Nach dem Gipfeltreffen zwischen US-Präsident Donald Trump und Russlands Machthaber Wladimir Putin in Alaska und dem Washingtoner Folgetreffen mit den europäischen Staats- und Regierungschefs ist diplomatische Bewegung in den Ukraine-Konflikt gekommen. Für das seit 2014 von Russland angegriffene Land werden Sicherheitsgarantien diskutiert. Und es werden erneut Überlegungen lauter, die damit verbundenen Kosten mit den konfiszierten russischen Zentralbank-Milliarden zu decken. Warum hat man das nicht längst getan? Hier die relevanten Fragen und Antworten zur Debatte:

Wie viel russisches Geld ist derzeit in der EU überhaupt eingefroren?

Nach früheren EU-Kommissionsangaben sind rund 210 Milliarden Euro der russischen Zentralbank in der Europäischen Union eingefroren, wobei der Großteil von dem in Brüssel ansässigen Finanzinstitut Euroclear verwahrt wird. Die EU nutzt seit Mitte vergangenen Jahres die Zinserträge zur Finanzierung von Waffen- und Munitionslieferungen an die Ukraine. Weltweit dürften aber noch einige Dutzend russische Milliarden Euro mehr anfallen, die in die ukrainische Kriegskasse überführt werden könnten.

Was spricht gegen das Konfiszieren?

Die russischen Zentralbank-Gelder durch einen Enteignungsbeschluss direkt zu nutzen, wird von vielen in der EU skeptisch gesehen. Als Grund werden rechtliche Bedenken (die Staatenimmunität) und wahrscheinliche Vergeltungsmaßnahmen angeführt – etwa die umgekehrte Konfiszierung von westlichem Vermögen oder die Zwangsenteignung von noch immer in Russland tätigen EU-Unternehmen. Moskau hatte die EU bereits 2023 davor gewarnt, das Eigentum des russischen Staates oder russischer Bürger zu konfiszieren. Ferner gibt es die Sorge, dass andere Anleger, etwa China, das Vertrauen in die europäischen Finanzstandorte verlieren könnten, sollte es zu solchen Maßnahmen kommen.

Wie sind die Positionen in Deutschland?

Bundeskanzler Friedrich Merz hatte im Mai in einem Interview mit der Zeit die russischen Milliarden selbst in die Debatte gebracht. Seine Botschaft war: Kann man machen, wenn es tatsächlich legal möglich sein sollte. Damals sagte er: „Wenn es eine Möglichkeit gibt, das Geld auf sauberer juristischer Grundlage zu mobilisieren, werden wir es tun.“ Der Kanzler wies aber zugleich auf die Risiken für den europäischen Finanzmarkt hin.

Mehr Schub hat zum Beispiel Merz‘ Parteifreund Roderich Kiesewetter. Der CDU-Außenpolitiker sagte unserer Redaktion, er befürworte „in jeder Hinsicht“, dass das eingefrorene russische Zentralbankvermögen „so rasch wie möglich“ vollständig an die Ukraine gegeben werde. Aus seiner Sicht sprächen weder rechtliche noch politische Gründe dagegen. Vielmehr, betonte der ehemalige Bundeswehr-Oberst, halte er es für politisch geboten, „gerade auch auf diesem bewusst nicht-militärischem Weg Druck auf den Aggressor- und Terrorstaat Russland auszuüben“. Für Kiesewetter sei es ein Zeichen der Konsequenz Europas und der Durchsetzung internationalen Rechts, die russischen Vermögen der Ukraine komplett zur Verfügung zu stellen. Dieses stünden ohnehin dem angegriffenen Land zu. Und er erwidert den Kritikern eines solchen Vorgehens: „Es spricht auch nicht die Stabilität der Finanzmärkte dagegen, denn dann wären diese längst durch das Einfrieren instabil geworden oder andere Länder hätten sich aus Europa zurückgezogen – im Gegenteil, es ist im Sinne strategisch vorausschauenden Handelns und politischer Glaubwürdigkeit auch gegenüber außer-europäischen Ländern außerordentlich wichtig, dass Europa diese Gelder unverzüglich der Ukraine zur Verfügung stellt.“

Markus Töns, der europapolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, sagte unserer Redaktion, er sehe die Sorgen, dass eine Beschlagnahmung heikel werden könnte, da das Vermögen durch internationales Recht geschützt sei. Aber er betont: „Dennoch halte ich es für politisch geboten. Das haben wir auch gemeinsam mit der Union so in unserem Koalitionsvertrag festgehalten.“ Das russische Vermögen würde – sowohl zur militärischen Unterstützung als auch beim Wiederaufbau der vom Krieg verheerten Ukraine– seine „sinnvollste Verwendung finden und ein Zeichen setzen“.

Und wie verhält sich die Europäische Union?

In der EU läuft die Debatte. In einem vom Europäischen Parlament bereits angenommenen, von den Grünen eingereichten Entschließungsantrag von Juli heißt es, das Parlament bekräftige seine Überzeugung, dass Russland für den massiven Schaden, den es in der Ukraine verursacht habe, aufkommen müsse. Die Forderung lautet daher, dass „die staatlichen Vermögenswerte Russlands, die im Rahmen der EU-Sanktionen oder anderweitig immobilisiert wurden, konfisziert und für die Verteidigung und den Wiederaufbau der Ukraine eingesetzt werden“. Ferner sind auch die Abgeordneten, die den Antrag unterstützten, überzeugt, dass sich dies über verschiedene legale Wege bewerkstelligen lasse. Die Untätigkeit der europäischen Regierungen sei „ein unentschuldbares Versagen“.

Wie geht es weiter?

Die Bundesregierung prüft noch. In der Regierungs-PK sagte ein Sprecher am Montag, auf die entsprechende Nachfrage, die Beschlagnahmung bleibe „grundsätzlich vorstellbar“, es gebe aber nach wie vor eine Reihe von offenen rechtlichen Fragen sowie unklaren Folgeabschätzungen. „Das bleibt unsere Position.“ (mit dpa)

  • Stefan Küpper

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