Allende-Viertel in Köpenick

Erstes Containerdorf für Flüchtlinge soll schließen: Was bleibt nach zehn Jahren?

Do 21.08.25 | 13:10 Uhr | Von Ann Kristin Schenten und Jonas Wintermantel

Peter Hermanns und und Baara Mshinish stehen vor einem Gebäude des Containerdorfs im Allende-Viertel und schauen es an.(Quelle:rbb)

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Audio: rbb24 Inforadio | 21.08.2025 | Ann Kristin Schenten | Bild: rbb

Im Allende-Viertel in Berlin-Köpenick wurde 2014 die erste Geflüchtetenunterkunft aus Containern errichtet. Im kommenden Jahr soll es einer Sporthalle weichen. Damit endet ein Stück Berliner Flüchtlingspolitik. Von A. Schenten und J. Wintermantel

Im November 2014 rollten im Allende-Viertel in Berlin-Köpenick die ersten Kräne an: Sie stapelten nach und nach die bunten Container übereinander, am Ende waren es 364.

Noch heute besticht das Containerdorf durch seine markanten Farben. Gelb, blau rot – die Geflüchtetenunterkunft fällt auf zwischen den Plattenbauten. sie gehört zu den Containerdörfern der ersten Generation mit einfacher Qualität. In der Regel wohnen zwei Menschen in einem Wohncontainer mit 15 Quadratmetern Fläche – zwei Betten, ein Tisch, ein einfacher Metallspind.


Entscheidung für Containerdorf fiel kurzfristig

Die Entscheidung, hier in Köpenick Geflüchtete unterzubringen, wurde damals relativ kurzfristig getroffen. Seit 2013 beantragten immer mehr Menschen Asyl in Deutschland – die meisten davon aus Syrien, Serbien und Eritrea. 2014 erreichte die Asylbewerberzahl ihren vorläufigen Höhepunkt seit 1999, es wurden neue Standorte für Geflüchtetenunterkünfte gesucht. Im Oktober 2014 fiel die Wahl für das Containerdorf auf Köpenick.

Die Entscheidung traf der Senat damals, ohne den Bezirk mit einzubeziehen. Viele Anwohner fühlten sich davon überfordert, erster Protest formierte sich – mit dabei waren auch rechtsextreme Kräfte aus ganz Berlin, wie der Dritte Weg und die NPD.

Andere Anwohner gründeten Nachbarschaftsinitiativen wie „Allende 2 hilft“ und packten mit an, um die Geflüchteten zu unterstützen.

Peter Hermanns, Internationaler Bund Berlin-Brandenburg, ehemaliger Leiter (2014 - 2020) der Unterkunft im Allende-Viertel.(Quelle:rbb)Peter Hermanns


Die Situation war angespannt

Erster Leiter der Unterkunft war Peter Hermanns vom Internationalen Bund Berlin-Brandenburg. Der gelernte Sozialarbeiter betreute das Containerdorf ab 2014 insgesamt sechs Jahre lang, also auch 2015, als besonders viele Geflüchtete nach Berlin kamen. Die Behörden waren damals überfordert. Im Allende-Viertel machten Gerüchte über mögliche kriminelle Machenschaften der Bewohner die Runde, die Situation war angespannt.

Peter Hermanns – unüberhörbar Rheinländer – musste also vermitteln: „Ich wollte natürlich vor allem den Bewohnenden das Gefühl geben, dass es auch eine Willkommenskultur gibt. Aber ich musste zwangläufig mit denen ins Gespräch kommen, die der Einrichtung skeptisch gegenüberstanden. Wobei es auch Leute gab, die nicht gegen die Unterkunft gekämpft haben, sondern gegen die Menschen – das war purer Rassismus.“

Es gab auch Leute, die nicht gegen die Unterkunft gekämpft haben, sondern gegen die Menschen – das war purer Rassismus.

Peter Hermanns, Sozialarbeiter


Nach und nach engagierten sich viele Nachbarn

Er ging damals auf die Anwohner zu, war Tag und Nacht erreichbar. In der Unterkunft selbst war ihm ein persönlicher Kontakt mit den Geflüchteten wichtig. „Ich habe damals jedem, den ich getroffen habe, mit Handschlag begrüßt“, erzählt er. Im Februar 2015 lädt die Unterkunft zum „Tag der offenen Tür“. Zahlreiche Nachbarn und Interessierte kommen und sehen die Unterkunft erstmals von Innen.

