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US-Moderator Jesse Watters fordert die Ukraine auf, den Donbass aufzugeben. Er sieht darin eine historische Normalität – und verweist auf Deutschland.

Washington, DC – Die Forderung von Kreml-Chef Wladimir Putin ist eindeutig: Für ein Ende des Ukraine-Kriegs soll Kiew den kompletten Donbass an Russland abtreten. Beim Ukraine-Gipfel am 18. August warnte Bundeskanzler Friedrich Merz allerdings eindrücklich davor: Der Ukraine dürften „keine Gebietsabtretungen aufgezwungen werden“, sagte der Kanzler. Wenn Russland den Donbass von der Ukraine fordere, sei das mit einem Verzicht der USA auf Florida vergleichbar.

Ukraine-Verhandlungen in Washington: Trump-Gipfel mit Merz und Co. in BildernMerz bei Trump in WashingtonFotostrecke ansehen

Das sehen nicht alle so. Besonders klar positionierte sich in dieser Frage ein Moderator des rechten TV-Senders Fox News. Jesse Watters meinte in einer Sendung zum Ukraine-Gipfel in den USA, dass die Ukraine dem großen Nachbarn das Gebiet einfach komplett überlassen sollte. Seine Begründung war simpel: „Grenzen ändern sich ständig.“

Vorbild Deutschland: US-Moderator erklärt, weshalb Ukraine Russland den Donbass überlassen sollte

Dann nannte Watters auch ein konkretes Beispiel: „Denken Sie an Deutschland: Früher war es das preußische Reich, dann das Deutsche Reich. In den Weltkriegen dehnte es sich aus, schrumpfte dann. Dann wurde es in zwei Teile geteilt und jetzt ist es wiedervereinigt.“ Und das könne man der Ukraine nicht antun? Das sei doch lächerlich.

Kein Land gebe Land zurück, das es im Kampf gewonnen habe. Darum gehe es hier. Man müsse die Realität akzeptieren. Denn: Wie wolle man Putin dazu bringen, das Land aufzugeben, das er im Kampf gewonnen habe? Auch die USA hätten im Kampf Land gewonnen. Das habe man auch nicht einfach zurückgegeben.

Jesse Watters.Für Jesse Watters ist klar: Die Ukraine sollte Russland den Donbass komplett überlassen. © Brian Cahn/ImagoPutin will Donbass komplett übernehmen: Gebietsabtretung für Ende des Ukraine-Kriegs

Die Donbass-Region bildet den Mittelpunkt der aktuellen Diskussionen über Gebietsabtretungen im Ukraine-Krieg. Nach dem Alaska-Gipfel zwischen Trump und Putin am 15. August mehrten sich nicht verifizierte Presseberichte, dass der US-Präsident eine Option für eine rasche Friedensvereinbarung erkenne, wenn die Ukraine dem Nachbarland den gesamten Donbass abtritt. Eingeschlossen wären auch strategisch wichtige Gebiete, die russische Streitkräfte bisher nicht unter ihre Kontrolle bringen konnten.

Der Donbass, der sich aus den Regionen Donezk und Luhansk zusammensetzt, stellte früher das industrielle Zentrum der Sowjetunion dar. Mit seinen Kohleminen, Stahlwerken, fruchtbarem Ackerland und wichtigen Flüssen verfügt das Gebiet über eine wechselvolle Vergangenheit. Seit 2014, als Russland die Krim annektierte und der Konflikt im Donbass begann, steht die Region im Zentrum der Auseinandersetzungen zwischen Russland und der Ukraine.

Luhansk und Donezk wurden 2022 zusammen mit Teilen von Saporischschja und Cherson von Russland einseitig und völkerrechtswidrig annektiert. Für den russischen Präsidenten ist der Donbass von zentraler Bedeutung für seine Vision eines „größeren Russlands“ und wird als Rechtfertigung für die fortgesetzte Aggression genutzt.

