Trotz laufender diplomatischer Bemühungen um eine Friedenslösung hat Russland die Ukraine nach Tagen relativer Ruhe erneut massiv aus der Luft attackiert. Laut ukrainischer Luftwaffe setzte Moskau in der Nacht 574 Drohnen und 40 Raketen ein – der bisher größte Angriff im August.
Über der Hauptstadt Kyjiw waren Explosionen zu hören, der Luftalarm dauerte fast acht Stunden. Die Militärverwaltung rief die Bevölkerung auf, Schutzräume nicht zu verlassen.
Angriffe weit im Westen der Ukraine
In Mukatschewo in der westlichen Region Transkarpatien wurden nach Behördenangaben zwölf Menschen verletzt, zudem Lagerhallen eines US-Unternehmens zerstört. Gouverneur Myroslaw Bilezkyj erklärte im Fernsehen, das Werk produziere Unterhaltungselektronik. Außenminister Andrij Sybiha sprach auf der Plattform X von einer „rein zivilen Einrichtung“ und warf Moskau vor, wiederholt US-Unternehmen ins Visier zu nehmen. Bereits Anfang des Jahres seien Büros von Boeing in Kyjiw attackiert worden.
Nach dem russischen Angriff auf eine zivile Fabrik für UnterhaltungselektronikBild: Zakarpattia Regional Prosecutor’s Office/REUTERS
Auch in Lwiw schlugen Raketen ein: Gouverneur Maksym Kosyzkyj meldete einen Toten, drei Verletzte und Schäden an 26 Wohnhäusern.
Ukraine präsentiert neuen Marschflugkörper
Nach Angaben der ukrainischen Streitkräfte konnte die Flugabwehr eine von vier Hyperschallraketen sowie 18 von 19 Marschflugkörpern abfangen – ebenso mehr als 570 Drohnen. Dennoch seien elf Einschläge registriert worden. Die Zahlen lassen sich unabhängig nicht überprüfen, verdeutlichen aber die Dimension der Attacke.
Auch Kyjiw schlug in der Nacht zurück: Ukrainische Drohnen griffen Ziele im russischen Hinterland an. Das Verteidigungsministerium in Moskau meldete den Abschuss von 49 Drohnen. Laut russischen Quellen brannte die Raffinerie von Nowoschachtinsk im Gebiet Rostow, eine Bahnstrecke in Woronesch wurde gesperrt, die Flughäfen in Wolgograd und Kaluga stellten vorübergehend den Betrieb ein.
Zerstörung nach einem Drohnen- und Raketenangriff auf LwiwBild: Stringer/REUTERS
Die Ukraine verstärkt seit Monaten ihre Drohnenoffensive tief ins russische Territorium. Zudem präsentierte die Regierung in Kyjiw jüngst den neuen Marschflugkörper „Flamingo“, der mit einer Reichweite von 3000 Kilometern auch Ziele hinter dem Ural erreichen soll. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kündigte den Beginn der Serienproduktion für Ende 2025 oder Anfang 2026 an.
Selenskyj: Russland hat kein Interesse an Ende des Kriegs
In den Tagen vor und nach dem Gipfeltreffen von Kremlchef Wladimir Putin und US-Präsident Donald Trump in Alaska vergangene Woche hatte Russland die nächtlichen Luftangriffe spürbar reduziert. Präsident Selenskyj sieht in der neuen Angriffswelle einen deutlichen Beleg dafür, dass Russland kein Interesse an einem Ende des Kriegs habe: „Bislang gibt es aus Moskau kein Zeichen für ernsthafte Verhandlungen“, schrieb er auf Telegram. Notwendig seien „starker Druck, harte Sanktionen und hohe Zölle“.
Wadephul: Zweifel an Putins Verhandlungsbereitschaft
To view this video please enable JavaScript, and consider upgrading to a web browser that supports HTML5 video
Die Ukraine verteidigt sich seit mehr als dreieinhalb Jahren gegen die russische Invasion. Nach dem Alaska-Gipfel hatten Trump, Selenskyj und europäische Spitzenpolitiker über einen Friedensprozess beraten. Als nächsten Schritt sieht Trump ein Treffen zwischen Putin und Selenskyj vor. Moskau äußerte sich dazu ausweichend.
pgr/pg (dpa, rtr)