Im Onko-Blog dieser Woche berichten wir über diese neuen Studien und Themen, welche die Krebstherapie verbessern können:
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Lungenkrebs: Elektronische Nase hilft bei der Diagnose
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Kolorektalkarzinom: Katastrophen können Diagnose und Therapie verzögern
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Harnblasenkarzinom: S3-Leitlinie aktualisiert
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Prostatakarzinom: Polygener Risikoscore zum Screening geeignet?
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Multiples Myelom: Erstlinientherapie mit Daratumumab-haltigen Schemata
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Immuncheckpoint-Inhibitoren: Seltene Nebenwirkung Lipodystrophie
Lungenkrebs: Elektronische Nase hilft bei der Diagnose
Durch Analyse der Ausatmungsluft mit Hilfe einer elektronischen Nase kann ein Lungenkarzinoms bei Menschen mit verdächtigen Befunden mit einer Genauigkeit von 80 bis 92% erkannt werde. Die Genauigkeit ist unabhängig vom Tumormerkmalen, vom Krankheitsstadium, von Diagnosezentren und von klinischen Merkmalen, so die holländische Autorengruppe in Annals of Oncology .
Die Analyse von flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) in der Ausatemluft wird seit Jahren als nicht invasive, nicht radiologische Methode zur Diagnose von Lungenkrebs untersucht. Durch die Analyse von VOC-Gemischen mit Mustererkennungsalgorithmen generieren eNoses Atemprofile als multidimensionale Biomarker und liefern numerische Wahrscheinlichkeiten für das Vorhandensein oder Fehlen spezifischer klinischer Zustände, ohne dass einzelne VOC identifiziert werden müssen, erläutern die Autoren.
In eine multizentrische, prospektive, externe Validierungsstudie wurden Erwachsene mit klinischem und/oder radiologischem Verdacht auf Lungenkrebs aus Thorax-Onkologie-Ambulanzen an 2 Standorten in den Niederlanden eingeschlossen. Atemprofile wurden mithilfe einer cloudbasierten eNose (SpiroNose) erfasst. Die diagnostische Leistung des ursprünglichen und eines neuen eNose-Modells wurde in verschiedenen Untergruppen erfasst.
Die Datenanalyse umfasste 364 Patienten einer Trainingskohorte und 121 Patienten einer Validierungskohorte. In der Trainingskohorte erkannte eNose Lungenkrebs bei 216 (59%) der 364 Patienten, darunter bei 98 von 116 (84%) Patienten mit COPD. Die Ergebnisse führten zu einem ROC-AUC (Receiver Operating Characteristic-Area Under the Curve) von 0,92 für die COPD-Untergruppe und 0,80 für die gesamte Kohorte.
Bei einer vordefinierten Sensitivität von 95% erreichte eNose eine Spezifität von 72% für COPD-Patienten und 51% für alle Patienten, einen positiven Vorhersagewert (PPV) von 95% bzw. 74% und einen negativen Vorhersagewert (NPV) von 72% bzw. 88%.
In der Validierungskohorte erkannte die eNose Lungenkrebs bei 72 von 121 (60%) Teilnehmern, was zu einem ROC-AUC von 0,83, einer Sensitivität von 94%, einer Spezifität von 63%, einem PPV von 79% und einem NPV von 89% führte.
Kolorektalkarzinom: Katastrophen können Diagnose und Therapie verzögern
In Puerto Rico ist die Zahl der Darmkrebs-Diagnosen während und kurz nach den beiden Hurrikans Irma und Maria im September 2017 sowie während und nach der COVID-19-Pandemie gesunken, so eine aktuelle Analyse in Cancer . Diagnosen im Spätstadium waren jedoch häufiger als erwartet. Dies deutet darauf hin, dass die eingeschränkte Gesundheitsversorgung aufgrund der Katastrophen eine rechtzeitige Diagnose teilweise verhinderte.
Um die Auswirkungen der Hurrikans Irma und Maria und der COVID-19-Lockdowns auf die Diagnose eines Kolorektalkarzinoms zu bewerten, analysierte die Arbeitsgruppe aus Puerto Rico Daten der Jahre 2012 bis 2021 aus dem Puerto Rico Central Cancer Registry.
Von 2012 bis 2021 wurden bei insgesamt 18.537 Personen ein Kolorektalkarzinom diagnostiziert. Normalerweise erkannte man pro Monat 161,4 Kolorektalkarzinome. Im September 2017, als die Hurrikane kurz hintereinander wüteten, wurden jedoch nur 82 Fälle diagnostiziert.
Nach einem leichten Aufwärtstrend kam es nach den COVID-19-Lockdowns zu einem weiteren Rückgang. Im April 2020 wurden 50 Kolorektalkarzinome diagnostiziert, erwartet worden waren jedoch 162,5 Fälle.
Außerdem übertraf die Zahl der Patienten mit Darmkrebs im Spätstadium und der Patienten außerhalb der empfohlenen Altersspanne für das Screening (
Harnblasenkarzinom: S3-Leitlinie aktualisiert
Die S3-Leitlinie zum Harnblasenkarzinom wurde umfassend überarbeitet. Neuerungen finden sich in allen Bereichen.
Die aktualisierte S3-Leitlinie ist beim Leitlinienprogramm Onkologie abrufbar. Sie entstand unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) und der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Blasen-Carcinom (IABC) der Deutschen Krebsgesellschaft unter Mitwirkung von 31 weiteren Fachgesellschaften und Organisationen. Finanziert wurde die Leitlinie von der Deutschen Krebshilfe im Rahmen des Leitlinienprogramms Onkologie.
