Es rumort im Ost-Passage Theater. Wie jedes Jahr im August. Die Vorbereitungen für die mittlerweile 8. Spielzeit laufen auf Hochtouren. Eröffnet wurde die Nachbarschaftsbühne direkt zwischen Eisenbahnstraße und Rabet 2018, im selben Jahr also, als auch die Waffenverbotszone rund um die Eisenbahnstraße ausgerufen wurde. Damals noch unter Innenminister Roland Wöller, der damit den Wahlkampf der CDU um den Sächsischen Landtag für 2019 eröffnete.

Mir kam es damals so vor, als hätte Herr Ulbig, dessen Idee die sogenannte Waffenverbotszone ja noch war, seinen Zirkel direkt an der Stelle des Ost-Passage Theaters eingestochen und einen Bannkreis um unsere neue Nachbarschaftsbühne gezogen. Als Vorstand in dem gemeinnützigen Verein, der den jungen Kulturbetrieb trägt, blicke ich nachdenklich zurück. Es fühlte sich damals wie Sabotage an. Wir wollten ja vor allem die Außenwahrnehmung der Viertel verbessern, ihre Vielfalt und Kreativität sichtbar machen.

Neben der zweifelhaften Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit der „Waffenverbotszone“ hatten die lokalen Akteure damals in einem Offenen Brief vor allem die pauschale Stigmatisierung der Stadtbevölkerung in den Vierteln kritisiert. Aufzuhalten war die Einführung der Sonderzone jedoch nicht mehr.

Eine peinliche Einweihung

Am 5. November 2018 weihten OBM Jung, Polizeipräsident Merbitz und Innenminister Wöller die neuen Verbotsschilder ein. Zwanzig Minuten Vor-Ort-Termin, Händeschütteln, Enthüllung eines Schildes, ein inszenierter Kurz-Spaziergang über die Eisenbahnstraße, gestellte Gespräche mit Ansässigen: Medienwirksame Pressefotos und eine eigens dafür eingerichtete Internetseite versuchten die mittelmäßige Propaganda abzurunden. Ein kleiner Akt mit großer Wirkung, also bester Theaterstoff, so dachten zumindest einige Künstler/-innen vom Ost-Passage Theater und machten sich direkt an die Aktion.

„Die Idee zum Reenactment der Szene hatten wir, nachdem wir die Presseaufnahmen der Einweihung sahen: Die offenbarten das Top-Down-Verständnis der Politiker. Begleitet von Presseteams begaben sich die Herrschaften in die von ihnen als gefährlich deklarierte Zone, ohne mit den Menschen vor Ort, die von ihren Erlassen betroffen sind, in Kontakt zu kommen. Dem wollten wir als Bewohner/-innen des Viertels unsere subversive Kunstaktion von unten aus der Mitte der Gesellschaft und ohne Ausschluss von Öffentlichkeit entgegensetzen“, erinnert sich Daniel Maier.

Gemeinsam hatten er, Lea Fandrey und der bildende Künstler Felix Almes die Idee einer öffentlichen Kunstinstallation und performativen Einweihung entwickelt und u.a. in Kooperation mit den Performer/-innen Karolin Süßmann, Verena Zucker, Karl Gierth und Christopher Brandt in Szene gesetzt.

So sah das Kunstprojekt vorm Ost-Passage-Theater aus. Foto: Felix AlmesSo sah das Kunstprojekt vorm Ost-Passage Theater aus. Foto: Felix Almes

„Die Installation und Performance sollte den autoritären, diskriminierenden Charakter der Verbotszone bloßstellen. Immerhin bestand neben dem von staatlicher Stelle beabsichtigten medialen Imageschaden nun auch die Möglichkeit Passant/-innen beliebig für einen ‚tragbaren Gegenstand, welcher ohne dafür bestimmt zu sein die Abwehrfähigkeit von Menschen herabsetzen kann‘ mit einer Geldbuße von bis zu 10.000,00 EUR zu belegen.

