Beton, der Sonnenlicht reflektiert und so Gebäude und Straßen abkühlen kann – eine Innovation im Bereich der Klimaanpassung. Das internationale Forscherteam hat seine Ergebnisse jetzt veröffentlicht.
Gebäude heizen sich im Sommer oft stark auf – vor allem Beton speichert Wärme und trägt zur Überhitzung bei. Doch ein internationales Forschungsteam hat einen Beton entwickelt, der dieses Problem lösen könnte: Der sogenannte „Supercool Cement“ reflektiert Sonnenstrahlen so effektiv, dass er Gebäude passiv kühlt – ganz ohne Klimaanlage. Über ihr Projekt berichten die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Science.
Wie kleine Kristalle im Beton kühlen
Das Geheimnis liegt in der Betonoberfläche. Beim Aushärten des Betons bilden sich winzige Kristalle, sogenannte Ettringite. Im neuen Verfahren wird der Beton mit einer speziellen Folie überzogen. Bei Unterdruck entstehen dabei kleine Hohlräume, deren Oberflächen mit Kristallen besetzt sind. Diese Kristalle wirken wie viele winzige Spiegel. So reflektiert der Beton 96 Prozent des Sonnenlichts. Im Praxistest auf einem Dach bei 38 Grad Celsius blieb der neue Beton nicht nur kühl, sondern lag sogar fünf Grad unter der Lufttemperatur, während normaler Beton auf sich auf fast 60 Grad erhitzte.
Der Beton reflektiert einen Teil der Energie direkt ins Weltall zurück. Dabei wird, so die Forschenden, ein atmosphärisches „Fenster“ genutzt, über das bestimmte Wellenlängen ohne große Absorption die Erdatmosphäre verlassen können. „Man hat ein paar Möglichkeiten, um die Wellenlänge zu beeinflussen, so dass man genau dieses Fenster erreicht“, sagt der Materialwissenschaftler Eduardus Koenders, Leiter des Instituts für Werkstoffe im Bauwesen der TU Darmstadt.
Unter optimalen Bedingungen könne ein Gebäude so deutlich heruntergekühlt werden, sagt Koenders: „Das hängt natürlich auch von der Strahlungsstärke ab. Aber man kann ungefähr zehn bis 15 Grad Abkühlung erreichen.“ Der Materialwissenschaftler hat selbst an einem vergleichbaren Kühlzement gearbeitet, im EU-Projekt Miracle. Drei Patente sind aus dem Forschungsprojekt entstanden.
Kühlbeton für den Neubau und Bestandsgebäude
Laut Forschungsteam lässt sich das Herstellungsverfahren des neuen Betons leicht skalieren und kann nicht nur im Neubau eingesetzt werden, sondern auch auf bestehenden Dächern, Fassaden oder sogar Straßen. „Man kann das natürlich auch nachträglich machen, aber am besten funktioniert es auf Flächen mit direkter Sonneneinstrahlung, wie zum Beispiel Dächern“, sagt Koenders.
Die potenziellen Anwendungen sind vielfältig: Neben Dächern, Ziegelsteinen und Fassaden könnten auch Straßen und Gehwege aus dem neuen Beton bestehen, so der Materialwissenschaftler. Dann könnten vorhandene Dächer nachgerüstet, zusätzliche Gebäudehüllen nachträglich errichtet werden. Die Forscher haben auch farbige Varianten entwickelt. Selbst mit Farbzugabe reflektierte der Beton noch mehr als 90 Prozent der Sonnenstrahlung.
Bessere CO2-Bilanz wegen der Herstellung
Modellberechnungen zeigen, dass dies die Temperaturen in Städten spürbar senken könnte. Gleichzeitig verbessert der Beton die Klimabilanz: Bei der Herstellung entstehen rund 25 Prozent weniger CO2-Emissionen, da der Zement bei niedrigeren Temperaturen produziert wird. Eine Lebenszyklus-Analyse zeigt sogar, dass der Beton über 70 Jahre mehr CO2 einspart, als bei seiner Herstellung freigesetzt wird. In heißen Klimazonen könnte der Beton sogar eine negative CO2-Bilanz erreichen.
Wann kommt der Kühlbeton auf den Markt?
In Spanien arbeitet das Unternehmen PhotoKrete schon an so einem Beton. „Es haben sich mehrere große, internationale Firmen in Spanien gemeldet“, sagt Eduardus Koenders von der TU Darmstadt. Das Interesse ist groß. „Jetzt geht es darum, wie man das Produkt am besten auf dem Markt bekommt.“
Er ist optimistisch, dass dies schnell geschehen wird. Besonders in heißen Regionen wie dem Mittelmeerraum sieht er großes Potenzial. Besonders effektiv ist der Einsatz in Regionen mit hoher Sonneneinstrahlung und geringer Bewölkung, da hier die Reflexion und Abstrahlung optimal genutzt werden kann.
Für den Einsatz in Deutschland müssen allerdings noch Lösungen für den Winter gefunden werden, wenn Gebäude eher warm als kühl sein sollen. Denkbar wäre eine zusätzliche Gebäudehülle mit Dämmung. Doch klar ist: Mit dem Klimawandel werden Technologien wie der Kühlbeton immer wichtiger, um Gebäude an die neuen klimatischen Bedingungen anzupassen.