Die Kapitel zur Diagnostik und Stadieneinteilung (Kapitel 5), zur perioperativen Therapie (Kapitel 9) sowie zur Rehabilitation, Lebensqualität, zu psychosozialen Aspekten und Palliativmedizin (Kapitel 11) sowie zur Nachsorge (Kapitel 12) wurden überarbeitet.
Prostatakarzinom: Polygener Risikoscore zum Screening geeignet?
Mit Hilfe eines polygenen Risikoscores konnte ein hoher Anteil von Prostatakarzinomen erkannt werden, von denen 71,8% allein durch MRT- oder PSA-Screening nicht entdeckt worden wären. Dies ergab die britische BARCODE1-Studie, die im New England Journal of Medicine erschienen ist.
Von 40.292 zur Teilnahme am Screening eingeladenen Männern im Alter von 55 bis 69 Jahren wurde bei 6.393 der polygene Risikoscore für 130 Varianten mit Hilfe von Keimbahn-DNA aus Speichel berechnet. Hiervon hatten 745 Teilnehmer (11,7%) einen polygenen Risikoscore im 90. Perzentil oder höher. Von diesen unterzogen sich 468 Männer (62,8%) einem MRT und einer Prostatabiopsie, wodurch bei 187 Männern (40,0%) ein Prostatakarzinom diagnostiziert wurde. Bei 103 dieser Betroffenen (55,1%) handelte es sich um ein Prostatakarzinom mit mittlerem und höherem Risiko, so dass eine Behandlung angezeigt war. Bei 74 Männern (71,8%) wäre nach dem derzeit im UK eingesetzten Diagnosepfad der Krebs nicht festgestellt worden.
Der Autor des begleitenden Editorials weist allerdings darauf hin, dass „die Einführung eines Prostatakrebs-Screening-Programms mit der Ermittlung eines polygenen Risiko-Scores umfangreiche Investitionen in die Verwaltung und Analyse von Genom-Arrays erfordern und eine Reihe von Fragen über die Speicherung genetischer Daten der Bevölkerung und die Verwendung der Daten zur Berechnung und potenziellen Beratung zum Risiko vieler anderer Krankheiten aufwerfen würde“.
Multiples Myelom: Erstlinientherapie mit Daratumumab-haltigen Schemata
Bei Patienten mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom, die nicht für eine autologer Stammzelltransplantation in Frage kamen, zeigte die Kombination aus Daratumumab, Bortezomib, Melphalan und Dexamethason (D-VMP) nach mehr als 7 Jahren Nachbeobachtung im Vergleich zu VMP in der finalen Analyse ein signifikant besseres Gesamtüberleben. Alle Auswertungen der Phase-3-Studie ALCYONE sowie weitere Studien wie MAIA sprächen für den Einsatz von Daratumumab in der Erstlinientherapie, schreiben die Autoren in The Lancet Oncology .
ALCYONE war eine internationale, multizentrische, randomisierte, offene Phase-3-Studie mit 706 Erwachsenen mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom, die aufgrund ihres Alters (≥ 65 Jahre) oder wegen erheblicher Komorbiditäten nicht für eine Hochdosis-Chemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation geeignet waren. Sie wurden randomisiert mit bis zu 9 Zyklen VMP oder mit VMP plus Daratumumab plus Daratumumab-Erhaltungstherapie behandelt.
Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 86,7 Monaten betrug das mediane Gesamtüberleben 83,0 Monate mit D-VMP versus 53,6 Monate mit VMP (Hazard Ratio [HR] 0,65, p
Die häufigsten behandlungsbedingten Nebenwirkungen vom Schweregrad 3 oder 4 waren Neutropenie (40% vs. 39%), Thrombozytopenie (35% versus 38%) und Anämie (18% vs. 20%). Schwerwiegende therapiebedingte Nebenwirkungen traten bei 21% der Patienten in der D-VMP-Gruppe und 16% in der VMP-Gruppe auf.
Immuncheckpoint-Inhibitoren: Seltene Nebenwirkung Lipodystrophie
Eine internationale Arbeitsgruppe berichtet in JAMA Dermatology über Patienten mit Lipodystrophie und Therapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren. Bislang wurden nach Aussage der Autoren nur 21 Fälle berichtet.
Sie fanden in ihrer retrospektiven internationalen Multicenter-Studie 13 Patienten mit Immuncheckpoint-Inhibitoren-induzierten Lipodystrophien. 9 Patienten erhielten Pembrolizumab, 1 Nivolumab, 1 Durvalumab, 1 Ipilimumab und 1 Ipilimumab/Nivolumab. Bei 1 Patient gab es eine Lipodystrophie in der Familienanamnese, 4 hatten einen Diabetes.
7 Patienten hatten lokal begrenzte, 2 partielle und 4 generalisierte Lipodystrophien. Nach durchschnittlich 9,4 (4,0-18,0) Dosen kam es bei 12 Patienten zu einem schnellen Fettabbau ohne vorheriges Erythem oder Ödem. 1 Patient hatte vor dem Fettabbau ein diffuses Erythem und Ödem an beiden Beinen. Bei 8 Patienten durchgeführte Hautbiopsien zeigten eine Fettgewebs-Atrophie.
Lipodystrophien und ICI-induzierte Lipodystrophien treten zusammen mit anderen Autoimmunerkrankungen auf, was nach Aussage der Autoren auf eine gemeinsame Pathogenese hindeutet. Die durch ICI induzierten Lipodystrophien gehören daher zu den immunologisch bedingten Nebenwirkungen.