Vom Mittagstisch bis zum Macaron: Marcus Mannsdörfer will seine Kundschaft auch mit Essen glücklich machen. Foto: Lichtgut/Ferdinando Iannone
Die edle Variante vom Ikea-Restaurant: das Möbelhaus Mannsdörfer und Breuninger machen das Einkaufen schmackhaft. Im Buchhaus Thalia sorgt ein Café für Aufenthaltsqualität.
In diesem Restaurant hängt an der Einrichtung ein Preisschild. Die Stühle, auf denen die Gäste sitzen, sind zum Beispiel für 1010 Euro zu haben, ein Kissenbezug kostet 34,90 Euro und der Kerzenständer auf dem Tisch 17,95 Euro. Bei Gnocchi mit cremiger Zucchini und Wildfang-Garnelen (16,90 Euro) oder pochiertem Heilbutt in Weißweinsud (24,90 Euro) können sich die Kunden überlegen, welches Möbelstück in ihr Esszimmer passt. Aber viele kommen ganz ohne Kaufabsicht nur zum Mittagstisch ins Betten- und Möbelhaus Mannsdörfer im Stuttgarter Stadtteil Weilimdorf. Das Bistro hat unter Feinschmeckern einen exzellenten Ruf. „Produkte mit Klasse und Wertigkeit“ ist der Anspruch von Marcus Mannsdörfer an sein Sortiment – und an das Restaurant in seinem Geschäft. Während bei Ikea oder Galeria Kaufhof die Kundschaft günstig verköstigt wird, lässt es sich beim Einkaufen durchaus besser essen.
Foto: Lichtgut/Ferdinando Iannone
Beim Thema Kulinarik im Einzelhandel nimmt in Stuttgart allerdings ein anderes Unternehmen die Vorreiterrolle ein: Bereits vor rund 150 Jahren hatte Eduard Breuninger erkannt, dass ein hungriger Kunde kein guter Kunde ist – und in seinem Textilgeschäft in der Münzstraße eine Vesperstube eingerichtet. Auf die Idee war der Gründer des Kleidungsgeschäfts bei einem Besuch in den Vereinigten Staaten gekommen. „Essen erhöht massiv die Verweildauer“, lautete seine Erkenntnis. In der Stube konnte die Kunden sowohl ein Vesper bestellen als auch ein selbst mitgebrachtes verspeisen und dazu ein Viertele Trollinger trinken. Mit dem Café Breuninger wurde dann 1955 in den Gebäuden am Marktplatz das erste Selbstbedienungsrestaurant eines Textilhändlers in Deutschland eröffnet. Eine Milchbar folgte in den 1970er Jahren und mit dem „Exquisit“ startete Heinz Breuninger sogar ein Gourmetlokal. „Gastronomie ist in unserer DNA verwurzelt“, sagt Michael Neff, der Direktor für Food & Beverage. In seiner Abteilung arbeiten 145 der insgesamt 350 Mitarbeiter von Breuninger, obwohl sie am wirtschaftlichen Gesamtergebnis „nur einen sehr kleinen Anteil“ hat.
Wer ein hochwertiges Bett kaufen will, fährt länger für die fachliche Beratung, bleibt länger im Geschäft. „Wir haben gemerkt, wie uns die Kunden wegbrechen“, erzählt Marcus Mannsdörfer, „irgendwann hat man eben Hunger und Durst.“ Mit einem Glas Prosecco hier, einer Flasche Wasser da, Kaffee und Kuchen steuerte er zunächst gegen. Aus kleinen Anfängen füllte sich langsam ein Regal in seinem Laden mit Feinkost und Wein. In dessen Bereiche Schlafen, Leben, Wohnen fügte sich das Thema Genuss perfekt ein. „Es geht darum, Glücksmomente zu schaffen“, sagt Marcus Mannsdörfer. Als er vor 15 Jahren die Verkaufsfläche erweiterte, beantragte er auch eine Gastrolizenz, was bei dieser Unternehmensgröße selten ist. Der Einstieg war für den Einzelhändler schwer, räumt er ein. Es sollte „nicht nur Salätchen und Nudeln“ geben, gleichzeitig nicht zu teuer sein. An sechs Tagen ist das Bistro bis 19 Uhr geöffnet, von 11 bis 15 Uhr gibt es Mittagstisch, die Speisekarte wechselt wöchentlich. Der Koch kauft auf dem Markt ein, frischen Fisch, gutes Fleisch. „Es ist nicht unser Profit-Center“, sagt Marcus Mannsdörfer, „aber es ist ein Kundenmagnet.“
Michael Neef, Director Food & Beverage bei Breuninger, findet: Gastronomie ist in der DNA von Breuninger verwurzelt. Foto: Breuninger
Auch vor dem Buchhaus Thalia auf dem kleinen Schlossplatz sind oft alle Plätze an den Tischen besetzt – mit lesenden Gästen. Viele holen sich die Bücher aus der Abteilung für Kunst, Fotografie und Architektur, die sich direkt gegenüber des Cafés befindet. Seit 18 Jahren besteht die Partnerschaft zwischen der Kaffeerösterei Hochland, die die Gastronomie bei Thalia, ehemals Wittwer, betreibt. „Wir sind sehr glücklich mit denen und die mit uns“, sagt der Filialleiter Rainer Bartle, „Bücher und Kaffee befruchten sich schließlich gegenseitig.“ In anderen Läden betreibt die Kette deshalb auch eigene Gastronomie. Zu Capuccino (4 Euro) oder Matcha Latte (4,80 Euro) gibt es Flachswickel (1,70 Euro) oder Rahmapfelkuchen (3,50 Euro). Viele Stammkunden kommen zum Frühstück oder zum Abschluss des Einkaufs. „Das Café liegt mitten in der Stadt und ist trotzdem ruhig“, sagt Rainer Bartle mit Blick auf die Terrasse, „das genießen die Menschen.“
Bei Breuninger können die Kunden im Stuttgarter Stammhaus in der Schuhabteilung oder bei den Herrenklamotten einen Espresso trinken, im Café One M eine Pause machen, unter der Kuppel ein Glas Champagner für 15 Euro schlürfen, im Restaurant Sansibar ein Tenderloin-Steak (72 Euro) essen oder im Eduard’s zur Butterbrezel (2,50 Euro) ein Eduard-Breuninger-Schorle mit hippem Belsazar Rosé Vermouth genießen. In Karls Kitchen, wie das Breuninger Café seit einem Umbau vor 15 Jahren heißt, gibt es eine Spielecke für Kinder, Lunch für 10,50 Euro und das ewige Lieblingsessen Linsen mit Spätzle und Saiten (14 Euro), das seit 1955 nach dem gleichen Rezept gekocht wird. Die Köche greifen aber auch Foodtrends auf wie momentan den Smashed Croissant Burger (14,50 Euro), damit die Kunden immer wieder Neues erleben. „Wir haben sehr viele, sehr unterschiedliche Gäste“, sagt Michael Neef. Im Lauf eines Jahres bewirtet er in allen Filialen mit zusammen 23 Lokalen fast 1,6 Millionen Menschen. Um überall hohe Qualität zu sichern, wird keines aus der Hand gegeben. Eine Analyse hat gezeigt, dass die meisten erst zum Essen kommen und danach einkaufen. Ein Herr ist sogar jeden Tag in Karls Kitchen anzutreffen. Wenn er auf Reisen geht, meldet er sich ab.