So war beispielsweise selbst das Mitführen eines schweren Buches verboten. Wir wollten dies alles zugespitzt in die Öffentlichkeit zurückspiegeln, deswegen haben wir die Bildsprache der Schilder bis auf das Wesentlichste entleert und im Vorhof des Ost-Passage Theaters aufgestellt, die Internetseite der Verbotszone nachgestellt und unsere eigene Version des Eröffnungsaktes medienwirksam in einem TV-Beitrag platziert“, erklärt Felix Almes das künstlerische Konzept der drei überhohen gelben Verboten-Schilder auf dem Vorhof des Ost-Passage Theaters, die man schon von weitem sehen kann.

Eingeweiht wurde die Installation dann zum Ende der 1. Spielzeit, am 20. Juli 2019 vor gut 40 Gästen.

Mahnmale einer gescheiterten Ordnungsmaßnahme

Heute, sieben Jahre später, stehen die Verbotsschilder rund um die Eisenbahnstraße wie Mahnmale einer gescheiterten Ordnungsmaßnahme, vandaliert und von den Behörden eingekürzt auf das, was nach dem letzten Gerichtsentscheid noch blieb: Auch mit Waffenschein darf in der Sonderzone keine Waffe einsatzbereit mitgeführt werden. Ok, aber wozu dann eine Sonderzone? Das könnte doch auch gleich für das gesamte Stadtgebiet gelten?

Lassen wir das ganze Wunderwaffendenken und die missratene Sonderverbotszone hinter uns und konzentrieren wir uns auf Prävention und sozial wirksame Maßnahmen.

Ich sitze auch mit in der Lenkungsrunde, welche die Stadt Leipzig bei der Umsetzung eines erarbeiteten Maßnahmenplanes durch die Koordinierungsstelle Prävention berät. Es gibt einen langen Katalog von Dingen, die verbessert werden müssen. Vieles davon ist aber leider weder finanziell noch personell richtig untersetzt. Hier wird die Kommunalpolitik nochmal nachschärfen müssen.

Zu dem damals beschlossenen Paket gehörte außerdem ein Aktionsfonds über 100.000 Euro. Der muss jetzt endlich kommen, nach dem ganzen Haushalts-Hickack zu Lasten der vielen kleinen lokalen Mikro-Akteure.

Zumindest für die neue Polizeiwache an der Ecke Hermann-Liebmann-Straße hat man keine Kosten und Mühen gespart. Ihre Einrichtung war die zentrale Forderung aus Dresden gewesen, um die Waffenverbotszone endgültig aufzuheben. Nach der Eröffnung am 25. Juni hatte Innenminister Armin Schuster die Aufhebung der Sonderzone zum 21. August in Aussicht gestellt.

An dieses Versprechen wollen die Künstler/-innen vom Ost-Passage Theater den Politiker nun erinnern, indem sie die Kunstschilder vorbildlich abbauen. Wir hatten immer gesagt, spätestens mit der Abschaffung der Waffenverbotszone endet auch dieses Kunstprojekt. Lang genug gedauert hat es.

Zur neuen Spielzeit dürfen sich die Gäste des Ost-Passage Theaters wieder auf viele Highlights freuen, wie das Festival Politik im Theater und den Literarischen Herbst im Oktober, oder die Lange Nacht des Zirkus im November. Neben vielen tollen Theaterinszenierungen wird es auch wieder ausgewählte Konzerte, Angebote für Kinder und Jugendliche, spannenden Diskussionsabende und jeden Mittwoch Kino in Originalsprache geben.

Zum Autor: Daniel Schade, Jahrgang 1978, studierte Philosophie, Theaterwissenschaften und Soziologie in Leipzig. Seit 1996 arbeitet er als Assistent, Regisseur, Dramaturg und Autor. Im Team des Ost-Passage Theaters ist er für Öffentlichkeitsarbeit, Administration und künstlerische Prozesse zuständig.