter bekommen „keine Unterstützung“

Doch auch nach dem Kauf der Immobilie durch die halbstädtische Gesellschaft KEG sind viele Fragen offen. So sind derzeit noch einzelne Räume des Gebäudes vermietet. Mit den Mietern „werden aktuell Gespräche geführt“, teilte Voitls Sprecherin mit. Die Stadt unterstütze die Beteiligten bei der Suche nach passenden Ersatzräumlichkeiten.

Zu den derzeitigen Mietern gehört neben einer Bürogemeinschaft mit einem Architekturbüro auch das Yoga Vidya Center Frankfurt. Dessen Leiterin, Maryia Drahavets, sagte auf Anfrage, dass sie von der Stadt bisher weder Unterstützung erhalten habe, noch die Stadt Kontakt mir ihr aufgenommen habe. Wenn sie keine Ersatzräume für das Yoga-Zentrum finde, müsse sie das Zentrum schließen.

Runder Tisch für Anwohner und Geschäftsleute geplant

„Das Objekt muss einerseits baulichen Anforderungen entsprechen und für die künftige Nutzung geeignet sein, andererseits muss es auch finanzierbar und verfügbar sein“, sagte Sozialdezernentin Voitl, nachdem sie Anfang April den Standort an der Niddastraße 76 bekannt gegeben hatte. Allerdings sollte nicht die Stadt selbst, sondern die stadtnahe Entwicklungsgesellschaft KEG das Objekt kaufen und anschließend an die Träger der Hilfeeinrichtung vermieten.

An mehreren Informationsabenden informierte die Stadt die Anlieger der Niddastraße über die geplante Drogeneinrichtung und beantwortete Fragen. Nach den Informationsgesprächen habe es vereinzelt Schriftwechsel mit den unmittelbaren Nachbarn gegeben, heißt es im Dezernat. Mit dem Umbau der neuen Einrichtung solle auch ein Runder Tisch für Anwohner und Geschäftsleute eingerichtet werden. „Als Anlaufstelle für alle Belange und damit wir schnell reagieren können, sollten Probleme auftauchen.“ Zu möglichen Klagen gegen das Suchthilfezentrum liegen dem Dezernat den Angaben zufolge keine Informationen vor.

Bauaufsicht teilt Einschätzung der Gutachter nicht

Im Juni veröffentlichte die Eigentümerinitiative Bahnhofsviertel ein Rechtsgutachten der Frankfurter Kanzlei FPS zum Standort des Suchthilfezentrums. Die – intern in der Kanzlei umstrittene – Stellungnahme kommt zu dem Schluss, dass das Zentrum an dieser Stelle nicht zulässig sei. „Denn die vorgesehene Einrichtung sprengt in ihrer Größe, ihrem Umfang und ihrer Intensität bei Weitem den Rahmen bisheriger ambulanter Drogenhilfeangebote – und geht zugleich deutlich über sämtliche bislang gerichtlich entschiedenen Fallkonstellationen hinaus“, heißt es in dem Gutachten.

Die Bauaufsicht der Stadt Frankfurt teile die Einschätzung der Gutachter nicht, heißt es aus dem Sozialdezernat. Die Liegenschaft befinde sich auf einem Flurstück, das als Kerngebiet ausgewiesen sei. Dort seien Anlagen für soziale oder gesundheitliche Zwecke allgemein zulässig, jedoch dürften diese nicht in unzumutbarer Weise gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot verstoßen. „Um diesem Gebot zu entsprechen und um Auswirkungen auf die Nachbarschaft zu reduzieren, sind für das Hilfezentrum eine Vielzahl baulicher, organisatorischer und ordnungspolitischer Maßnahmen geplant.“

Schnelles High: Das Suchthilfezentrum soll vor allem auf Cracksüchtige spezialisiert sein.Schnelles High: Das Suchthilfezentrum soll vor allem auf Cracksüchtige spezialisiert sein.dpa

Die Konzepte dazu würden derzeit erarbeitet. Schon vereinbart sei aber, dass der Bereich vor der Einrichtung und die Laufwege aus dem Bahnhofsviertel dorthin von der Polizei verstärkt kontrolliert würden. Lagern, Szenebildung, Vermüllung, Handel und Konsum sollen den Plänen der Stadt zufolge an diesen Orten unterbunden werden. Außerdem sei geplant, dass es im Innenhof einen Sicht- und Lärmschutz gebe. Unter anderem soll der Zaun zu den Nachbargrundstücken erhöht und der Hof überdacht werden. Außer den Hilfsangeboten, die es für die Drogenkranken geben soll, ist vorgesehen, dass Süchtige, die bisher auf der Straße konsumiert haben, dies nun im Innenhof tun.

Baubeginn und Öffnungszeiten sind noch unklar

Wann genau der Umbau zum Suchthilfezentrum beginnt, ist unklar. Das könne zum jetzigen Zeitpunkt nicht verbindlich beantwortet werden, „da die Prozesse noch laufen“, heißt es aus dem Dezernat. Zunächst müssten die Pläne für den Umbau erstellt und der Bauantrag eingereicht werden. „Da es sich um einen Sonderbau handelt, wird das Genehmigungsverfahren voraussichtlich länger dauern als bei einem Einfamilienhaus oder einem Bürogebäude“, so die Sprecherin. „Wir hoffen aber, so schnell wie möglich loslegen zu können.“ Eröffnet werden solle das Suchthilfezentrum zum Jahresende 2026.

Unklar ist noch, zu welchen Uhrzeiten die Einrichtung geöffnet sein soll. Das seien Details, die noch mit den künftigen Trägern geklärt werden müssten. Zudem sollen sie mit den Öffnungszeiten der bestehenden Einrichtungen abgestimmt werden, so die Sprecherin des Dezernats.

Das Hauptaugenmerk habe in den vergangenen Monaten darauf gelegen, die Bauplanung voranzubringen, sagte die Sprecherin weiter. Darunter falle die Aufteilung der Flächen im Haus. Zudem müsse festgelegt werden, welche Hilfsangebote und hygienischen Einrichtungen in welchem Teil des Hauses angesiedelt werden könnten. „Erst wenn klar ist, wo sich welche Zimmer befinden und wie die Laufwege aussehen, kann man die Abläufe im Haus abstimmen“, sagte die Sprecherin.

Die Angebote in der Drogenhilfeeinrichtung stünden hingegen fest. Dazu gehörten etwa Räume für inhalativen und intravenösen Konsum von Rauschmitteln, Ruhebereiche, ein psychiatrisches Angebot und ein separater Bereich für Frauen sowie medizinische Angebote und Beratungs- und Konferenzräume. Bisher war geplant, dass die Malteser gemeinsam mit dem Verein Jugendberatung und Jugendhilfe und der Integrativen Drogenhilfe die Einrichtung betreiben sollen. Nun hieß es aus dem Dezernat: „Die Frage der Trägerschaft wird im Projektverlauf weiter geprüft.“ Maßgeblich sei, welche fachlichen Kompetenzen künftig erforderlich seien, „auch mit Blick auf aktuelle Entwicklungen“.