Das Nachbarschaftshaus am Hingberg ist ein Ort der Begegnung, der grundsätzlich allen offen steht, ob jung oder alt, mit oder ohne Beeinträchtigung. Es ist außerdem ein Ort, an dem Demokratie, Gleichberechtigung und Partizipation großgeschrieben und gelebt werden.
Das barrierefreie Haus war so auch ein passender Raum für die politische Veranstaltung am 20. August, zu der der Vorstand der Arbeitsgemeinschaft der Behinderten-Selbsthilfe und chronisch Kranker Mülheim (AGB) eingeladen hatte. Ihre kritische Leitfrage, wie barrierefrei Mülheim eigentlich sei, richtete die AGB an diesem Abend an sechs OB-Kandidierende, die der Einladung gefolgt waren. Neben dem amtierenden Oberbürgermeister Marc Buchholz (CDU) saßen Nadia Khalaf (SPD), Ulrike Bresa (Die Grünen), Peter Beitz (FDP), Kay „Shanghai“ Löber (Die Partei) sowie der parteilose Cedric Zahn auf dem Podium. Der erst 26- jährige Zahn war kurzfristig zur Riege der anwesenden Lokalpolitiker hinzugestoßen, während der Kandidat des Bürgerlichen Aufbruchs (BAMH), Jochen Hartmann, krankheitsbedingt passen musste. Moderiert wurde der Austausch vom Journalisten Dr. Thomas Emons, der als seh- und gehbehinderter Mensch selbst zu den von Barrieren Betroffenen gehört. Und der Moderator unterstrich zu Beginn auch umgehend die Relevanz des Themas – in Mülheim seien „schätzungsweise 25.000 Menschen schwerbehindert“, bei gut 170.000 Einwohnern insgesamt.
Nach dieser Duftmarke waren die Politiker aufgefordert, Rede und Antwort zu stehen – im Fokus insbesondere die Maßnahmen, die sie bei einer erfolgreichen OB-Wahl in Angriff nehmen würden, um Mülheim barrierefreier zu machen. Vom ÖPNV über öffentliche Toiletten bis zur Inklusion an Schulen wurde das Thema sodann vielstimmig beleuchtet. Die Diskussion war durchaus lebhaft, auch aus dem Publikum schalteten sich immer wieder Personen – meist Betroffene – mit Fragen oder Vorschlägen ein, während die Politiker ihre Ideen, Vorhaben, Bedenken mit unterschiedlicher Überzeugungskraft darlegen konnten. Einig war man sich parteiübergreifend, dass ein Austausch mit der Ruhrbahn als lokalem ÖPNV-Verantwortlichen zwingend erforderlich sei. Der großen finanziellen Hürden (auch eine Art von Barriere!) bei der Umsetzung weitreichender Maßnahmen waren sich ebenso alle Beteiligten bewusst, angesichts klammer Mülheimer Kassen. Die wertvollste Erkenntnis des Abends war sicherlich, dass es mit der AGB eine engagierte Interessenvertretung gibt, deren politischer Einfluss zukünftig gern stärker werden darf. Und nicht nur in dieser Sphäre: Auch Schulen und viele andere Einrichtungen können nur profitieren von Angeboten der AGB, etwa Schulungen, die die von Barrieren mitbestimmte Perspektive Behinderter für Nichtbetroffene verstehbarer machen.
Denn letztlich, so brachte es Ursula Busch von der AGB schön auf den Punkt, müsse es vor allem „in den Köpfen der Menschen Klick machen“ – damit Barrierefreiheit zum neuen Standard werden kann. Bei der Zielvorstellung gab es an diesem Montagabend keine zwei Meinungen.