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Heikendorfer Forscher verhindert Orca-Angriffe auf Segel-Yachten (4 Min)

Stand: 21.08.2025 10:51 Uhr

Immer wieder kommt es beim Segeln zu gefährlichen Begegnungen mit Orcas. Die Flotte beim Ocean Race Europe ist auf dem Weg nach Cartagena. Die Strecke führt entlang der iberischen Halbinsel und durch die Straße von Gibraltar – Orca-Gebiet. Die Schwertwale attackieren Boote, können sie versenken. Malizia und Co. sind gewarnt. Aber was können sie tun?

von Matthias Heidrich und Sven Kaulbars

Vor rund zwei Jahren war der Schreck groß für Skipper Jelmer van Beek. Mit seinem Boot JAJO der VO65-Klasse segelte der Niederländer auf der letzten Etappe beim Ocean Race um die Welt gen Genua, als Orcas das Ruder der Rennyacht attackierten. „Das war ein gruseliger Moment“, berichtete van Beek damals.

Noch ein weiteres Boot der Flotte geriet in den Fokus der bis zu neun Meter langen und bis zu neun Tonnen schweren Schwertwale. Zum Glück für beide Crews verliefen die Begegnungen mit den imposanten Meeressäugern glimpflich.

Die Malizia – Seaexplorer und die anderen Imocas blieben seinerzeit verschont. Doch die Gefahr segelt mit – auch zwei Jahre später.

„Wenn wir keinen Wind haben, können sie mit uns spielen wie sie wollen.“

Paprec-Arkéa-Skipper Yoann Richomme

„Natürlich ist das ein Thema, aber unsere Boote sind schnell“, sagte Paprec-Arkéa-Skipper Yoann Richomme dem NDR. Das ist in der Tat der große Vorteil der Imocas. Geschwindigkeiten von bis zu 30 Knoten und mehr können Orcas nicht lange halten. „Wenn wir keinen Wind haben, können sie mit uns spielen wie sie wollen“, so Richomme. Fehlt allerdings Wind und damit der Antrieb für die Hightech-Yachten, sind auch sie gefährdet.

Rosalin Kuiper, Skipperin Holcim - PRB

Das Ocean Race Europe 2025 läuft. Mit dabei ist der Hamburger Boris Herrmann mit seinem Malizia-Team. News und Hintergründe zum Segel-Rennen im Live-Blog.

800 Schiffe beschädigt, sieben gesunken

Die bisherige Bilanz der Begegnungen von Segelbooten mit Orcas liest sich eindringlich. Über 800 Schiffe wurden bislang beschädigt, sieben davon sind gesunken. Entlang der iberischen Halbinsel, vor Portugal, Spanien und besonders in der Straße von Gibraltar tummeln sich rund 60 Orcas. „Man weiß von ungefähr 20 Tieren, die sich an diesem rowdiehaften Verhalten beteiligen“, erklärt Boris Culik aus Heikendorf bei Kiel. Der Meeresbiologe hat sich intensiv mit dem Thema beschäftigt.

Rempler eines Sechs-Tonnen-Wals

„Es hat 2020 angefangen. Ursprünglich waren es einmal zwei Tiere, die gemerkt haben, dass man Segler ärgern kann, indem man die Schiffe anrempelt“, so Culik. „Und ein paar Rempler eines sechs Tonnen schweren Wals an einem schmalen Glasfaser-Ruderblatt reichen eventuell aus, um es abzubrechen. Dann ist das Rennen zu Ende.“

Warum die Orcas Boote attackieren, gibt den Wissenschaftlern weiterhin Rätsel auf. Einige Tierschützer vermuten hinter den Attacken lediglich den Spieltrieb der Tiere. Andere gehen von negativen Erlebnissen mit Booten aus, die die Schwertwale aggressiv gemacht haben.

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Rosalin Kuiper zu Orca-Gefahr: Müssen sie rechtzeitig orten (1 Min)

Culik vermutet eher ein antrainiertes Belohnungssystem der Orcas. Ähnlich wie bei der Jagd auf Robben, bei der die Wale ebenfalls mehrere Versuche brauchen, ehe sich der Erfolg einstellt. „Ich schätze, bei den Seglern ist es ähnlich: Es wird spätestens durch das Abbrechen des Ruderblatts belohnt.“

Forscher aus Heikendorf entwickelt Gerät zum Schutz

Culik hat ein Gerät entwickelt, das Boote in den Risikogewässern schützen soll. Seinen Wal-Pal können die Skipper an einem Stahlseil hinter sich herziehen. Das spindelförmige Gerät, das von einem Paravan unter Wasser gehalten wird, sendet akustische Warnsignale aus, angepasst an die Orca-Laute, die für die Tiere unangenehm sind und sie abschrecken sollen.

Rund 400 Yachten haben Culiks Gerät bislang an Bord, 29 mit Pal berichteten von Orca-Sichtungen und Interaktionen. Dabei gab es nur zwei Schäden. Das Problem: Das Gerät funktioniert nur bis zu einer Geschwindigkeit von acht Knoten, weil es ansonsten aus dem Wasser gezogen wird.

„Wir wollen sie in ihrer natürlichen Umgebung möglichst nicht stören. Wir respektieren das Meer und die Orcas und versuchen, ihnen auszuweichen, um einen Zusammenstoß zu verhindern.“

Holcim-Skipperin Rosalin Kuiper

Vor zwei Jahren hatte Ocean-Race-Skipper Jelmer van Beek sein Boot tatsächlich abgebremst und hätte mit dem Pal eventuell arbeiten können, als die Orcas auftauchten. Von den sieben Imocas beim aktuellen Ocean Race Europe hat keines das System an Bord.

„Was wir tun können, ist die Orcas rechtzeitig zu orten und die Informationen zu teilen“, sagte Holcim-Skipperin Rosalin Kuiper und betonte: „Wir wollen sie in ihrer natürlichen Umgebung möglichst nicht stören. Wir respektieren das Meer und die Orcas und versuchen, ihnen auszuweichen, um einen Zusammenstoß zu verhindern.“

Herrmann: „Hoffen wir mal, dass es gutgeht“

Boris Herrmann, der auf der zweiten Etappe durch die Orca-Risikogewässer als Malizia-Skipper aussetzt, bleibt gelassen: „Wir sind jetzt zuletzt zweimal mit unserem Schiff dort langgesegelt, ohne überhaupt auf Orcas zu treffen. Insofern hoffen wir mal, dass es gutgeht.“ Auf einen bewährten Trick des Hamburgers hat sein Vertreter Will Harris aus Gewichtsgründen verzichtet. Der Sand, der bei Bedarf auf die Orcas geworfen kann und sie in den Augen stört, war dem Briten schlichtweg zu schwer.

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Biotherm hat die erste Etappe des Ocean Race Europe 2025 gewonnen. Weltumsegler Boris Herrmann aus Hamburg schnappte sich mit der Malizia – Seaexplorer dank eines starken Finishs noch Rang zwei.