Es ist Ferienzeit – und das Stuttgarter Tierheim platzt aus allen Nähten. Die Experten dort fordern eine Kastrationspflicht für Katzen. Die könnte in der Stadt bald kommen.

Petra Veiel ist erschüttert. Und das, obwohl sie in den vergangenen Jahren schon fast alles gesehen hat. Die Sprecherin des Stuttgarter Tierheims erlebt derzeit mal wieder „eine Stoßwelle“, wie sie es nennt. Das liegt nicht nur an den Sommerferien, in denen manch einer plötzlich bemerkt, dass er sein Haustier gar nicht mit in den Urlaub nehmen kann.

Die Expertin erkennt noch einen anderen Trend – und der geht weit über Begleiter auf vier Pfoten, mit Schnabel oder Fell hinaus. „Manche Leute sind so kaltschnäuzig geworden. Die fühlen oft gar nicht mehr, dass da auch ein Herz schlägt“, sagt sie. Dadurch, dass man im Internet binnen kürzester Zeit auch illegal praktisch jedes Tier bekommen könne, entstehe bei vielen das Gefühl, man könne so ein Lebewesen dann ja auch schnell wieder loswerden. Andere haben sich in Coronazeiten einen tierischen Hausgenossen zugelegt, den sie danach nicht mehr brauchten.

Schulbesuche sollen helfen

„Das macht uns traurig und wütend. So, wie man mit Tieren umgeht, geht man oft auch mit Menschen um“, so Veiel. Die Fachleute gehen auch an Schulen, um dort ein Gefühl dafür zu schaffen, wie man Tiere behandelt, welche Verantwortung und welche Kosten sie mit sich bringen. „Man stellt dabei fest, dass auch viele Kinder gar keinen Bezug mehr dazu haben“, sagt Veiel.

Das Stuttgarter Tierheim in Botnang platzt mal wieder aus allen Nähten. Rund 1000 Tiere werden dort zurzeit versorgt. „Heute brechen wir bei den Katzen wieder die 100er-Marke“, sagt Veiel und streichelt im Außenbereich eine Britisch Kurzhaar ohne Ohren – wohl eine Qualzucht. Dass es dreistellig wird, weiß sie deshalb, weil das Ordnungsamt erneut einen Fall von Animal Hoarding gemeldet hat. Dabei sammeln Menschen Tiere geradezu, bis sie damit heillos überfordert sind und sie vernachlässigen. Wie viele Katzen es diesmal sein werden, ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar – auf jeden Fall viele. Erst vor wenigen Wochen sind es bei einem ähnlichen Fall 29 gewesen.

Trauerschwan Carlotta sucht ein Zuhause mit einem Artgenossen. Foto: Lichtgut/Ferdinando Iannone

Häufig stammen die Tiere, die hier landen, aus Fortnahmen der Behörden. Andere werden ausgesetzt, zum Teil unter furchtbaren Bedingungen – in einer Stofftransportbox im Wald oder in einer komplett verschlossenen Kühltasche. „Neulich haben wir zwei Leute erwischt, die vor dem Tierheim Katzen aussetzen wollten“, berichtet Petra Veiel. Andere Tiere, etwa Hähne, werden auch schon mal einfach über den Zaun geworfen.

All das kostet das auf Spenden angewiesene Tierheim viel Geld – für Futter, Operationen, Behandlungen. Dort hofft man sehr, dass möglichst viele der Tiere ein gutes neues Zuhause bekommen. Von Hunden über Katzen, Nager, Haubenenten bis hin zum Gänsepaar Gandalf und Greta sowie der schwarzen Schwandame Carlotta, für die sich ein Artgenosse draußen nur schwer finden lässt. Jüngst sind Ziegen in den Schwarzwald vermittelt worden, wo sie jetzt einen Hang frei halten. „Gerade bei Nutztieren ist es schwierig, sie in der Großstadt zu vermitteln“, so Veiel.

Stuttgart bereitet Vorschlag vor

An die Politik haben die Fachleute in Botnang einen großen Wunsch. „Wir benötigen dringend eine bundesweite Kastrationspflicht für Freigänger- und Hofkatzen – zum Schutz der Tiere und um Tierheime zu entlasten“, so Veiel. Manche Kommunen hätten diese Lösung schon eingeführt. „Man könnte viel Leid verhindern“, sagt sie. Vielen Leuten gehe es da ums Geld. Wer sich die Kastration spare, gehe aber oft auch nicht zum Impfen oder generell zum Tierarzt.

Zumindest in Stuttgart sieht es jetzt aber nach einer Lösung aus. „Die Stadtverwaltung bereitet aktuell einen entsprechenden Vorschlag zur Einführung einer Kastrationspflicht für Katzen vor“, sagt Sprecher Oliver Hillinger. Geplant sei, diesen Entwurf Ende 2025 im zuständigen Ausschuss des Gemeinderats einzubringen. Im nächsten Jahr könnte es dann an die Umsetzung gehen.

Im Tierheim hat man eine klare Botschaft an alle, die sich ein Tier anschaffen wollen: „Man bestellt keine Tiere wie Waren. Man bereitet sich auf so ein Lebewesen vor. Man muss ganz viel lernen und braucht Zeit“, sagt Petra Veiel. Damit die nächste Stoßwelle in Botnang vielleicht ein bisschen kleiner ausfällt.