Leipzig. „Lenes Tauscho“ ist eine Instanz im Lene-Voigt-Park. Das wird schnell klar, wenn man sich am Nachmittag eine halbe Stunde gegenüber der Tauschbox in den Schatten stellt. Davor scheint die Sonne auf den seit Freitag zugenagelten Schrank. Doch der Tausch-Routine ist damit kein Abbruch getan: Rundherum reihen sich Pappkisten und Eimer aneinander. Darin und daneben stapeln sich Kleidung, Haushaltsgegenstände, Pokémonkarten. Etwa alle fünf Minuten unterbricht hier jemand seinen Spaziergang oder stoppt das Fahrrad, um einen Blick auf das zu werfen, was kostenlos mitgenommen werden kann.
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Soweit geht das Konzept der Tauschbox auf: 2021 ins Leben gerufen, sollte „Lenes Tauscho“ im Leipziger Stadtviertel Reudnitz-Thonberg einen Platz schaffen, an dem Menschen nicht mehr benötigte Dinge miteinander tauschen und ins Gespräch kommen können. Ehrenamtliche kümmern sich hier um die Instandhaltung, Spenden finanzieren das Projekt.
Doch bei der Stadt Leipzig hagelt es Beschwerden wegen zunehmender Vermüllung des Parks im Zusammenhang mit dem „Tauscho“. Vergangenen Freitag wurde der Schrank vom Betreiber verriegelt. Was wird nun aus Leipzigs vermutlich größtem Tauschschrank?
Stadt Leipzig plant keinen Rückbau
Fragt man bei der Stadt Leipzig nach, heißt es vom Amt für Stadtgrün und Gewässer: Man plane zwar keinen Rückbau, zahlreiche Beschwerden würde es dennoch geben. Und diese seien aus Sicht der Stadt gerechtfertigt: „In der Regel werden täglich mehr Gegenstände zum Tauscho gebracht, als abgeholt. Darüber hinaus halten sich Nutzende nicht an grundsätzliche Regeln der Ordnung und Sauberkeit.“
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Der Betreiber des „Tauscho“, Aaron Krautheim, sieht es so: „Das Problem sind nicht 90 Prozent der Menschen, die alles richtig machen.“ Problematisch würde es erst dann werden, wenn Personen Dinge aus dem Tauschschrank im Park verteilen. Diese Unordnung sorgt nicht nur bei ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern des „Tauscho“ für Mehraufwand, sondern auch bei der Stadtreinigung.
Anwohner würden Verschwinden des Schranks bedauern
Hört man sich bei Besucherinnen und Besuchern im Lene-Voigt-Park um, scheint man sich der Müll-Problematik zwar bewusst zu sein – für eine Beschwerde hätte das bei den meisten aber nicht gereicht. „Ich finde den Wert des Schrankes wichtiger als die Frage, wie es aussieht“, sagt Charlie (29). Sie wohnt im Viertel.
Dass es rund um den Schrank unordentlich ist, hat auch Kristin bemerkt. Auch sie wohnt ein paar Straßen weiter. Beschwert hat sich die 33-Jährige noch nie. „Ich fände es bedauernswert, wenn der Schrank verschwinden würde“, sagt Kristin. „Auch wenn Ordnung hier nicht immer eingehalten wird. Der Tauschschrank dient manchen als Müllhalde.“
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Der Tauschschrank kann nur funktionieren, „wenn man auch mal einen Handgriff mehr macht“, sagt Hannes (37).
Quelle: Dirk Knofe
Das findet auch Hannes (37). Er ist mit Kristin unterwegs. „Leute schleppen manchmal ihre Couch oder alte Matratzen hierher“, sagt er. Wie man es künftig besser machen könnte? „Ich glaube, in großen Städten ist das eine Herausforderung, weil es sehr anonym ist und niemand da auf die Finger schauen kann“, sagt der 37-Jährige. Am Ende könne es nur funktionieren, „wenn man auch mal einen Handgriff mehr macht.“
„Lenes Tauscho“ bleibt vorerst verschlossen
Der Betreiber von „Lenes Tauscho“ hatte den Schrank vergangenen Freitag auch verschlossen, um der Gemeinschaft ein Signal zu geben. Es bräuchte unter anderem wieder mehr Freiwillige, um das Projekt am Laufen zu halten. „Aber die Tauschkultur hier im Lene-Voigt-Park gab es auch schon vor dem Tauscho“, sagt Krautheim. „Das Problem würde nicht einfach verschwinden, wäre der Tauscho nicht mehr da.“ An den vollen Pappkisten und Eimern, die nur kurze Zeit nach der Verriegelung vor der Tauschbox aufgetaucht sind, wird das deutlich.
„Wir versuchen jetzt gemeinsam mit der Stadt eine Lösung zu finden“, sagt Krautheim. Eine Möglichkeit sei ein gemeinsamer Informationsabend für die Menschen im Viertel. „Wir hoffen, dass sich dann genug Leute finden, die helfen. Es muss auch mal was von der Community kommen“, sagt er. Möglich sei laut Krautheim ein solcher Infoabend im September. Bis dahin bleibe der Schrank erstmal verriegelt.
LVZ