Militärische Konsequenzen einer Donbass-Aufgabe für die Ukraine

Für die Ukraine hätte eine Aufgabe der Industrieregion Donbass schwerwiegende militärische, humanitäre und wirtschaftliche Folgen. Militärisch würde eine Aufgabe bedeuten, dass Russland kampflos Territorien bekommt, die es nicht erst seit 2022, sondern seit 2014 nicht erobern konnte. Zwar halten die ukrainischen Truppen im Verwaltungsgebiet Luhansk nur noch wenige Quadratkilometer. Doch im Gebiet Donezk sind immerhin 7600 von 26.500 Quadratkilometern noch in ukrainischer Hand.

Dort liegen Großstädte wie Slowjansk und Kramatorsk, die gut befestigt einen Verteidigungsgürtel bilden. Westlich von ihnen erstreckt sich offenes Steppenland, sodass Russland bei einem Wiederaufflammen der Kämpfe ungehindert Richtung Charkiw oder Dnipropetrowsk vorstoßen könnte.

Ende des Ukraine-Kriegs? Daten und Fakten zum Konflikt

18. März 2014 13. April 2014 24. Februar 2022 Russland, Ukraine Wladimir Putin, Wolodymyr Selenskyj

Humanitäre Auswirkungen einer Donbass-Aufgabe

Kramatorsk zählte vor dem Krieg 150.000 Bewohnerinnen und Bewohner, Slowjansk immerhin 106.000. Selbst wenn es mittlerweile weniger sind, würden im Gebiet Donezk absehbar mehrere Hunderttausend Menschen mit ukrainischer Staatsbürgerschaft unter russische Besatzung geraten – oder flüchten. Die Ukraine gibt auch aus diesem Grund nicht auf, weil sie ihre Bürger nicht unter einer Moskauer Gewaltherrschaft lassen will.

Alle Berichte aus Gebieten, die die Ukraine 2022 zurückeroberte, zeigen, dass die russische Besatzung mit Verschleppungen, Morden und Folter gegen die Bevölkerung vorgegangen ist. Dies traf selbst die vorwiegend russischsprachigen Ukrainer im Osten, die Moskau angeblich schützen will. Es wird Druck ausgeübt, die russische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Ukrainische Sprache und Kultur werden zurückgedrängt.

MariupolMariupol liegt am Ufer des Asowschen Meeres an der Mündung des Kalmius und war eine bedeutende Hafen- sowie Universitätsstadt und Wirtschaftszentrum. Im Ukfraine-Krieg hat die Stadt massive Zerstörungen erlitten. © Alexey Kudenko/ImagoDie wirtschaftliche Bedeutung des Donbass für Putin

Vor 2014 hatte die Industrieregion Donbass eine Bevölkerungszahl von etwa 6,5 Millionen Menschen und war mit Kohle und Eisen das Kernstück der ukrainischen Schwerindustrie. Allerdings waren viele Bergwerke und Fabriken damals schon veraltet. Für die Fußball-Europameisterschaft 2012 wurde die Millionenstadt Donezk renoviert und erhielt das moderne Stadion Donbass-Arena.

Doch als Donezk und andere wichtige Teile des Donbass 2014 unter russische Kontrolle gerieten, brach der wirtschaftliche Kontakt mit dem von Kiew kontrollierten Teil der Ukraine größtenteils ab. Wegen der Kämpfe wurden seitdem viele Bergwerke aufgegeben und wurden überflutet. In diesem Sommer gab es in der besetzten Millionenstadt Donezk Probleme mit Trinkwasser, weil die Zuleitung, der Kanal Siwerskyj Donez-Donbass, an mehreren Stellen zerstört ist.

Im Donbass liegen viele der Bodenschätze, mit denen die Ukraine sich laut einer Vereinbarung US-Hilfe sichern will. Durch das Vorrücken der russischen Armee in den vergangenen Monaten sind aber weitere wichtige Lagerstätten für Kiew verloren gegangen. (cs)