Aktionen wie diese hätten geholfen, Vorurteile deutlich abzubauen, erklärt Hermanns: „Die Menschen haben gesehen, dass die Geflüchteten hier nicht luxuriös wohnen, sondern beengt mit wenig Privatsphäre und nur dem Nötigsten.“

Viele Anwohner haben damals angefangen, sich ehrenamtlich auch in der Unterkunft zu engagieren. Im Hof entstanden Hochbeete mit Tomatenpflanzen und ein sogenannter „Garten der Hoffnung“. Dort sitzen die aktuellen Bewohner noch heute oft im Freien. Während 2015 vor allem Menschen aus Syrien und den umliegenden Regionen nach Deutschland flüchteten, leben heute vor allem Ukrainerinnen und Ukrainer im Containerdorf.


„Merkels ‘Wir schaffen das’ war richtig“

Vor zehn Jahren war Berlins Flüchtlingspolitik geprägt von Überforderung. Das System war maßgeblich auf Freiwillige angewiesen. Geflüchtete warteten teils tagelang, um einen Platz in einer Unterkunft zugewiesen zu bekommen. Angesprochen auf die damaligen langen Schlangen vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso), die in allen deutschen Medien zu sehen waren, meint Hermanns: Heute wäre man nicht mehr so überfordert mit der Situation. Das Land Berlin habe sich inzwischen professionalisiert.

Das „Wir schaffen das“ von Angela Merkel sei damals aber genau richtig gewesen: „Die Situation war chaotisch, trotzdem – wenn Sie mich darauf ansprechen, auf dieses Zitat von der Bundeskanzlerin, was immer ein bisschen aus dem Zusammenhang gerissen wird. Ich unterstreiche das. Ich hätte das ganz genauso gesagt, Das war richtig so, wir mussten anpacken.“

Baara Mshinish steht in seinem ehemaligen Zimmer im Containerdorf für Geflüchtete und schaut aus dem Fenster.(Quelle:rbb)Baara Mshinish in einem Wohncontainer der Geflüchtetenunterkunft in Berlin-Köpenick.


Schwere Zeit bis zur Familienzusammenführung

Der Syrer Baara Mshinish kam 2015 in das Containerdorf nach Köpenick. Jetzt steht er in einem der Wohncontainer, der vor zehn Jahren sein zu Hause wurde. „Als ich hier neu ankam, habe ich überlegt: Wie lange bleibe ich wohl hier – ohne meine Familie.“ Baaras Familie war zu dem Zeitpunkt noch in Syrien, es dauerte zehn Monate, bis auch Frau und Tochter ein Visum bekamen. „Die Zeit war schwer für mich, ich wusste nicht was ich machen kann, um sie schnell nach Deutschland zu bringen. Gott sei dank, dass das alles jetzt vorbei ist.“

Als seine Familie endlich da war, sei Baara aufgeblüht, sagt Peter Hermanns. Die beiden sind noch immer befreundet. Baara arbeitete später als Arabisch-Übersetzer im Köpenicker Containerdorf, heute ist er Sozialarbeiter in einer anderen Unterkunft.

Wie 2015 Tausende Geflüchtete nach Berlin und Brandenburg kamen


“Unterkunft wird geduldet”

Von den Protesten der Anwohner habe er damals nicht viel mitbekommen, meint Baara. Heute merkt man: Die Nachbarschaft hat sich in den vergangenen zehn Jahren mit dem Containerdorf arrangiert. Nicht alle sind glücklich über die Situation, aber man habe sich an sie gewöhnt, sagt Dennis Schwarz, der im Plattenbau direkt gegenüber lebt: „Es wird geduldet. Aber es bilden sich keine großen Freundschaften, weil die Sprachbarriere einfach zu groß ist.“

Einige der aktuellen Bewohner aus der Ukraine kennt Schwarz persönlich und besucht sie gelegentlich. Er ist allerdings trotzdem froh, dass die Unterkunft nun einer Sporthalle weichen soll. „Das ist toll für die Kinder“, meint er. Ende des Jahres soll das Containerdorf leergezogen sein, sagte eine Sprecherin des LAF dem rbb.


Neue Unterkunft in der Grünauer Straße

Peter Hermanns kann damit leben: „Es ist ok, den Menschen wünsche ich eine bessere Unterkunft. Das hier sind die Containerdörfer der ersten Stunde, die waren nicht gut.“ Der 62-jährige Hermanns ist immer noch beim Internationalen Bund, allerdings als Pressesprecher.

Einige der verbleibenden Bewohner ziehen demnächst eine neue Unterkunft an der Grünauer Straße. Dort werden Container mit moderneren Standards gebaut – als dauerhafte Modulbau-Anlage inmitten einer Kleingartenanlage. Auch hier haben bereits einige Nachbarn geäußert, dass sie mit dem Bau nicht einverstanden sind.

Sendung: rbb24 Inforadio, 16.08.2025, 9:30 Uhr

Beitrag von Ann Kristin Schenten und Jonas Wintermantel